Konfliktbewältigung:Die Welt ist rot und grün

Lesezeit: 3 min

In einem Seminar üben Führungskräfte, wie man Konflikte löst und unpopuläre Entscheidungen trifft.

Von Jutta Göricke

"Ich heiße Fred Maro, bin 56 und Single. Die Frau an meiner Seite ist ein Rauhaardackel." So führt sich also ein Spezialist in Sachen Kommunikation ein, ein Coach im Karohemd - das verringert die Distanz - und mit schwarzen Schuhen: "Sonst wird man in unserem Kulturkreis nicht ernst genommen."

Gestresster Manager: "Jeder ist mit einer Menge roter Chips belastet." (Foto: Foto: photodisc)

Vier Frauen und sechs Männer mit Personalverantwortung haben sich in einem Berliner Hotel eingefunden, um von Maro zu lernen, wie man konstruktiv Konflikte löst. Denn mit der Evaluierung von Zielvereinbarungsgesprächen und Manöverkritik haben nun mal alle Führungskräfte zu tun, egal ob Marketing- oder IT-Fachfrau, ob Betriebsrat oder Energiedienstleister.

Und Maro, der sich selbst als Troubleshooter bezeichnet und immer wieder gerne von seinen vielfältigen Einsätzen als externer Krisencoach in den Konzernen dieser Welt berichtet, verspricht, in zwei Tagen allen Teilnehmern die nötigen Werkzeuge an die Hand zu geben, um unangenehme Gesprächsinhalte zu vermitteln und renitente Mitarbeiter einzunorden. Wobei er "wissenschaftliches Feintuning", wie er sagt, vermeiden und statt dessen plakativ und praxisorientiert vorgehen will.

Plakativ ist die Powerpoint-Präsentation, die mit Bildern von freien Oberkörpern gleich zu Beginn klar macht, wo der Maro lang läuft. "Emotion schlägt Information", lautet sein Credo, das er von nun an in immer wieder neuen Beispielen von Begegnungen zwischen Menschen erläutert - hampelnd, gestikulierend, mit den Armen rudernd.

Erkan und Stefan hätten keine Chance als Chef

Denn Fred Maro ist ein echter Entertainer. Er imitiert Erkan und Stefan, um zu zeigen, dass sie schon allein ihres Auftretens wegen keine Chance als Vorstandsvorsitzende hätten, und er führt vor, dass ein mit ruhiger Musik beschallter Besprechungsraum zur Deeskalation beiträgt. Einwände, nach denen Mitarbeiter eine anheimelnde Atmosphäre im Konfliktgespräch als Euphemismus empfinden könnten, weist er ab. "Probieren Sie es aus! Sie werden sehen, es klappt."

Und so formt sich nach und nach ein Bild von Kommunikation, in dem die sachliche Ebene kaum eine Rolle spielt, ein Konglomerat aus unbewusst gesetzten Zeichen und Gesten dafür eine umso größere. In dem die Bedeutung von Statussymbolen deutlich wird und wo der Mensch in seinem Rudelverhalten als Tier decouvriert wird, wo der Konflikt nur ein Sonderfall der Kommunikation ist. Und wo man einiges, hat man es einmal durchschaut, zu steuern vermag.

Fred Maro hat den Rot-Grün-Haushalt erfunden

An dieser Stelle kommt der Rot-Grün-Haushalt ins Spiel, ein von Fred Maro erfundenes Modell, mit dem er den emotionalen Kontostand von Menschen bestimmt. Und zwar jenseits aller unnötig komplizierenden psychologischen, soziologischen oder medizinischen Erklärungen. Der Mensch wird bestimmt von positiven (grünen) und negativen (roten) Gefühlen, die er in Form von Chips sammelt oder austeilt, sagt Maro.

Wer also morgens im Bad über die offene Zahnpastatube mault, schickt dem Übeltäter einen Roten 'rüber. Wenn der mit der liegen gelassenen Socke kontert, schießt er rot zurück, und wenn er noch eins oben drauf legt, ist der schönste Konflikt im Gange.

Jeder ist mit einer Menge roter Chips belastet, sagt Maro. Das hat zur Folge, dass der Belastete versuchen wird, noch mehr roten Chips aus dem Weg zu gehen, oder aber, wenn es sich gar nicht umgehen lässt, zum Angriff überzugehen - das Rudel ruft.

Mit womöglich hochroten Mitarbeitern hat dann der Personaler in der Firma zu tun. Mit Verweigerern und angriffslustigen Assistentinnen. Wie aber geht er mit solchen Menschen, geladen bis unter die Hutschnur, in ein konstruktives Krisengespräch?

"Wie kriegen wir die Kuh vom Eis?"

Ganz einfach, sagt Maro. Indem er an die Solidarität appelliert und sich konsequent in die Frageposition bringt. "Ich habe ein Problem. Ich brauche Ihre Hilfe. Wie kriegen wir die Kuh vom Eis?"

Das ist die Formel, die Maro den Gesprächsführern ans Herz legt und gebetsmühlenartig wiederholt. Auf keinen Fall solle man selber eine Lösung vorschlagen, sondern immer sein Gegenüber mit ins Boot holen und ihn ein Angebot machen lassen - das man dann bewerten kann. Wenn es einem nicht gefällt, fängt man halt wieder von vorne an: "Ich habe ein Problem. Ich brauche Ihre..."

Das klingt schon alles sehr einleuchtend, und die Seminarteilnehmer greifen bereits in der Kaffeepause (ausgezeichnete Verpflegung!) bereitwillig die Einteilung der Welt in rot und grün auf. Aber ob sich das Rezept so einfach in die Praxis umsetzen setzt?

Man wird sehen. Ausprobieren konnten die Seminaristen das neue Werkzeug jedenfalls nicht, weder in fiktiven Rollenspielen noch in der Simulation erlebter Gesprächssituationen. Denn es blieb bis zum Ende beim - durchaus unterhaltsamen - Frontalvortrag des Fred Maro, Troubleshooter mit Rauhaardackel.

© Süddeutsche Zeitung vom 11.09.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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