Manager:Chefsessel sind Schleudersitze

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Jeder zweite Top-Manager muss seinen Posten räumen. Der häufigste Grund: schlechte Leistung.

Harald Schwarz

Gute Leistungen werden nicht immer belohnt, und schlechte auch nicht immer bestraft. Das lehrt das Leben, auch wenn es dem Gerechtigkeitsprinzip widerspricht. Aber es gibt ihn trotzdem, den harten beruflichen Alltag. Je höher einer auf der Karriereleiter klettert, umso wahrscheinlicher ist ein jäher Absturz. Das belegt auch eine Studie der Beratungsgesellschaft Booz Allen Hamilton, die nach Ermittlungen bei den 2500 weltweit größten Unternehmen und bei den 300 größten Firmen aus dem deutschsprachigen Raum erstellt wurde.

Chefposten ade: Danach geht's "nicht auf den Golfplatz", viele Ex-Manager arbeiten als Berater. (Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Demnach schieden im vergangenen Jahr weltweit mehr Vorstandsvorsitzende aus als je zuvor. Fast jeder siebte Top-Manager - exakt sind es 15,3 Prozent - verließ seinen Posten. Die Quote ist damit in den vergangenen zehn Jahren um 70 Prozent gestiegen.

Grund dafür ist der Studie zufolge die stärkere Leistungsorientierung: Der Anteil jener Top-Manager, die wegen mangelnder Leistung gehen mussten, ist dramatisch gewachsen. Im deutschsprachigen Raum war das 2005 bereits die Ursache für mehr als jeden zweiten Chefwechsel (52 Prozent). Weltweit liegt diese Quote bei einem Drittel. Somit haben sich Abgänge als Folge schlechter Leistungen global seit 1995 insgesamt vervierfacht.

Rechnet man die durch Fusionen und Übernahmen ausgelösten Manager-Abtritte hinzu, erfolgt weltweit bereits jeder zweite Abgang von der Spitze unfreiwillig. Im deutschsprachigen Raum sind es sogar 69 Prozent, wobei die wackligsten Stühle in den Branchen Telekommunikation und Informationstechnologie zu finden waren.

Für Klaus-Peter Gushurst, Sprecher und Managing Partner bei Booz Allen Hamilton, steht fest: "Die Zeiten des Vorstandsvorsitzenden auf Lebenszeit sind endgültig vorbei." Er glaubt, dass sich die weltweite Fluktuationsquote auf Chefebene bei 16 Prozent in den kommenden Jahren einpendelt. Ein Drittel davon werde auf leistungsbedingte Wechsel entfallen. Das sei die "neue Normalität", meint Gushurst. Die durchschnittliche Verweildauer eines Vorstandsvorsitzenden schätzt er auf fünf bis sieben Jahre.

Zugleich scheiden Unternehmenslenker immer früher aus. Im deutschsprachigen Raum ist das Durchschnittsalter von Vorstandschefs, die ihren Posten verlassen, von 58,6 Jahren in 2003 auf zuletzt 54,9 Jahre gesunken. Diese Personen, hat Gushurst beobachtet, wechseln aber "nicht auf den Golfplatz", sondern wollten weiter arbeiten und suchten sich deshalb eine "neue Heimat". Diese finden sie oft bei Beratungsgesellschaften und Investmentbanken.

Auffällig ist auch, dass das Alter für den Amtsantritt eines Vorstandschefs deutlich gesunken ist: Lag es 2003 noch bei 52 Jahren, betrug es 2005 nur noch 45,8 Jahre. Gushurst sagt dazu, eine komplett neue Generation sei in Deutschland in die Führungsposition gelangt. Für ihn finden sich in den Vorständen allerdings viel zu wenig Frauen. "Stiefmütterlich" werde auch das Thema Internationalisierung behandelt. In deutschen Top-Positionen gebe es außer Schweizern und Österreichern kaum internationale Manager, rügt er.

Aufsichtsräten schreibt er ins Stammbuch, Manager oft überstürzt zu feuern, es gebe sogar "Panikhandlungen". Die Räte sollten künftig dazu übergehen, die Nachfolge über mehrere Vorstandslenker hinweg strategisch zu planen. Das bedeute: Das Chef-Sein sei nicht mehr die Krönung am Ende einer Karriere, sondern könne auch eine Durchgangsstation zum nächsten Posten bedeuten.

© SZ vom 23.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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