Mein Kollege sagt ...:"Es zieht"

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Fenster auf, Fenster zu; Heizung an, Heizung aus - der Kampf ums Klima im Büro zermürbt selbst abgehärtete Kollegen.

Julia Bönisch

Montagmorgen, der Mief vom Wochenende hängt noch in den Zimmern. Der Kollege stürmt forsch das Büro, seine erste Amtshandlung: Er reißt das Fenster auf. Schlagartig fegt ein kalter Wind die sorgsam aufgetürmten Papierstapel durcheinander, nach kurzer Zeit ist die Raumtemperatur um gefühlte sieben Grad gefallen.

Zusätzlich erschwert der Straßenlärm jede Unterhaltung. Draußen dröhnen die Laster vorbei, drinnen versteht man sein eigenes Wort nicht mehr.

Maximal fünf Minuten später knallt der nächste Kollege das Fenster zu und dreht die Heizung bis zum Anschlag auf. "Es zieht", sagt er. Binnen einer Viertelstunde hat sich das Büro in eine Sauna verwandelt.

Männer mögen's kalt, Frauen mollig warm

Dieses Schauspiel wiederholt sich in Variationen etwa siebzehnmal am Tag. Die Bürogemeinschaft befindet sich in einem permanenten Wechsel von einem Extrem ins andere. Entweder ist es den einen zu heiß, oder den anderen zu kalt. Der Kampf ums Klima im Büro frisst bei den Beteiligten so viel Energie, dass man damit gut ein eigenes Heizkraftwerk betreiben könnte.

Üblicherweise verlaufen die Gräben dabei zwischen den Geschlechtern: Die Männer mögen's kalt, die Frauen mollig warm. Kein Wunder, sind die Bürohengste in der Regel schön dick eingepackt: T-Shirt, darüber ein Hemd, darüber eine Krawatte, die den Hals schützend verschnürt, und schlussendlich das Sakko oder der Pulli mit V-Ausschnitt - dreieinhalb Schichten, die den Mann unempfindlich machen gegen Kälte.

Unterschiede ergeben sich bei Männern höchstens unter ökonomischen Gesichtspunkten: Der Sparer stellt erst die Heizung ab, bevor er das Fenster aufreißt. Der Verschwender dagegen lässt sie volle Pulle laufen, während er für Frischluft sorgt.

Frauen entsprechen meist dem dritten Typus, dem Muffel: Heizung an UND Fenster zu. Ihnen schreibt der Dresscode schließlich vor, ihre Arbeit in einem dünnen Blüschen zu verrichten.

In dicken Pullovern sehen Frauen aus wie Michelin-Männchen

Das Zwiebelprinzip wäre eine Lösung für Kolleginnen. Doch da macht ihnen die Eitelkeit einen Strich durch die Rechnung: In dicken Pullovern ähneln sie dem Michelin-Männchen, und Blazer lassen die Schultern so vorteilhaft wirken wie bei einer Hammerwerferin. Beides keine Alternativen, mit denen man bei Chefs und Kunden punkten kann.

Nun könnten die männlichen Kollegen den Damen entgegenkommen und ihrerseits das Jackett ablegen. Bei strengen Chefs ist das jedoch verpönt. Zudem würde so die Aura des erfolgreichen Managers zerstört.

Da bleibt nur eine Lösung: nach Geschlechtern getrennte Büros. Dann dürfen die Frauen schon mal getrost die Erderwärmung und ihre Folgen simulieren (verblühte Pflanzen, erhöhter Wasserverbrauch), während sich die Männer im Zimmer nebenan einbilden können, jederzeit einen kühlen Kopf zu bewahren.

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