Kapitäne:Fernfahrer auf hoher See

Lesezeit: 3 min

Die Reedereien klagen über Nachwuchsmangel. Gesucht werden Kapitäne in spe. Voraussetzungen: Seediensttauglichkeit und ein Hauptschulabschluss.

Auf der Kommandobrücke sind fähige Führungskräfte gefragt. Kapitäne halten millionenschwere Ladung auf Kurs und verantworten, dass Fahr- und Lieferpläne eingehalten werden. Für den Landgang bleibt ihnen kaum Zeit. Frachtschiffe fahren ständig gegen die Uhr, die Liegezeiten in den Häfen werden immer kürzer.

Kapitän Jürgen Keil ist mit dem Forschungsschiff Polarstern auch im Nordpolarmeer und in der Arktis unterwegs. (Foto: N/A)

Im harten Wettbewerb brauchen die Reedereien gut ausgebildetes Personal. "An Bord eines großen Containerschiffes gibt es mehr High-Tech als in einem Airbus", sagt Kapitän Hans-Jürgen Dietrich vom Verband Deutscher Reeder (VDR) in Hamburg. Zu den Aufgaben von Kapitänen gehören das Navigieren und Manövrieren. Ferner planen sie mit ihren Offizieren die Arbeiten im Schiffsbetrieb.

Auch für die Ladung zeichnen sie verantwortlich. "Schiffe können heute bis zu 7500 Container befördern", sagt Hans-Jürgen Dietrich. Um ein solches Schiff zu lenken, sind viele Kenntnisse erforderlich: In Fragen von Recht, Sicherheit und Technik müssen sich Kapitäne auskennen. Auch Meteorologie, Nachrichtenwesen und das Beherrschen der englischen Sprache sind unabdingbar. Sogar für Wohl und Wehe der Mannschaft ist der Kapitän zuständig, so Hans-Jürgen Dietrich.

Wenn so viel Verantwortung auf einer Person lastet, stimmt auch die Heuer: Auf der Kommandobrücke werden nach Angaben des VDR zwischen 8000 Mark (4090,34 Euro) und 10.000 Mark (5112,92 Euro) brutto verdient.

Voraussetzung für den Beruf ist neben der Seediensttauglichkeit der Hauptschulabschluss. Nach Angaben des VDR bringt jeder vierte Patentanwärter den Realschulabschluss mit. Rund zwei Drittel sind Abiturienten.

Die Ausbildung kann auf zwei Wegen absolviert werden: Nach einer Facharbeiterlehre zum Schiffsmechaniker bei einer Reederei lassen sich Nachwuchskapitäne an einer Fachschule in vier Semestern zum Nautischen Schiffsoffizier ausbilden. Wer Abitur hat, kann an einer Fachhochschule in sechs Semestern das Nautische Patent erwerben. Die Ausbildungsstätten liegen an der Waterkant: in Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

Sebastian Fuchs studiert am Institut für Schiffsbetrieb, Seeverkehr und Simulation der Fachhochschule in Hamburg. Im Sommer schließt er sein Studium mit dem Diplom ab und erhält damit das technische und das nautische Patent, das zum Führen von Schiffen ermächtigt. "In den ersten vier Semestern werden Grundlagen in Mathematik, Elektronik und Maschinenbau vermittelt", erzählt der 24-Jährige. Im Hauptstudium belegen angehende Kapitäne Kurse, die sich speziell mit Nautik und Technik beschäftigen.

Das Kapitänspatent gibt's erst nach drei Berufsjahren

Navigation und Seerecht etwa gehören dazu. Nach dem Studium möchte er als Offizier auf Schiffen fahren und irgendwann einmal selbst ein Schiff führen. Dafür sammelt er schon während des Studiums praktische Erfahrungen. "Das Fahren ist das A und O. Man muss in den Semesterferien am Ball bleiben", sagt Fuchs. Auch nach dem Diplom sammeln Offiziere zunächst Berufserfahrung, bevor sie ein Schiff führen dürfen. Das Kapitänspatent wird nach Angaben des VDR nach drei Berufsjahren als Wachoffizier verliehen.

Den deutschen Reedereien fehlt allerdings Nachwuchs. Jedes Jahr suchen die Unternehmen rund 400 Nachwuchskapitäne, nur 300 junge Leute legen jährlich aber das Diplom ab. "Die Reedereien werben daher direkt an den Hochschulen um die Führungskräfte", so Professor Michael Rachow vom Fachbereich Seefahrt in Rostock-Warnemünde der Fachhochschule in Wismar. Ein Grund für den Mangel ist, dass viele Seeleute nach einigen Berufsjahren an Land gehen.

Kapitäne arbeiten lange Zeit von Freunden und Familie getrennt auf dem Schiff. "Da gibt es abends keinen Feierabend", gibt Hans-Jürgen Dietrich zu bedenken. Viele Kapitäne wechseln auf Grund dieser Arbeitsbedingungen in einen Job an Land. Chancen bieten sich Nautischen Offizieren und Kapitänen als Lotsen, als Inspektoren bei Reedereien, in der Schifffahrtsverwaltung, sowie in Speditions- und Exportfirmen.

Arvid Grosse-Bley hat auf Großtankern und Containerschiffen die ganze Welt gesehen. Heute ist er Leiter der Logistikabteilung beim Ingenieursbüro Krupp Uhde in Dortmund. Das Unternehmen plant und baut Chemieanlagen in aller Herren Länder. Sein Job ist es, die Baustellen mit Material zu versorgen. Seine Erfahrungen aus der Seefahrt kommen ihm dabei zugute. Grosse-Bley ist der Familie zuliebe an Land gegangen. Die Seefahrt vermisst er manchmal: "Ich kann nur jedem raten, die eigene heile Welt einmal zu verlassen. Man bekommt eine völlig andere Sicht auf die Dinge."

(sueddeutsche.de/dpa)

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: