Karriere nach der Finanzkrise:Absturz der Überflieger

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So schnell kann's gehen: Das Investmentbanking galt als Sprungbrett für ehrgeizige Absolventen. Was wird jetzt aus ihrer Karriere?

Christine Demmer

So schnell kann's gehen. Gerade noch galten Goldman Sachs, Merrill Lynch und Lehman Brothers als Karrieresprungbretter der obersten Kategorie. Dann fiel die Finanzwelt in Trümmer. Der Sturm trieb die Investmentbanken teils in den Ruin, teils zur Selbstaufgabe.

Merril Lynch: Die Investmentbank galt noch bis vor kurzem als Karrieresprungbrett in die Finanzwelt. (Foto: Foto: dpa)

Wie schnell der Traum von der Überflieger-Karriere im Investmentbanking platzen kann, erfuhren an einem Freitag Mitte September ein paar Dutzend High Potentials in der Alten Börse in Frankfurt. Drei Tage vor der Lehman-Pleite waren sie angereist, um sich in von Vertretern ausgewählter Investmentbanken über ihre Chancen informieren zu lassen. Zu der exklusiven Veranstaltung hatte das Karrierenetzwerk E-fellows Studenten und Doktoranden aufgerufen. Eigentlich eine gute Idee. Pech nur, dass der Zeiger geradewegs auf die Zwölf zuraste.

Der Name der Veranstaltung verhieß "Careers in Investment Banking". Um diese Karrieren allerdings dürfte es in nächster Zeit nicht ganz so viel Wirbel geben wie bisher. Die amerikanische Citigroup hat angekündigt, sich von 6500 Investmentbankern zu trennen, das ist ein Zehntel aller Mitarbeiter in der Fusions- und Übernahmeberatung.

Viele Entlassungen

Bei Goldman Sachs muss jeder fünfte Investmentbanker seinen Hut nehmen. Die Schweizer UBS will 2000 Jobs streichen. 700 von bislang 3500 Stellen sollen im Kapitalmarktgeschäft der italienischen Großbank Unicredit abgebaut werden. Bei der Deutschen Bank dürften die schon im Januar angekündigten ersten Entlassungen im Bereich Global Markets nicht die letzten gewesen sein.

Ebenfalls nicht leicht haben wird es die Londoner Investmentbank Dresdner Kleinwort nach der Übernahme durch die Commerzbank. Kürzlich orakelte ein Commerzbank-Manager: "Sollte die Fusion klappen, wird Dresdner Kleinwort massiv redimensioniert und zurückgestutzt."

Vieles haben Branchenkenner längst kommen sehen. Aber dass sich die ersten amerikanischen Investmentbanker just an diesem Freitag im September für den krachenden Abgang nach dem Wochenende entscheiden sollten, konnte niemand vorhersehen.

Nicht die Veranstalter von "Careers in Investment Banking". Auch nicht die Personalreferenten von Dresdner Kleinwort, HSBC Trinkaus, Deutscher Bank und Royal Bank of Scotland, die hoffnungsvoll ihre Recruiting-Broschüren ausgelegt haben.

Wie allen anderen, die an jenem Freitag in Frankfurt zur Arbeit eilten, ist auch den ausnahmslos im Banker-Look angetretenen Kandidaten nicht bewusst, dass in New York soeben ein schweres Gewitter aufzieht. Kurz vor neun Uhr drängen sich die ersten um die Stehtische im vierten Stock der Alten Börse. In der Hand den exakten Zeitplan für ihre Interviews, plaudern sie mit ihren Nachbarn über die Anreise und das Wetter. Euphorisch ist keiner. Viele sind skeptisch. Doch den meisten sieht man an, dass sie den Thrill des Wettkampfes genießen.

Vor zwei Jahren noch hatte das Geschäft mit den Firmengeschäften eine glänzende Gegenwart. 2006 stand der Finanzsektor in den USA für knapp vier Prozent des Bruttosozialprodukts.

Auf der nächsten Seite: Alte Studiengänge mit neuen Namen.

"Man kann nicht einfach mit dünner Luft Geld verdienen."

Damit erzielte er ein Drittel sämtlicher Unternehmensgewinne. Goldman Sachs verteilte 25 Milliarden Dollar Gewinn unter seinen 4000 Beschäftigten. "Tut mir leid, ich finde das unglaublich", schimpfte kürzlich der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff, "man kann nicht einfach mit dünner Luft Geld verdienen."

Eine Zeitlang offenbar schon, und viele glaubten tatsächlich, es ginge so weiter. Mitten im "War for Talents" griffen die Banken problemlos die Ehrgeizigsten der Abschlussjahrgänge von Unis und Business Schools ab. Sie forderten die Elite und boten ihr frühe Verantwortung, schnelle Karriere, hohe Einkommen.

In New York, London und Frankfurt wimmelte es von adrenalingetriebenen Associates und Junior Consultants, die von Null auf Hundert im Geschäft mit dem großen Geld mitmischen durften. Ihr Lieblingswort lautete "Deal", ihre Vorbilder waren Wall Street-Magnaten wie Warren Buffett und Kino-Financiers wie Gordon Gecko. Tagsüber planten sie in Projektteams Börsengänge, Mergers und Übernahmen. Abends führten sie ihr Leben im großen Stil fort und setzten damit Verdienstmaßstäbe für eine ganze Generation von Abiturienten.

An diesem Freitag in Frankfurt spielen die meisten die Bedeutung der Veranstaltung herunter und bekunden, sie wollten "einfach mal schauen". Ein Politikstudent aus Heidelberg sagt: "Ich will mir die Leute bei den Banken anschauen und deren Stil kennenlernen." Nicken reihum. "Ich bin nur gekommen, weil man meine Bewerbung akzeptiert hat", sagt ein Student der Sinologie mit Nebenfach Volkswirtschaftslehre, damit hätte er nicht gerechnet.

Aber, bitte, jetzt sei er da. Dann sollten sie ihm eben etwas erzählen. Unschlüssig über das, was am Ende herauskommen soll, ist auch die junge Frau, die in England Mathematik studiert. Sie weiß noch nicht, was sie mit ihrem Abschluss machen will. "Mal sehen, vielleicht bleibe ich auch an der Uni."

Aus Alt mach Neu

Die Hochschulen haben den Siegeszug des Investmentbanking genau verfolgt. Viele zogen in Windeseile neue, dem Kapitalmarkt und seinen Instrumenten gewidmete Studiengänge hoch. Selbst wem dafür die Mittel oder renommierte Wissenschaftler fehlten, blieb nicht untätig.

Allerorts wurde die traditionelle Bankbetriebslehre entstaubt und unter schicken Namen wie "International Banking" oder "Global Capital Markets" neu ins Rennen geschickt. Begeistert nahmen die Studenten die neuen Angebote an, verhießen sie doch eine goldene Zukunft.

In diesem Jahr allerdings, berichten Hochschullehrer, habe der Rummel ein wenig nachgelassen. Die Probleme der Finanzmärkte seien den einschlägig Studierenden bekannt. Wer sich dennoch für das Investmentbanking interessiere, spekuliere darauf, dass es nach dem großen Knall bei den meisten mit verminderter Mannschaft wieder aufwärts gehe.

Auf der nächsten Seite: Auch in Zukunft werden Investmentbanker gebraucht.

So denkt auch Ursula Walther, Professorin an der Frankfurt School of Finance. Denn die Funktion des Investmentbanking sei nötig: "Auch in Zukunft werden die Firmen Aktien und Bonds emittieren wollen und die Beratungsleistungen des Investmentbankers nachfragen." Wenngleich, räumt sie ein, man dafür nicht mehr so viele Investmentbanker brauche. "Im Moment haben die Banken massive Probleme und müssen Personal abbauen."

Doch dass der Nachwuchs eines Tages an den Pforten der Banken abgewiesen werden wird, glaubt Walther nicht. Es gebe keinen Anlass, das BWL-Studium hinzuwerfen oder vom Banking auf Betriebsökonomie umzusatteln.

Die Institute jedoch, die noch Mitte September "Careers in Investment Banking" versprachen, wollen das heute so nicht mehr wissen. "Kein Kommentar", heißt es bei Dresdner Kleinworth. Die Recruiter der Royal Bank of Scotland sind vollends abgetaucht. Die Deutsche Bank lässt ihren Leiter Nachwuchsrekrutierung unverbindlich mitteilen: "Auch 2009 suchen wir für das Investmentbanking die Elite der Studierenden."

Etwas erfreulicher klingt es bei HSBC Trinkaus in Düsseldorf. "Wir halten weiterhin Ausschau nach sehr guten Kandidaten", versichert Personalreferentin Nicole Scholten, "allerdings gehen wir deutlich verhaltener vor als in den letzten zwei Jahren."

Zehn bis 15 Traineestellen im Umfeld des Investmentbanking seien sehr wahrscheinlich. Grundsätzlich bliebe das Investmentbanking eine attraktive Option. "Nur die Kandidaten, die aktuell fertig werden", bedauert Scholten, "haben einen kleinen Nachteil." Wie gut, dass die Kandidaten an jenem Freitag im September ohnehin nur schauen wollten.

© SZ vom 25.10.2008/heh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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