Deutsche Akademikerinnen sind besonders häufig kinderlos: Von den 37- bis 40-jährigen Frauen mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss haben neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge 43 Prozent in Westdeutschland und 24 Prozent in Ostdeutschland keine Kinder. Das liegt nach Darstellung der Magdeburger Professorin Christiane Dienel vor allem daran, dass viele keinen Partner finden.
"Die studierten Frauen haben Kinder genauso gern wie ihre Altersgenossinnen", sagte Dienel, die Professorin für Europäische Politik und Gesellschaft an der Fachhochschule Magdeburg-Stendal ist. Wenn Hochschulabsolventinnen den passenden Ehemann oder Lebensgefährten fänden, erfüllten sie sich auch ihren Kinderwunsch.
"Verheiratete Akademikerinnen sind ebenso selten oder häufig kinderlos wie alle anderen Frauen", fügte die Wissenschaftlerin mit Blick auf entsprechende Studien hinzu.
Doch eben der fehlende Partner sei oft das Problem: "Denn der Heiratsmarkt wird für studierte Frauen immer enger."
Akademikerinnen wünschten sich in der Regel für ihre Kinder einen Vater mit Abitur beziehungsweise mit abgeschlossenem Studium. Doch die Akademiker heirateten nicht selten unter ihrem Bildungsstand, beispielsweise der Chef seine Sekretärin oder der Arzt die Krankenschwester. Eine umgekehrte Entscheidung, also wenn beispielsweise die Chefin ihren Kraftfahrer als Ehemann auswähle, werde von der Gesellschaft kaum akzeptiert, sagte die Wissenschaftlerin. Weiter verwies Dienel auf die "wechselseitige Attraktivität der Partner". Während auf dem Heiratsmarkt bei den Männern Einkommen und berufliche Position als Statussymbole zählten, müsse die Frau mit Jugend und Schönheit wuchern.
Als Homogamie bezeichnen Wissenschaftler die Einhaltung der sozialen Grenzen bei der Partnersuche, die zu DDR-Zeiten kaum eine Rolle gespielt haben, wie Dienel erklärt. Dort habe der Meister fast ebenso viel verdient wie der Kombinatsdirektor, habe der Arbeiter neben dem Handwerker im Plattenbau gewohnt, habe der Landwirt den "Trabbi" ebenso gefahren wie der Künstler. Eine Eheschließung über soziale Grenzen hinweg sei nicht selten gewesen.
"Mittlerweile haben sich die Verhältnisse in Ost und West aber angeglichen", sagt die Magdeburger Expertin, die im Auftrag der Landesregierung von Sachsen-Anhalt eine Studie zur Entwicklung einer regionalen Bevölkerungsstrategie gegen Abwanderung und für Familiengründung erarbeitet hat.
Die Ergebnisse relativieren auch die jüngsten Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden, nach denen westdeutsche Frauen deutlich häufiger kinderlos sind als ostdeutsche: In den alten Bundesländern waren danach im März vergangenen Jahres 30 Prozent der 37- bis 40-jährigen deutschen Frauen kinderlos, in den neuen Bundesländern und Ost-Berlin dagegen nur 22 Prozent.
Doch die Kinder der 37- bis 40-jährigen Ostdeutschen seien zumeist noch zu DDR-Zeiten geboren worden, sagte Dienel. In der DDR hätten damals nahezu alle Frauen, die dazu körperlich in der Lage gewesen seien, Kinder bekommen.
Doch inzwischen gebe es zwischen den neuen und alten Ländern kaum noch Unterschiede, fügte die Wissenschaftlerin mit Blick auf entsprechende Statistiken hinzu. Danach waren die ostdeutschen Frauen des Jahrgangs 1955 nur zu 6,2 Prozent kinderlos, während die 1965 Geborenen voraussichtlich zu 26 Prozent kinderlos bleiben werden. Im Westen dagegen haben rund 23 Prozent der 1960 geborenen und voraussichtlich 31 Prozent der 1965 geborenen Frauen keine eigenen Kinder, wie aktuelle Untersuchungen zeigen.
In keinem anderen europäischen Land bleiben so viele Frauen kinderlos wie in der Bundesrepublik. Doch die Entwicklung sei kein unabänderlicher schicksalhafter Prozess. "Politik gestaltet den Rahmen für das Kinderkriegen genauso wie etwa für umweltbewusstes Verhalten oder die Altersvorsorge", meinte Christiane Dienel. Eine neue Bevölkerungspolitik sollte aber nicht nur aus Angst vor leeren Rentenkassen auf die Tagesordnung gesetzt werden.