Juniorprofessur:Wackliges Sprungbrett zum Lehrstuhl

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"Mc-Donaldisierung, Wegwerfforscher": Die Juniorprofessur ist mal beliebt, mal verpönt - immer aber nur so gut, wie die Hochschule sie fördert.

Von Marion Schmidt

Als passenden Kandidaten konnte man Ingo Bechmann kaum bezeichnen. Der 35-jährige Mediziner hatte sich am Institut für Anatomie der Berliner Charité habilitiert und wartete auf einen Ruf auf eine C3-Professur. Der kam nicht, weil gerade keine Stelle frei war. Da hat Bechmann sich "aus Spaß" auf eine Juniorprofessur beworben und diese auch bekommen - trotz Habilitation, obwohl das eigentlich im Gesetz ausgeschlossen ist. "Die Uni wollte mich unbedingt behalten", sagt er. Nun zieht er als Junior eine "Warteschleife", nahm 60.000 Euro Fördergeld mit und bekam obendrein zwei Assistenten und zwei Laborkräfte dazu. So ausgestattet kann er ziemlich gut forschen und lehren und sagen: "Mir macht das große Freude!"

Das Beispiel zeigt zweierlei: Hochschulen können sehr einfallsreich sein, wenn es um ihre Interessen geht. Und, wenn sie jemanden wirklich wollen, unterstützen sie ihn nach Kräften. Beides lässt sich am Beispiel der Juniorprofessur, kurz JP genannt, bestens beobachten.

Schlupflöcher im Gesetz

Dabei steht die Juniorprofessur noch auf juristisch wackligem Grund. Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe klagen derzeit die Länder Bayern, Sachsen und Thüringen. Verhindern wollen sie den Regelzugang zu akademischen Hochwürden ganz ohne Habilitation, wie dies seit der Reform des Hochschulrahmengesetzes vor gut zwei Jahren vorgesehen ist. Dabei stört sie weniger die Juniorprofessur als dass der Bund ihnen damit eine "umfassende und detaillierte Vollregelung" vorgesetzt habe, die "nur wenig Raum für marginale Ergänzungen" in den Landesgesetzen lasse, so der thüringische Justizminister Karl-Heinz Gasser (CDU) kürzlich bei der öffentlichen Anhörung.

Doch so eng wie die klagenden Länder behaupten, nimmt es das Gesetz nicht mit der Juniorprofessur; es bietet offensichtlich mehr Schlupflöcher, als es selbst Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) recht sein kann. Viel wird darin den Hochschulen selbst überlassen, und die nutzen diese Spielräume teilweise recht kreativ aus, um an das Fördergeld zu kommen, oder um gute Leute zu halten. Da werden dann auch mal 40-Jährige zu Junioren berufen oder lang gediente Assistenten von Professoren mit einer Stelle belohnt. Selbst in Bayern, wo es Juniorprofessoren rechtlich noch gar nicht gibt, haben Hochschulen diese eingestellt. Auch eine Habilitation scheint kein Hinderungsgrund zu sein, wie der Fall Bechmann zeigt.

Der Erfolg der Juniorprofessur steht und fällt in den Instituten, nicht vor Gericht. Werden die Junioren dort gut ausgestattet und ernst genommen, lässt man sie in den sechs Jahren selbstständig forschen und mitreden, überlastet sie nicht mit Betreuungs- und Verwaltungsaufgaben und gibt ihnen bei guter Leistung schließlich eine Perspektive, dann kann das Modell erfolgreich sein. So wie bei Lars Frormann, JP für Kunststofftechnik an der TU Clausthal-Zellerfeld. Er sagt, "ich kann mich hier völlig austoben". An der Uni fühle er sich anerkannt, gleichberechtigt behandelt und mit einem zusätzlichen Startgeld sogar finanziell unterstützt. Frormann ist darüber so erfreut, dass er gleich einen Förderverein zur Juniorprofessur gegründet hat.

"Das Umfeld ist verdammt wichtig", betont Katharina Landfester, Sprecherin der Jungen Akademie, einem Zusammenschluss von Nachwuchswissenschaftlern, die im vergangenen Jahr in einer Studie zur Juniorprofessur Schwachstellen offen gelegt haben. Viel habe sich seitdem nicht geändert, so Landfester, das würden erste Umfragen für eine neue Studie zeigen. Es gäbe Hochschulen oder Fachbereiche, an denen es gut läuft, etwa in Bayreuth, Darmstadt oder Potsdam. An der Berliner Humboldt-Uni, bundesweit Vorreiter und mit derzeit 44 Stellen auch Spitzenreiter bei den Junior-Stellen, klagen dagegen JP über "katastrophale" Arbeitsbedingungen. Auch aus Göttingen beschwerten sich Junioren, dass sich keiner um sie kümmere.

Wenn Hochschulleitungen oder Institutsdirektoren eigentlich nichts von der Idee halten und Juniorprofessoren nur deshalb einstellen, um an die Fördermittel zu kommen oder nicht als Reformmuffel dazustehen, dann lassen sie die Junioren auch schon mal ins Leere laufen. Monika Sokol, Juniorprofessorin für iberoromanische Sprachwissenschaft an der Uni Bayreuth, erinnert sich, dass der letzte Dekan der sprach- und literaturwissenschaftlichen Fakultät sie aufgefordert habe, den Titel "Prof" von ihrer Bürotür zu entfernen. Andernorts dürfen ihre Kollegen Projektanträge nicht selbst stellen oder über ihre Ausstattung verfügen - sofern sie denn eine bekommen haben. Denn nicht immer ist die Bundesförderung auch bei ihnen angekommen. Es gibt nicht wenige Juniorprofessoren, weiß Landfester, die eingestellt wurden ohne Ausstattung, ohne Forschungsbudget, ohne Mitarbeiter, und die somit völlig abhängig seien von ihrer Abteilung.

Mahnung der Rektoren

Missstände sollen auch bei der Jahrestagung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zur Sprache kommen, die heute in Berlin beginnt. "Da ist einiges falsch gelaufen", sagt HRK-Präsident Peter Gaethgens und fordert, "Juniorprofessoren müssen an den Hochschulen besser eingebunden werden, man muss ihnen zeigen, dass sie gewollt sind".

Als das Gesetz vor gut zwei Jahren verabschiedet wurde, gab es zunächst eine große Nachfrage nach den Stellen, sicher auch, weil die Hochschulen sich die anfangs 75.000 Euro Anschubfinanzierung durch das Bundesbildungsministerium nicht entgehen lassen wollten. Selbst Hochschulen aus Ländern, die jetzt gegen das Model klagen, standen in Berlin Schlange, um Stellen zu beantragen und Fördermittel mitzunehmen.

Wobei nicht immer Stellen neu geschaffen wurden. Mitarbeiter des akademischen Mittelbaus wie die Assistenten-Initiative der Uni Bochum kritisieren, dass die Juniorprofessur zu ihren Lasten gehe. An einigen Orten wurden tatsächlich gute Leute wie Ingo Bechmann auf JP-Stellen geparkt. Oder Assistenten, die über Jahre einem Ordinarius zu Diensten waren, wurden mit einer Juniorprofessur belohnt. Joachim Grage etwa, Juniorprofessor für Nordische Philologien an der Uni Göttingen, war zuvor drei Jahre Assistent am Skandinavischen Seminar. Für ihn persönlich war die Berufung eine glückliche Fügung, weil der Familienvater damit zumindest vorläufig eine berufliche Perspektive hat. Nur seine Assistenten-Stelle wurde nicht wieder besetzt. "Die Juniorprofessur ist ein richtiger Verschiebebahnhof", kritisiert die Romanistin Monika Sokol.

"Kalter Staatsstreich"

In der Anfangszeit machte das böse Wort von den "Wegwerfforschern" die Runde. Und tatsächlich werden Juniorprofessoren in manchen Fächern als billige Lehrkräfte eingesetzt, ohne dass sie sich in der Forschung profilieren können, um nach sechs Jahren, schlecht evaluiert, ohne Perspektive dazustehen.

Da ist eine Haltung wie die der Uni Bonn vielleicht noch am ehrlichsten. Dort findet man nämlich, die Juniorprofessur würde zu einer "McDonaldisierung des Weges zur Professur" führen und "das akademische Niveau durch einen kalten Staatsstreich senken", so jedenfalls Kanzler Reinhardt Lutz. Konsequenterweise verzichtet seine Uni daher auf die Nachwuchsstellen und damit auch auf die Fördergelder aus Berlin.

© SZ vom 3.5.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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