Kündigungswelle:Personaler in Not

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Human Resources Manager haben es schwer. Statt Mitarbeiter zu motivieren, müssen sie derzeit als Kündigungs-Exekutoren auftreten.

Silvia Lautz

(SZ vom 27.10.2001) Trifft es mich oder trifft es mich nicht? Tausende Arbeitnehmer müssen sich zurzeit fragen, ob ihnen die Kündigung droht, zum Beispiel bei Siemens oder der Commerzbank. Auch bei den Kündigungsexekutoren kommt keine Freude auf: "Spaß macht das nicht", erklärt Commerzbank-Personalchef Bernhard Heye.

In Krisenzeiten gelten die schönen Visionen der Manager wenig. Da kippt bei so manchem Personalchef das Selbstbild vom strategischen Gestalter. Dabei seien nur die wenigsten Personaler jemals qualifizierte Lenker gewesen, meint Christian Scholz, Professor für Personal- und Informationsmanagement an der Universität Saarbrücken. "Viele übernehmen eifrig die Rolle des Henkers. So werden sie endlich wichtig."

Chancen ergreifen

Scholz sieht jedoch gerade in der aktuell angespannten Wirtschaftslage eine Chance für qualitativ bessere Arbeit bei den Personalchefs. "Jetzt ist die Zeit, eine Denker-Rolle zu übernehmen und neue Muster für den sozialen Kontrakt zwischen Unternehmen und Mitarbeitern zu schaffen", glaubt der Professor.

Human Resource (HR)-Manager müssten endlich den Mund gegenüber der Geschäftsführung aufmachen. Statt "manisch-depressiv" zu sein, sollten sie "auf eine neue Welt hinweisen".

Kein Produktionsleiter oder Vertriebschef könne diese Funktion übernehmen. Doch bei solchen Anforderungen "schauen die Personaler einen nur mit großen Augen an", weiß Scholz zu berichten.

Der Personaler als Stratege

Ganz so negativ mag sich Hans Böhm, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP), den Zustand seiner Verbandsgenossen nicht ausmalen. "In 50 Prozent der Unternehmen wird auf Personalmanagement großer Wert gelegt", ist er überzeugt. Und die Zahl der Kollegen steige, "die sich intensiv um Vergütungspolitik, Kommunikation und professionelle Mitarbeiterrekrutierung und -entwicklung kümmern", fügt Henkel-Personalchef Roland Schulz hinzu.

Auch Bernhard Heye meint, Personaler kämpften zwar tagtäglich um ihre Akzeptanz als Strategen, aber "das muss so sein". Wichtig sei dabei, dass der HR-Manager neben seinem spezifischen Fachwissen auch Ahnung vom Geschäft seiner Firma hat.

Alles Lüge?

Unehrlichkeit allenthalben, das ist für Scholz ein weiteres gravierendes Problem in der deutschen Firmenkultur. In der New Economy sei das besonders auffallend, doch letztlich ziehe sich das Phänomen durch alle Wirtschaftsbereiche. Vor allem, wenn es krisele. "Während noch Parolen wie ,Wir entlassen keinen!' ausgegeben werden, stellt die Personalabteilung oft schon Entlassungslisten zusammen", erklärt der Universitätsprofessor - und fordert das Ende der "Lügerei".

Scholz plädiert für den "Abschied vom Mythos des glücklichen und fairen Miteinanders". Der Teamgedanke sei oft illusorisch, der "interne Wettbewerb muss ehrlich beim Namen genannt werden". Führungskräfte sollten ihren Mitarbeitern keine falschen Zukunftsperspektiven ausmalen. Umgekehrt sollten Mitarbeiter ihre eigenen Ambitionen, selbst wenn sie sich nach neuen Jobs umschauen, aussprechen dürfen.

Vertrauenskultur etablieren

Doch nicht jeder stimmt in den Abgesang auf den guten alten Teamgeist ein: "Was nützt Ihnen eine Mannschaft mit vielen Stars, die sich gegenseitig bekämpfen? Sie werden keinen gemeinsamen Erfolg haben", meint Henkel-Personaler Schulz. Teamorientiertes Verhalten in guten Zeiten schaffe auch erhöhte Krisenresistenz.

Auch in Sachen Ehrlichkeit stimmt Schulz nicht hundertprozentig mit Scholz überein. Vor allem in der jüngeren Generation sei der konstruktiv ehrliche Umgang auf dem Vormarsch. Allerdings muss der Henkel-Manager zugeben, dass sich Unternehmen nach wie vor stark in ihrer Offenheit gegenüber den Mitarbeitern unterscheiden. Dabei müsste eigentlich jedem klar sein, dass man die Kommunikation nicht den "Gerüchtemachern" überlassen sollte. Schulz selbst setzt bei Henkel alles daran, eine Vertrauenskultur zu etablieren. Dafür kommuniziert er an runden Tischen und über eine Zeitschrift mit seinen Mitarbeitern. "You can never overcommunicate", zitiert er eine amerikanische Weisheit.

Motivation erhalten

Seinen Erfolg als Personalchef misst er daran, "zu erleben, wie sich das Geschäft plötzlich aufgrund einer erfolgreichen Teamkultur in eine positive Richtung zu drehen anfängt". Natürlich gebe es auch frustrierende Momente, zum Beispiel wenn sich Vorgesetzte nicht an gemeinsam etablierte Spielregeln hielten. Commerzbank-Personalchef Heye empfindet es zudem als schwierig, dass sich der eigene Anteil am Unternehmenserfolg nur schwer messen lässt, "da ein Personaler nur auf indirektem Wege zur Wertschöpfung beiträgt".

Wertschöpfung, der Begriff wird zur Zeit bei der Commerzbank besonders groß geschrieben. Heye sieht seine dringlichste Aufgabe darin, die Unruhe in seiner Bank zu beenden. Daher müsse er die "Mitarbeiterressourcen so schnell wie möglich an die neue Strategie anpassen". Die größte Kunst dabei bestehe darin, trotz anstehender Kündigungen und anderer Maßnahmen zur Kostensenkung die Motivation der Mitarbeiter "auf möglichst hohem Niveau zu halten". 3400 Mitarbeiter zu entlassen sei "schlimm". Zu vertreten sei das nur, "weil man damit die Mehrheit schützt".

Entlassungen können immer nur die "ultima ratio" sein, betont DGFP-Geschäftsführer Böhm. Maßnahmen wie Gehaltsverzicht, Verträge auslaufen lassen, ein sinnvoll vorgezogener Ruhestand und Arbeitszeitkonten müssten zuvor voll ausgeschöpft werden. Des Personalers übelste Stunde sei es, "wenn man alles versucht hat, es aber nicht ausreicht, Entlassungen zu vermeiden".

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