Karriere:Der Doktorhut zahlt sich aus

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Promovierte Berufstätige sehen sich häufiger in einer angemessenen beruflichen Tätigkeit als ihre Fachkollegen ohne Titel - und sie verdienen mehr.

Interview: Jan Friedmann

Interview mit Jürgen Enders, Forscher am Wissenschaftlichen Zentrum für Berufs- und Hochschulforschung in Kassel. Jürgen Enders hat in einer Studie mehr als 2.000 Berufstätige mit Doktortitel nach ihrer Arbeitssituation und ihrem Einkommen befragt.

Die Studie Karriere mit Doktortitel? (Foto: N/A)

sueddeutsche.de: Sollte ein Hochschulabsolvent promovieren?

Enders: Das kann man pauschal so nicht beantworten. Wichtig ist, dass sich jemand in seinem Fach wohlfühlt und dort wissenschaftlich arbeiten möchte. Den Doktortitel nur aus Karrieregründen zu erwerben, halte ich für falsch.

sueddeutsche.de: Aber lohnt sich die Promotion nicht auch finanziell?

Enders: Das kommt ganz auf das Fach an. Den größten Unterschied - nämlich 30 bis 40 Prozent - zwischen Promovierten und Nicht-Promovierten haben wir bei Sozialwissenschaftlern feststellen können, gefolgt von Wirtschaftswissenschaftlern und Elektroingenieuren. Für Mathematiker und Germanisten lohnt sich die Promotion dagegen kaum.

sueddeutsche.de: Was verdient ein Hochschulabgänger mit Doktorhut in Deutschland?

Enders: Wir haben in unserer Untersuchung unter anderem das durchschnittliche monatliche Netto-Einkommen von Doktoren der Jahrgänge 1989/90 ermittelt. Diese Gruppe ist mittlerweile also zehn Jahre im Beruf. An der Spitze liegen die Wirtschaftswissenschaftler mit 11.810 Mark, gefolgt von den Elektroingenieuren mit 8.250 Mark. Dann kommen die Sozialwissenschaftler mit 6.560 Mark, die Mathematiker mit 6.370 Mark und die Biologen mit 5.270 Mark. Das Schlusslicht bilden die Germanisten mit 4.900 Mark.

sueddeutsche.de: Wodurch qualifizieren sich Doktoren?

Enders: Zunächst natürlich durch ihr Fachwissen, das in der öffentlichen Diskussion gegenüber den sogenannten Soft Skills oft vernachlässigt wird. Wer glaubt, er könne nur über "Schlüsselqualifikationen" Karriere machen, irrt. Fachwissen ist nach wie vor gefragt, aber andere Dinge treten mehr und mehr hinzu. Außerdem zählt für Hochqualifizierte nicht nur das Einkommen, eine inhaltlich interessante Arbeit zu haben ist zum Beispiel auch wichtig.

sueddeutsche.de: Worauf legen denn die Doktoren selbst mehr Wert?

Enders: Ein gutes Beispiel sind Doktoren, die nach der Promotion an der Uni bleiben. Sie verdienen weniger als ihre Kollegen in der freien Wirtschaft, aber sie fühlen sich wohler, weil sie ganz nah an ihrem Fachgebiet arbeiten. Das Gleiche gilt für Selbstständige, die sich ihre kleine Nische schaffen. Nicht alle wollen um jeden Preis Karriere machen, das wird oft falsch wahrgenommen.

sueddeutsche.de: Wann sollte man sein Promotionsstudium beendet haben?

Enders: Die Parole "schneller, jünger, weiter" ist so nicht richtig. Das Einstiegsalter ist nur eines unter vielen Kriterien für die Qualifikation eines Berufseinsteigers und schlägt sich nicht notwendigerweise im Gehalt nieder. Mathematiker sind beispielsweise im Durchschnitt fünf Jahre früher mit der Promotion fertig als Sozialwissenschaftler. Beide Gruppen haben aber fast das gleiche Einkommen.

sueddeutsche.de: Was ist dran am Klischee vom verkopften Doktor, der an einfachen Praxisaufgaben scheitert?

Enders: Wir haben in unserer Studie gefragt, ob die Promovierten die Erfahrung gemacht haben, dass ihnen Berufsbereiche verschlossen blieben, weil man sie für überqualifiziert hielt. Die ganz überwiegende Mehrheit hat solche negativen Erfahrungen nicht gemacht.

sueddeutsche.de: Und was macht Dr. Arbeitslos?

Enders: Es ist ja bekannt, dass die Arbeitslosenquote von Akademikern unter dem allgemeinen Erwerbslosenanteil liegt. Bei zwei der sechs Fächern, die ich vorhin genannt haben, verringert sich das Arbeitsmarktrisiko noch einmal deutlich durch die Promotion, nämlich bei den Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern.

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