Lust und Frust:Glücklichsein im Job

Lesezeit: 2 min

Immer mehr Deutsche finden ihre Arbeit furchtbar. Kann man am Schreibtisch überhaupt glücklich sein?

Julia Bönisch

Jeder Dritte findet seine Arbeit schrecklich, ergab kürzlich eine Befragung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). "Gut ist eine Arbeit dann, wenn sie den Ansprüchen der Beschäftigten in Bezug auf Arbeits- und Einkommensbedingungen gerecht wird", lautete die Definition des DGB, der 6000 Beschäftigte dazu befragt hatte.

Demnach sind 34 Prozent mit ihrer Arbeit unglücklich, nur zwölf Prozent sind zufrieden. Der Rest befindet sich irgendwo zwischen Dienst nach Vorschrift und der inneren Kündigung.

40 Stunden die Woche - oft noch mehr - verbringt der Durchschnittsangestellte im Büro. Ganz zu schweigen von den Gedanken, die man sich vor dem Einschlafen oder am Wochenende über den Chef, das Meeting oder den Termin in der kommenden Woche macht. Alles in allem beschäftigt man sich gut drei Viertel der Zeit, die man im Wachzustand verbringt, mit dem Beruf.

Ist es da zu viel verlangt, wenn man in seinem Job glücklich sein will?

Ja, sagt der Arbeits- und Industriesoziologe Rudolf Schmidt von der Universität Jena. "Glück ist nur bei der absoluten Identifikation mit seiner Arbeit möglich. Die Wenigsten von uns können aber unter Bedingungen arbeiten, die sie selbst bestimmen können. Sich mit etwas zu identifizieren, das man nicht selbst festgelegt hat, ist nahezu unmöglich."

Alles Rationale ausblenden

In einem normalen Angestelltenverhältnis könne kaum jemand autonom arbeiten. "In solchen Arbeitsverhältnissen kann man nur dann glücklich sein, wenn man alles Rationale kurz ausblendet, alle Zwänge und Vorschriften", so Schmidt. "Das funktioniert während der normalen Arbeit nicht, höchstens für ein paar kurze Augenblicke."

Angesichts solch deprimierender Aussichten könne man durchaus zum Kapitalismuskritiker werden, gesteht der Soziologe. Aber sobald man von Zufriedenheit rede, sehe die Sache schon anders aus. "Beim Begriff Zufriedenheit ist allen klar, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Dieser Zustand ist viel einfacher zu erreichen."

Bestimmend für Zufriedenheit mit dem Beruf sind vor allem drei Aspekte: Der Arbeitnehmer muss sich seines Jobs sicher sein, statt sich permanent vor der drohenden Kündigung zu fürchten. Zudem muss die Bezahlung stimmen, und der Stress sollte sich in Grenzen halten.

Sind diese drei Bedingungen erfüllt, ist Arbeitszufriedenheit wahrscheinlich. Doch die Realität sieht anders aus.

Bewusste Auszeiten vom Job

Die Angst vor dem Jobverlust wächst, der Leistungsdruck steigt, der Einzelne bekommt das Gefühl, immer mehr leisten zu müssen. "Es gibt kein Ausruhen mehr", bestätigt Schmidt. Die Zeit im Job rase.

"Daher fragen sich die meisten Menschen nach ihrer Pensionierung: 'War's das? Soll das ein glückliches Arbeitsleben gewesen sein?' Da antworten die wenigsten mit ja."

Deshalb empfiehlt Ulrich Renz, Autor des Ratgebers "Die Kunst, weniger zu arbeiten", sich bewusst Auszeiten vom Job zu gönnen. "Man kann sich zum Beispiel fixe Termine setzen für kleine Alltagspausen. So etwas hilft schon sehr."

Ganz mit dem Arbeiten aufzuhören, rate er dagegen nicht. Schließlich sei es der Beruf, der Menschen Struktur und Halt gebe. "Ohne einen Job geht man nicht mehr regelmäßig aus dem Haus, man bekommt auch keine Selbstbestätigung mehr."

In unserer arbeitszentrierten Kultur seien wir nun einmal darauf gepolt, unser Glück über die Karriere zu suchen. "Der Job gibt jedem eine Aufgabe, ohne die er sich nutzlos vorkommen würde. Betrachtet man es unter diesem Blickwinkel, macht Arbeit die Welt sogar ein Stück angenehmer, selbst wenn man nicht unbedingt glücklich ist in seinem Beruf."

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: