Mein Arbeitstag:Geld oder Liebe

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Die Kommissarin Inge Munk klärt Morde auf.

(SZ vom 29.3.2003) Nach dem Abitur absolvierte Inge Munk eine dreijährige Ausbildung im gehobenen Polizeivollzugsdienst an der Beamtenfachhochschule Würzburg, einer Mischung aus Praxis und Studium. Seit 1999 arbeitet sie in München, wo sie zunächst in verschiedenen Polizeiinspektionen als stellvertretende Dienstgruppenleiterin eingesetzt wurde. 2001 wechselte sie zum Mordkommissariat K 111. Seither klärt die 26-Jährige als Sachbearbeiterin im Range einer Kriminaloberkommissarin Kapitalstraftaten wie Mord, Totschlag und Entführungen auf.

Inge Munk ist schon um sieben im Büro. (Foto: SZ)

"Ab und zu schaue ich ganz gerne Tatort. Natürlich entspricht da nicht alles hundertprozentig unserem Arbeitsalltag. Beispielsweise diese typischen Zweier-Teams, die gibt es so gar nicht. Eine Mordkommission besteht meistens aus fünf oder sechs Leuten: dem Leiter, drei bis vier Sachbearbeitern und einer Angestellten, die bei Vernehmungen das Protokoll aufnimmt. Im K 111 gibt es insgesamt fünf Mordkommissionen.

Um halb acht ist Morgenbesprechung. Da treffen sich sämtliche Mitarbeiter, um sich über den Stand der jeweiligen Ermittlungen auszutauschen. Ich bin in der Regel schon um sieben im Büro, aber das ist mein persönlicher Vorlauf. Anschließend hatten wir heute noch eine zweite Besprechung, da wir zur Zeit in einer Arbeitsgruppe organisiert sind. Die wird dann gebildet, wenn ein außergewöhnlicher Fall zu bearbeiten ist. Genaueres kann ich dazu nicht sagen. Das Meeting hat nicht lange gedauert, es ging nur darum, kurz abzusprechen, wer heute was zu erledigen hat. Ich habe dann den Vormittag hauptsächlich damit verbracht, Akten zu lesen und Zeugenaussagen miteinander zu vergleichen.

Die meisten Fälle erreichen uns während der Rufbereitschaft. Sobald uns ein Mord gemeldet wird, rücken drei Beamte und zwei Leute vom Erkennungsdienst zum Tatort aus. Auch der Leiter unserer Kommission. Der koordiniert die Ermittlungen vor Ort und achtet darauf, dass alle Erstmaßnahmen und gegebenenfalls auch Fahndungsmaßnahmen getroffen werden. Sobald die Spuren gesichert sind, beginnen wir mit den Vernehmungen der Zeugen. Das kann sich durchaus mehrere Stunden hinziehen. Später wird der Fall einem aus dem Team als verantwortlichem Sachbearbeiter übertragen.

Ich bin die Jüngste in unserem Team. Meinen allerersten Fall bekam ich sechs Wochen, nachdem ich zur Mordkommission gewechselt war. Ein Ehedrama: Sie war Türkin, er Italiener, und es gab ein gemeinsames Kind. Die Frau wollte sich trennen und hatte gerichtlich durchgesetzt, dass er ihr die Wohnungsschlüssel übergeben musste. Dabei hat er sie erstochen und ist dann geflohen. Er steht jetzt in Italien vor Gericht.

Im letzten Jahr hat unser Kommissariat 45 Fälle bearbeitet, zehn davon waren vollendete Tötungsdelikte. Gottseidank können wir die meisten aufklären, aufgegeben wird keiner. Die Motive sind fast immer die gleichen: Geld oder Liebe, und oft sind sie miteinander verwoben. Die allermeisten Straftaten in unserem Bereich sind übrigens so genannte Beziehungsstraftaten, das heißt Täter und Opfer kannten sich. In der Regel ist relativ schnell klar, wer der Täter ist.

Während im Fernsehen mit der Aufklärung des Falls der Krimi zu Ende ist, beginnt bei uns die Arbeit erst richtig. Ich muss dem Täter nachweisen, dass er die Tat begangen hat - und zwar unabhängig davon, ob er gesteht. Der Staatsanwalt muss später dem Gericht ein lückenloses Bild über die Hintergründe liefern können.

Deshalb führen wir umfangreiche Vernehmungen aus dem gesamtem Umfeld des Opfers und des Tatverdächtigen. Das macht einen großen Teil meiner Arbeitszeit aus. Wir fragen Freunde, Bekannte, Familie, Nachbarn, und meistens fragen wir zu zweit. Das hat sich bewährt: Jeder hat andere Ideen, jedem fällt etwas anderes auf. Auch sonst ist Polizeiarbeit vor allem Teamarbeit. Man überlegt oft gemeinsam: In welche Richtung kann man noch ermitteln? Wo kann man noch mehr erfahren?

Ich wollte schon sehr früh zur Polizei. Ich finde, das Opfer und seine Familie hat einen Anspruch auf Aufklärung und auch auf Bestrafung des Täters.

Sicher, meine Arbeit hat mich misstrauischer gemacht, und es gibt inzwischen nur noch wenig, was ich Menschen nicht zutraue. Trotzdem: Für mich ist mein Beruf ein Traumjob. Er fordert sowohl analytische als auch kreative Fähigkeiten, beispielsweise bei Recherchen. Natürlich erlebe ich Gier, Hass und Gewalt in Extremform. Aber nicht nur. Gleichzeitig lerne ich in kürzester Zeit sehr viel über Menschen, was ich auch für mich persönlich als wertvoll empfinde. "

Aufgezeichnet von Gunthild Kupitz

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