Mein Kollege sagt ...:"Ich hab noch so viel Urlaub"

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Je näher der Jahreswechsel rückt, desto dringender sollten Mitarbeiter ihre restlichen Urlaubstage verplanen - sofern noch welche übrig sind. Was für ein Luxusproblem!

Julia Bönisch

Spätestens Anfang Dezember schickt die Sekretärin eine E-Mail an alle: "Bitte tragt euren Weihnachtsurlaub rechtzeitig ein - und denkt daran: Bis spätestens März nächsten Jahres muss der Resturlaub von 2007 genommen werden!"

Und prompt geht das Gejammer los: "Oh je, ich hab noch so viel Urlaub", stöhnt die eine Hälfte der Kollegen. "Wann soll ich bloß die freien Tage nehmen?" Die andere Hälfte der Büroangestellten wird da blass vor Neid: Es gibt tatsächlich Menschen, die am Ende des Jahres noch Urlaubstage übrig haben? Wie machen die das?

Urlaub ist doch schließlich Pflicht: Der Arbeitnehmer muss ihn nehmen, um sich zu erholen und seinem Arbeitgeber immer wieder ausgeruht, mit neuer Motivation und frischem Elan zur Verfügung zu stehen. So sieht es das Bundesurlaubsgesetz vor.

Krankhafte Freizeit-Abneigung

Außerdem tut Urlaub ja nicht nur der Firma gut. Ein schöner Strand, ein hoher Berg, eine interessante Stadt - selbst das eigene Sofa ist doch ein schönerer Aufenthaltsort als der Schreibtisch im Büro. Wieso haben dann bestimmte Leute immer wieder Resttage auf ihrem Konto stehen? Waren die bei den Vertragsverhandlungen vielleicht so schlau, sich 60 statt der üblichen 30 Tage auszuhandeln?

Grundsätzlich gehen wir einmal davon aus, dass jeder gerne Urlaub nimmt. Warum bestimmte Menschen darauf verzichten, muss also andere Gründe haben als den, dass Erholung keinen Spaß macht.

Möglichkeit eins: Vielleicht ist die Freizeit-Abneigung krankhaft bedingt. Workaholismus, panische Angst vor dem Reisen, eine Urlaubsphobie wären denkbar. Menschen werden bekanntlich von allen möglichen Ängsten befallen: der Angst vor dem Fliegen, vor Zügen, sogar vor ganzen Kontinenten. Australophobie zum Beispiel.

Möglichkeit zwei: wieder Angst - diesmal um den eigenen Job. Hängt der Chef der Hire-und-Fire-Mentalität an, schreibt das Unternehmen tiefrote Zahlen oder hat der Kollege vielleicht Gelder unterschlagen, könnte er nach seiner Rückkehr plötzlich jemand anderen an seinem Schreibtisch vorfinden.

Ungestört auf schlüpfrigen Websites surfen

Möglichkeit drei: die Kollegen. Die Zusammenarbeit mit ihnen ist einfach netter als ein zweiwöchiger Höllentrip in einen Touristenbunker auf Mallorca, zusammen mit dem frustrierten Partner und zwei hyperaktiven Kindern. Im Büro lässt man den Kollegen wenigstens in Frieden vor sich hinpusseln. Er kann in Ruhe in der Kantine zu Mittag essen, ohne dass er mit Kartoffelpüree bombardiert wird. Und hier kann er ungestört auf schlüpfrigen Websites surfen. Was uns wieder zu Möglichkeit zwei führt: Wird das entdeckt, könnte nach seiner Rückkehr jemand anderes an seinem Schreibtisch sitzen.

Unter bestimmten Umständen wird es vielen Kollegen offensichtlich unmöglich gemacht, das ihnen zustehende Erholungskontingent voll auszuschöpfen. Da ist es doch Aufgabe des Arbeitgebers, ihnen eine andere Möglichkeit zum Ausspannen zu geben. Wie wäre es etwa damit, stattdessen den Chef in die Ferien zu schicken? Das hat auf die große Mehrheit der Belegschaft die gleiche Wirkung wie ein zweiwöchiger Aufenthalt im Luxus-Spa.

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