Kommunikation in der Krise:Kündigen mit Paukenschlag

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In Krisenzeiten verbringen Mitarbeiter zwei Stunden pro Tag damit, Schreckensszenarien zu verbreiten. Wenn die Gerüchteküche brodelt, sind Chefs selbst schuld. Ihre Taktik lautet: Mund verbieten, dichtmachen.

J. Bönisch

Eine Kündigung im Büro des Personalchefs überreicht zu bekommen, ist keine angenehme Angelegenheit. Wenn der Vorgesetzte mit schiefem Lächeln und einem lauwarmen Händedruck die Entlassungsurkunde überreicht, treten so manchem Mitarbeiter die Tränen in die Augen.

Protest gegen Jobabbau: Manche Mitarbeiter erfahren erst aus den Medien, dass ihre Jobs auf der Kippe stehen. (Foto: Foto: ddp)

Noch unerfreulicher ist allerdings das, was den gut 70 Mitarbeitern des Elektroauto-Herstellers Tesla Motors passierte. Sie erfuhren aus einem Klatsch-Blog aus dem Silicon Valley von ihrer geplanten Entlassung. Er habe keine andere Wahl gehabt als die schlechten Nachrichten zu bloggen, verteidigte sich Firmenchef Elon Musk, als er von amerikanischen Medien für seine rüden Kommunikationsmethoden angegriffen wurde. Nur so habe er schnell spekulativen Medienberichten vorbeugen können. Da sei einfach keine Zeit geblieben, seine Mitarbeiter vorab zu informieren.

Wenn der eigene Job auf der Abschussliste steht

Auch die deutschen Angestellten einer isländischen Großbank wunderten sich über die interne Kommunikation in Zeiten der Finanzkrise: Nachdem das Unternehmen zunächst eine totale Nachrichtensperre verhängte - nur noch die Länderchefs hatten die Erlaubnis, sich zu äußern - hörten sie die große Nachricht eher zufällig. Erst als sich ein Kollege morgens durch die Online-Nachrichtenportale klickte, erfuhr das Team, dass ihr Unternehmen verstaatlicht wird. Eine interne Ankündigung vorab: Fehlanzeige.

Mitten in der Wirtschaftskrise bleibt die interne Kommunikation offenbar bei vielen Firmen auf der Strecke. Wenn Mitarbeiter aus den Medien erfahren müssen, wie schlecht es um ihren Arbeitgeber bestellt ist oder dass gar ihr eigener Job auf der Abschussliste steht, haben Geschäftsführung und Vorgesetzte völlig versagt. Gerade in Krisenzeiten wollen Angestellte genau wissen, wie ihre Firma aufgestellt ist - um sich gegebenenfalls auf den schlimmsten Fall vorzubereiten: ihre eigene Kündigung.

Zwei Stunden für den Flurfunk

In jeder Firma kursieren gerade jetzt Gerüchte darüber, wie viele Millionen eingespart werden und welche Kollegen sich demnächst nach etwas Neuem umsehen müssen. Am Kopierer und in der Kaffeeküche werden Vermutungen ausgetauscht, Summen und Namen gewispert. Dass dabei manches übertrieben oder schlicht falsch ist, liegt auf der Hand.

Führungskräfte würden den Flurfunk gerne eindämmen, denn er schürt Unsicherheiten und lähmt die Mitarbeiter. Der Managementberater Laurenz Andrzejewski schätzt, dass sie in Krisenzeiten am Tag rund zwei Stunden ihrer Arbeitszeit damit vergeuden, Neuigkeiten auszutauschen und mögliche Szenarien zu besprechen. Das reicht von "Wir sind bald insolvent" bis hin zu "Jeder Vierte muss gehen".

Auf der nächsten Seite: Warum Chefs mitschuldig sind, wenn die Gerüchteküche brodelt - und wie interne Kommunikation in Krisenzeiten eigentlich funktionieren sollte.

Durchhalteparolen statt konkreter Zahlen

Doch Chefs sind häufig mitschuldig, wenn die Gerüchteküche brodelt. Sie leiten Informationen nicht weiter und geben sich zugeknöpft. In einer E-Mail oder gar in der Mitarbeiterzeitschrift beziehen nur die wenigsten Stellung zur aktuellen Lage. Und dass sich ein Geschäftsführer selbst den Fragen der Mitarbeiter stellt und dabei auch tatsächlich Gehaltvolles von sich gibt, ist ebenfalls die Ausnahme. Die Krisenansprachen sind zwar gespickt mit Durchhalteparolen, dafür fehlen konkrete Zahlen, Zeitpläne und Konsequenzen.

Eine Untersuchung des Beratungsunternehmens IRS zeigt, dass deutsche Angestellte nach eigenen Angaben über noch nicht einmal die Hälfte der wichtigen Ereignisse in ihrer Firma von den Führungskräften unterrichtet werden. Ihre Informationsquelle ist das Hörensagen. Und so machen sie sich eben ihre eigenen Gedanken.

Gelegenheiten zur Beschwerde

Doch wie funktioniert interne Kommunikation, wenn es statt Wachstums- und Umsatzrekorden nur noch Kürzungen und Entlassungen zu verkünden gibt? "Viele Unternehmen begehen den Fehler, ihre Strategie nicht umzustellen", erklärt Arnd Florack, Professor für Strategische Kommunikation an der Friedrichshafener Zeppelin University. "Entweder verbreiten sie weiter Werbebotschaften, die Mitarbeiter ohnehin nicht glauben. Oder sie stellen den Kontakt zu den Mitarbeitern ganz ein."

Die Taktik "dichtmachen, tot stellen, Mund verbieten" könne aber nicht aufgehen. "Vorgesetzte sollten ihre Mitarbeiter frühzeitig informieren und ihnen Möglichkeiten einräumen, sich zu äußern. Die Geschäftsführung muss zuhören." Denn wer sich Luft machen und beschweren könne, dem gehe es schon besser - selbst, wenn es an der Situation nichts ändert.

Zwar haben die Mitarbeiter ein Interesse daran, möglichst früh zu erfahren, was aus ihnen wird. Das liegt jedoch nicht immer im Interesse der Firma. Kommuniziert ein Chef offen, dass das Unternehmen tief in der Krise steckt, schürt er Angst. "Dann laufen die besten Leute davon und suchen sich schnell einen sicheren Job", sagt Florack. Ebenso funktioniere es mit Ausstiegshilfen wie etwa Abfindungen. "Richtig gute Mitarbeiter kassieren und sind weg. Zum Schluss sind nur noch diejenigen übrig, die eine Firma eigentlich nicht brauchen kann."

Transparenz schaffen

Die Kunst besteht also darin, die richtige Balance zwischen Zurückhaltung und Information zu finden. "Das sollte aber nicht dazu führen, Neuigkeiten häppchenweise mitzuteilen", rät Florack. "Das lässt Raum für Spekulationen. Dann lieber ein Paukenschlag."

Und kommt es tatsächlich zu Kündigungen, gehe es für die Betroffenen nicht nur darum, dass sie gehen müssen. "Eine genauso große Rolle spielt das Wie", sagt Florack. "Dem Mitarbeiter müssen die Kriterien klar sein, nach denen gerade er ausgewählt wurde. Ist das transparent, ist die Situation für ihn erklärlich und er kann besser damit umgehen."

So gut, wie das nach einer Entlassung eben möglich ist.

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