Mein Kollege sagt ...:"Ich kündige"

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Wenn es mit dem Chef und den Kollegen gar nicht mehr geht, hilft nur noch eine Trennung. Wie man die Kündigung als Ultima Ratio stilvoll inszeniert.

Julia Bönisch

Kündigen ist keine besonders angenehme Erfahrung. Für viele ist es etwa so schön wie Schlussmachen: Der Kollege muss dem Chef und dem Team erklären, dass und vor allem warum er sich dagegen entschieden hat, die restliche Lebenszeit mit ihm zu teilen. Das kostet Überwindung.

Der Schreibtisch leer geräumt, die Sachen gepackt: "Jetzt ist es Zeit, mal etwas Neues auszuprobieren." (Foto: Foto: iStock)

Auch die Gründe sind ähnlich wie bei einer Trennung: Entweder der Kollege fühlt sich betrogen (weil die ausstehende Beförderung schon seit zwei Jahren auf sich warten lässt, der Konkurrent völlig zu Unrecht viel mehr verdient), oder er braucht jetzt einfach mal ganz viel Zeit für sich (Stress, Druck, Burn-out). Oder er hat einfach jemanden gefunden, der viel besser zu ihm passt (der jünger und hipper ist und mehr Geld hat).

Das Gute beim Kündigen ist allerdings, dass das unangenehme Gespräch anders als bei einer Trennung zwar nicht unbedingt schmerzlos, aber immerhin kurz ist:

"Ich kündige."

"Oh." betroffen "Warum?"

"Es hat mir hier viel Spaß gemacht und ich habe viel gelernt, aber jetzt ist es einfach Zeit, mal etwas Neues auszuprobieren. Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen, aber ich wechsele zur Firma XC." Abhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, bisher ausgetragenen Konflikten und persönlicher Sym- oder Antipathie kann dieser Satz mit unterschiedlichen Ausprägungen des Bedauerns gesprochen werden.

"Schade. Wir wünschen Ihnen alles Gute."

Und das war's. Im Großen und Ganzen dauert so etwas nicht länger als fünf Minuten, damit ist eben alles gesagt. Denn leider wagen es nur die wenigsten, die Gelegenheit für eine längst fällige Generalabrechnung zu nutzen. Respekt gebührt all jenen, die sich Folgendes zu sagen trauen: "Ich habe in meinem Leben selten jemanden kennengelernt, von dem ich sowohl menschlich als auch fachlich so wenig halte wie von Ihnen." Wer kündigt schon so?

Die Kollegen bleiben nach der offiziellen Mitteilung, dass einer der ihren geht, einigermaßen ratlos zurück: Da gibt es die, die den anderen fürchterlich beneiden, weil sie selbst schon ganz lange weg wollen, aber aus unterschiedlichen Gründen nicht können. Außerdem noch ein paar wenige, die sich heimlich freuen, dass der Ungeliebte endlich weg ist, und sich auf den letzten Metern der Höflichkeit halber noch ein paar verlogene Sympathie-Bekundungen abpressen.

Auf der nächsten Seite: Kuchen backen, Sekt ausgeben, die besten Kunden abwerben? Wie inszeniert man seinen Abschied?

Und dann sind da noch die Schwermütigen, die bei Abschieden sofort von einer großen Melancholie gepackt werden. Die weinen sogar dann, wenn sie ein Praktikant verlässt. Die Hälfte der Tränen ist zwar nur der Tatsache geschuldet, dass sie von nun an wieder selber arbeiten müssen, aber das wissen die geschmeichelten Praktikanten ja nicht. Diese Kollegen sind zutiefst traurig über jede Veränderung.

Der Kündigende selbst muss jetzt nur noch seinen Abgang möglichst stilvoll inszenieren. Kuchen backen? Sekt ausgeben? Spaß daran haben nur die anderen. Eine Abschiedsmail mit der privaten Telefonnummer verschicken? Kollegen, die die Nummer bis dahin nicht kannten, rufen sowieso nicht an.

Also vielleicht die besten Kunden abwerben? So könnte er sich gleich beim neuen Chef beliebt machen. Um im Bild zu bleiben: Das wäre etwa so, als würde man nach der Trennung die Lieblingsklamotten des Partners und das gemütliche Sofa aus der Wohnung mitnehmen. Zurückkommen ist damit ausgeschlossen. Aber wer sich einmal zu dem entscheidenden Satz "Ich gehe" durchgerungen hat, möchte das sowieso nicht mehr. Und welcher Chef ruft schon mitten in der Nacht an, um Folgendes ins Telefon zu säuseln: "Sie, Herr Schultze, es war doch so schön mit uns. Kommen Sie doch zurück zu mir. Von jetzt an werde ich auch ganz ganz nett zu Ihnen sein."

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