Lebenskunst ist ...:... sich nicht ausnutzen zu lassen

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Hilfsbereitschaft ist eine Tugend. Sich ausnutzen zu lassen, eine Torheit. Stefan F. Gross zeigt, wie man erfolgreich "Nein" sagt.

Vor wenigen Tagen sagte mir in einer Radio-Talkshow eine Anruferin: "Ich fühle mich völlig überlastet. Immer wenn ich um 17:00 Uhr nach Hause gehen will, bitten mich Kollegen, noch schnell Arbeiten von ihnen zu übernehmen, weil sie dringend weg müssen. Sie sind dann verschwunden und ich sitze noch ewig im Büro."

Wer spät Abends noch Akten durchackern muss, war vielleicht ein wenig zu hilfsbereit. (Foto: Foto: iStock)

Geht es Ihnen ähnlich wie der Dame? Haben auch Sie jemanden in Ihrer Umgebung, der Ihnen regelmäßig seine Arbeit aufs Auge zu drücken versucht? Oder sind Sie gar von einer ganzen Horde dieser Art von "Arbeits-Aufhalsern" umgeben?

Als Packesel missbraucht

Zunächst eine Vorbemerkung: Natürlich ist Hilfsbereitschaft eine große Tugend, die das Leben verschönert und erleichtert. Sofern sie auf Gegenseitigkeit beruht. Was aber, wenn diese fehlt und wenn die eigene Hilfsbereitschaft von anderen nur ausgenutzt wird? In solchen Fällen sollte man die Verhältnisse schleunigst ändern.

Der erste Schritt besteht darin, sich über die Erkennungszeichen von Personen klar zu werden, die andere gerne als spezielle Art von Packesel missbrauchen. Ihr eines Hauptmerkmal ihre Einschleichmethode. Ihr Standardsatz lautet: "Könnten Sie heute bitte einmal kurz für mich..." Wer hier einfach so einwilligt, ist verloren.

Zum einen geht es keineswegs nur um "heute", sondern um eine Verpflichtungserklärung mit unbegrenzter Zukunftswirkung. Morgen kommt wieder eine Bitte und Forderung. Und übermorgen auch. Und am nächsten Tag. Und an allen folgenden ebenfalls.

Grimmig, beleidigt, vorwurfsvoll

Zum anderen verbirgt sich hinter "kurz" oder "schnell" keineswegs eine Arbeit, die man nebenbei mit einem Handgriff erledigt. Im Gegenteil. Die Angelegenheit erweist sich fast immer als komplexe Aufgabe, die volle Konzentration erfordert, bei der man ständig auf neue Hindernisse stößt, die einen stundenlang an den Schreibtisch fesselt und die einen schließlich daran hindert, mit den eigenen Aufgaben fertig zu werden.

Das zweite Merkmal von "Arbeits-Aufhalsern" ist ihre Reaktion auf Ablehnung. So etwas mögen sie gar nicht. Also ändern sich ihr Gesichtsausdruck und ihre Stimmlage. Von lächelnd, freundlich und Mitleid heischend zu grimmig, beleidigt und vorwurfsvoll: "Ja aber wieso denn nicht? Es ist doch nur heute und ganz kurz! Wie kann man denn so wenig hilfsbereit sein?"

Auf der nächsten Seite: Drei Empfehlungen, wie Sie mit "Arbeits-Aufschiebern" umgehen können.

Lassen Sie sich von diesem Verhaltensmuster nicht länger einschüchtern oder in die Enge treiben. Hier sind drei Empfehlungen, die Ihnen helfen:

Richtige Form Lehnen Sie stets höflich und gleichzeitig immer entschlossen ab. Nennen Sie kurz und knapp einen klaren Grund. "Ich würde Ihnen gerne helfen. Ich habe aber selbst noch so viel zu tun, dass es mir nicht möglich ist." Punkt.

Kein schlechtes Gewissen Wer Sie mit dem Vorwurf "mangelnde Hilfsbereitschaft" unter Druck zu setzen versucht, der beweist, dass er in Wahrheit nur an sich selbst denkt und dass ihm Ihre Lage völlig egal ist. Wenden Sie entschlossen Regel Nr. 1 an!

Aussprache Wenn jemand niemals locker lässt, dann sprechen Sie das Thema offen an. "Ich helfe grundsätzlich gerne. Bei Ihnen habe ich aber in letzter Zeit das Gefühl bekommen, dass Sie das einfach ausnutzen. Und das möchte ich nicht."

Bitte schreiben Sie uns: Gibt es die beschriebenen "Arbeits-Aufhalser" auch in Ihrem Umfeld? Und was tun Sie, um sich vor ihnen zu schützen?

Stefan F. Gross ist Managementdozent, Autor und Kolumnist. Er beschäftigt sich intensiv mit dem Thema der Verbindung von beruflichem Erfolg mit persönlicher Lebenskunst. Seine Kolumne "Lebenskunst" erscheint jeden Dienstag auf sueddeutsche.de.

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