Mein Arbeitstag:Partygast mit Mission

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Die Botschafterin Anna-Margareta Peters ist gern auf schwierigen Posten.

(SZ vom 12.4.2003) Anna-Margareta Peters studierte Politikwissenschaften und begann 1970 eine Ausbildung für den Höheren Auswärtigen Dienst. Zwischen ihren Einsätzen in Oslo, Lomé und Buenos Aires arbeitete sie immer wieder für längere Zeit in der Zentrale des Auswärtigen Amtes. 1988 wurde sie zur Botschafterin ernannt und nach Mogadischu entsandt. Zwei Jahre später kehrte sie als Protokollchefin des Landes Berlin zurück, übernahm 1993 die Leitung eines Referats der Personalabteilung und stieg fünf Jahre später zur Unterabteilungsleiterin auf. Seit 2000 ist sie Botschafterin in Südafrika und auch für Lesotho zuständig.

"Uns Diplomaten haftet ja noch immer das Image an, wir stünden nur auf Partys herum und schwenkten unsere Gläser. Aber diese Abendtermine sind sehr wichtig. Zum einen, um Kontakte zu pflegen. Zum anderen, weil sich in angenehmer Atmosphäre auch mal eine Frage unterbringen lässt, die man sonst nicht einfach so stellen könnte. Ich bemühe mich, überall dort hinzugehen, wo deutsche Interessen berührt werden, manchmal aber auch einfach nur aus Freundschaft oder Höflichkeit. Oft komme ich dann erst nachts um zwölf oder eins nach Hause.

Mein Arbeitstag beginnt um fünf Uhr dreißig mit Nachrichten auf CNN, Deutsche Welle oder BBC. Ich muss ja auf dem Laufenden sein. Außerdem brauche ich Zeit zum Nachdenken, bevor ich loslege: Was muss ich heute tun? Was muss schnell erledigt werden? Zwanzig nach sieben gehe ich aus dem Haus, spätestens um viertel vor acht bin ich im Dienst.

Zweimal in der Woche findet um acht Uhr unsere Morgenrunde statt, so wie heute. Dann erzählen meine Mitarbeiter, was bei ihnen gerade los ist und ich unterrichte sie, was anliegt und was die deutsche Regierung zu diesem oder jenem Problem sagt. Es ist wichtig, dass wir mit einer Stimme sprechen, falls wir von außen nach deutschen Positionen gefragt werden. Zurzeit beschäftigt uns die Kandidatur eines Deutschen für einen bedeutenden UN-Posten. Wir haben die Weisung, für ihn zu werben, und dafür gehe ich gerne in die Bütt. Denn Deutschland ist ein großer Beitragszahler der Vereinten Nationen, und wir haben gezeigt, dass wir bereit sind, mehr Verantwortung zu übernehmen. Das werde ich auch den Außenministern von Südafrika und von Lesotho so vortragen und sagen: Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie XY unterstützen würden.

Botschafter vertreten die Interessen ihres Landes - und das bedeutet zu dienen. Die eigene Eitelkeit muss man an der Garderobe abgeben. Wenn mich jemand fragt, welche Eigenschaften man in unserem Job braucht, antworte ich: Bescheidenheit, so altmodisch das Wort sein mag, dann Aufrichtigkeit, Ruhe, Genauigkeit, Humor - Leute ohne Humor sind immer grässlich - und natürlich Neugier auf die Welt. Wir müssen bereit sein, überall hin zu gehen, wohin man uns schickt.

Auch wenn es vielleicht seltsam klingt: Ich habe das Glück gehabt, auf schwierigen Posten gewesen zu sein. Ich habe zum Beispiel Argentinien während der Militärdiktatur erlebt und später seinen demokratischen Wandel. So konzentriert kriegt man selten Geschichte mit.

Was war heute sonst noch? Ach ja, am späten Vormittag hatte ich ein langes Gespräch mit dem Personalrat. Ich habe etwa 60 Mitarbeiter, und wo Menschen zusammen kommen, menschelt es. Also versuchen wir, die Probleme im Team zu lösen, bevor sie gefährlich werden, denn alles, was nicht ausgetragen wird, wird nachgetragen. Mittags habe ich mich wie immer auf das Sofa in meinem Arbeitszimmer gelegt und zwanzig Minuten geschlafen. Das habe ich während meiner Zeit in Togo gelernt. Danach beginnt dann quasi ein zweiter Tag.

Am Nachmittag kamen zwei Besucher: Einer war von der Universität in Pretoria, er lud mich zu einem Abendessen ein, weil wir Stipendien an Jura-Studenten aus anderen Ländern Afrikas vergeben, die hier Kurse über Menschenrechte belegen - was ich wichtig und gut finde. Der andere Besucher arbeitet im Wissenschaftsministerium, da ging es um ein deutsch-südafrikanisches Forschungsprojekt, das sich mit dem Quastenflosser beschäftigt. Das ist ein Fisch, den es seit 400 Millionen Jahren gibt und der sich in den vergangenen 70 Millionen Jahren nicht weiter entwickelt hat. Auch mit solchen Themen beschäftigt man sich als Diplomat - und das ist das Schöne an unserem Beruf in Ländern wie diesem: Man hört nie auf zu lernen.

Ob man es als Frau schwerer hat? Ich möchte es mal so ausdrücken: Die Frauen der jüngeren Generation werden es leichter haben. Im islamischen Somalia war übrigens der vermeintliche Nachteil ein Vorteil. Der damalige Präsident ließ sich von mir Dinge sagen, die ein Mann ihm nie hätte sagen dürfen. Ich war ja bloß eine Frau. Aber wenn ich etwas erreiche - was soll's? Damit kann ich leben.

Jetzt ist es sieben Uhr. Ich muss noch die Post aus Deutschland lesen und anschließend eine Rede für ein deutsch-französisches Fest übersetzen. Ich rede grundsätzlich kurz. Nichts ist schlimmer als Leute, die lange Reden halten. Meine dauert zwei Minuten elf Sekunden. "

Aufgezeichnet von Gunthild Kupitz.

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