Kita-Streik:Kinder sind Nebensache

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Im Streik der Erzieher rückt die pädagogische Arbeit in den Hintergrund: Demnächst wird in Kitas wohl automatisch eingestellt, wer "Kinderbetreuung" korrekt buchstabieren kann.

F. Berth

Wenn eine kleine Firma einen großen Auftrag bekommt, ist das für alle wunderbar. Der Chef jubelt über den Umsatz, die Mitarbeiter freuen sich über die neuen Perspektiven. Doch der Begeisterung folgt oft die Ernüchterung, denn jede schnelle Expansion birgt Gefahren: Vielleicht sind die alten Kollegen für die neuen Jobs nicht ausgebildet; zusätzliches fähiges Personal ist auch nicht leicht zu finden, und oft zeigt sich, dass die Firmenkultur auf das Wachstum nicht vorbereitet ist. So kann es kommen, dass ein Betrieb nicht leisten kann, was er versprochen hat.

Bestreikte Kita: Kinder brauchen besser ausgebildetes Personal, das dann auch besser bezahlt wird. (Foto: Foto: dpa)

Die deutschen Kindergärten stecken in dieser Situation. Sie haben von Politikern und Eltern einen neuen, riesigen Auftrag bekommen. Sie sollen nicht mehr - wie früher im Westen - nur ein paar Vier- und Fünfjährige vormittags bei Laune halten, sondern vielfältige Wünsche erfüllen. Eltern verlangen Bildung für ihren Nachwuchs, am besten schon für Ein- und Zweijährige; außerdem benötigen Mütter und Väter Zeit für ihre Jobs, weshalb die Kinder bitte bis 16Uhr betreut werden sollen. Und viele Politiker träumen von einem pädagogischen Reparaturbetrieb, der die miesen Chancen der Unterschicht verbessert. Also hat das Unternehmen "Frühe Bildung" derzeit rasantes Wachstum.

Brave Betreuung in viel zu großen Gruppen

Doch bei der Expansion knirscht es. Längst nicht alle Erzieherinnen können kleinen Kindern Bildung vermitteln, und neues Personal ist rar geworden - demnächst wird wahrscheinlich automatisch eingestellt, wer "Kinderbetreuung" korrekt buchstabieren kann. Die sinnvolle Akademisierung des Berufs bleibt ein schmaler Trend, und etliche Kitas bieten weiterhin brave Betreuung in viel zu großen Gruppen.

Die Gewerkschaften reagieren kühl auf die neue Lage. Sie verlangen bessere Arbeitsbedingungen und - was sie wegen geltender Tarifverträge nicht als Streikgrund nennen - mehr Geld. Das ist richtig und doch zu wenig. Richtig ist es, weil Erzieherinnen lächerliche Gehälter verdienen. Richtig ist es, weil die traditionelle Staffelung der Pädagogen-Gehälter abgeschafft gehört. Wieso verdient ein Gymnasiallehrer so viel mehr als die Lehrerin in der Grundschule? Und wieso wird die Grundschullehrerin so viel besser bezahlt als eine Kindergärtnerin?

Besser ausgebildetes Personal Problematisch an der Forderung ist aber - neben der Missachtung des Tarifrechts -, dass die Kinder beim Streik zweitrangig sind. Doch um sie muss es gehen. Kinder brauchen besser ausgebildetes Personal, das dann auch besser bezahlt wird. Kinder profitieren von kleineren Kita-Gruppen, in denen die Arbeitsbedingungen der Pädagoginnen dann auch besser sind. Das wäre mit Kommunen und Ländern verhandelbar: Gehaltserhöhungen lassen sich an Fortbildungen koppeln; auch kann man die Kita-Gruppen per Vereinbarung verkleinern. Doch Arbeitgeber wie Arbeitnehmer blenden das aus. Ein Fehler - denn vor allem die Zukunft der Kinder rechtfertigt Investitionen in die Kitas.

© SZ vom 16.5.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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