Karriere im Handel:Das Auge kauft mit

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Ein "Merchandise Manager" kurbelt den Verkauf an: Er stellt die Ware ins rechte Licht, so dass der Kunde zu ihr findet, sie anfassen und dann haben will. Der neuen Beruf hat sehr gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Von Jutta Göricke

Spätestens seit Dagobert Duck wissen wir: Wer schlau ist, kann sogar einen Eisschrank an den Eskimo-Mann bringen. Dazu braucht er nur einen redegewandten Verkäufer. Wer noch schlauer sein will, lässt seinen Kühlschrank für sich selbst sprechen. Dazu braucht er einen "Merchandise Manager". Man könnte auch schlicht Verkaufsförderer sagen. Aber die schlichten Entenhausener Zeiten sind bekanntlich vorbei, da muss sich jedes neue Berufsbild global gerieren.

Merchandise Management ist so ein neues Berufsbild, angesiedelt an der Schnittstelle zwischen Warenpräsentation und Kunde, dem "Point of Sale". Merchandiser fördern im Laden, auf der Messe, in der Fußgängerzone oder wo auch immer Hersteller und Händler ihre Waren anbieten, den Verkauf von Schuhen, Autos oder elektrischen Zahnbürsten.

So erklärt Cornelia Gottwald den Job, für den sich Kaufleute in 280 Stunden berufsbegleitend qualifizieren können. Voraussetzung für die Weiterbildung zum Merchandise Manager, die insgesamt etwa ein halbes Jahr dauert, ist eine abgeschlossene Berufsausbildung in Handel, Industrie oder im Dienstleistungsbereich.

Bundesweit der einzige Anbieter für die Zusatzqualifikation ist die Akademie Dorfen, deren Leiterin Cornelia Gottwald ist. "Zu uns kommen Interessenten von Hamburg bis Zürich", sagt sie.

Im bayerischen Dorfen lernen sie, unternehmensspezifische Präsentationskonzepte umzusetzen, Events und Promotions zu betreuen und jeden, der im Verkauf tätig ist, durch Produktschulungen auf die jeweilige Philosophie einzuschwören.

Und sie lernen noch mehr: "Ein guter Merchandise Manager muss in der Lage sein zu ergründen, warum ein Produkt an dem einen Standort weggeht wie nix und in der nächsten Filiale bleischwer im Regal liegt", so Gottwald.

Muss man also Teenie-T-Shirts ausmustern, weil nebenan ein Seniorenheim steht?

Als Merchandise Manager lässt sich gutes Geld verdienen: Zwischen 3000 und 7000 Euro brutto pro Monat seien drin, sagt Gottwald. Die breite Gehaltsspanne erkläre sich aus den unterschiedlichen Einsatzgebieten der Merchandiser. "Mancherorts sind sie eher Warennachfüller, während sie woanders auf Geschäftsleitungsebene angesiedelt sind."

Der Merchandiser soll helfen, teures Personal einzusparen. "Je mehr eine Ware sich selbst erklärt, desto weniger Beratung braucht der Kunde", sagt die Expertin.

Dabei habe jeder Point of Sale seine eigenen Charakteristika und Bedürfnisse: Ein Elektrogroßmarkt locke mit seiner Vielfalt - das will entsprechend kommuniziert werden. Lange Regale, möglichst komplett bestückt mit allen Sorten von Toastern, Eierkochern und Kaffeemaschinen, übersichtliche Preisschilder zum Vergleich, wecken beim Kunden das sichere Gefühl, ein umfassendes Sortiment vor sich zu haben. Da kann er sich den mühsamen Weg zum nächsten Elektrogeschäft doch gleich sparen.

Eine Papeterie verkaufe gut, wenn sie sich auf die sinnlich-haptische Ausstrahlung ihrer edlen Waren verlasse. "Warum nicht alle farbigen Bögen und Kartons wie einen Regenbogen anordnen? Das wirkt ansprechend und informiert zugleich darüber, welche Farbvarianten im Angebot sind", empfiehlt Gottwald.

Oder der Schlussverkauf: Welche Visualisierung sagt dem Kunden, dass da ein Schnäppchen zu holen ist? "Ein Tisch, gleich am Eingang aufgestellt, mit Massen von Grabbel-Waren, garniert mit einem marktschreierischen Preisschild."

Egal, wie unterschiedlich das Angebot und seine Verkaufsphilosophie auch sein mögen: Immer komme es darauf an, den Kunden auf die Produkte aufmerksam zu machen und ihm den Weg zur Ware zu ebnen - und schließlich zum Anfassen an die Hand zu geben. Denn Untersuchungen hätten gezeigt, dass man Dinge besonders gerne kauft, die man schon einmal in der Hand hatte.

Der Merchandiser muss also konzeptionell denken können. Er muss Räume strukturieren, Blickachsen entwerfen und Reihen von Regenjacken rhythmisieren: Denn das Auge kauft mit.

Das erfordert jede Menge Kreativität. Daher können sich auch Schauwerbegestalter zum "Visual Merchandiser" weiterbilden lassen. Durch den ständigen Abbau an Ausbildungsplätzen im Berufsfeld "Schauwerbung" in den vergangenen Jahren sind fähige Visual Merchandising Experten inzwischen echte Mangelware. "Im Moment übersteigt die Nachfrage nach diesen Kräften das Angebot auf dem Stellenmarkt", sagt Cornelia Gottwald.

Wobei Kreativität und fachliches Know-how allein längst nicht ausreichen: Genauso wichtig seien kommunikative Fähigkeiten und Führungskompetenz. Denn schließlich sei es der Merchandiser, der die Mitarbeiter vor Ort auf seine Verkaufsstrategie einstimme.

Daher muss er den Verkäufern seine Konzepte verkaufen können. Manchmal tritt er gar als polyglotter Controlletti auf: Wenn er etwa für ein teures Modelabel von Köln bis Kapstadt reist, um zu prüfen, ob der genormte Edel-Auftritt stimmt.

Merchandiser können sich von Herstellern und Händlern anstellen lassen, freie Verkaufsförderer sind - noch - selten. Aber das wird sich in Zukunft wohl ändern. Schließlich stehen Kreative in dem Ruf, so eigensinnig wie Dagobert Duck zu sein.

© SZ vom 6./7.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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