Jobsuche:"Nehme jede seriöse Arbeit an"

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Ein hochqualifizierter Ingenieur (39) geht in der Münchner Innenstadt mit einem Pappschild auf Jobsuche.

Christian Heese, 39, ist Luft- und Raumfahrtingenieur. Er war international als Vertriebsleiter für High-Tech-Produkte, als Manager und Unternehmensberater tätig und spricht fünf Sprachen. Seit sieben Monaten ist er arbeitslos. Derzeit läuft er mit einem Schild durch die Münchner Innenstadt, auf dem steht: "Suche Arbeit" sowie seine Handynummer 0178/88 55 225.

SZ: Was für eine Arbeit suchen Sie?

Heese: Ich nehme jede seriöse Arbeit an. Aber im Kern suche ich etwas, das mit internationaler Geschäftsentwicklung und Vetriebsleitung zu tun hat.

SZ: Findet man so einen qualifizierten Posten mit einem Pappschild?

Heese: Ich habe - nachdem ich alle klassischen Wege probiert hatte - überlegt, was ich noch tun kann, um Menschen zu erreichen, die ich nicht erreicht hatte. Also habe ich das Schild gemalt.

SZ: Wo laufen Sie?

Heese: Isartor, Maximilianstraße, Perusastraße; im Hotel Vier Jahreszeiten etwa finden oft Besprechungen statt. Da sitzen die Top-Entscheider.

SZ: Hat man Ihnen was angeboten?

Heese: Na ja, es waren interessante Sachen dabei wie Insolvenzberatung; aber natürlich auch Taxifahren oder Strukturvertrieb - was heißt: Man verkauft am Telefon auf Provisionsbasis Produkte, etwa aus dem Gesundheitsbereich.

SZ: Würden Sie so was machen?

Heese: Nur, wenn ich an die Produkte glaube, die ich verkaufe. Außerdem ist das Risiko sehr hoch ist, dass man dabei zwar viel arbeitet, aber nichts verdient. Und das kann ich mir nicht leisten.

SZ: Was wollen Sie demonstrieren?

Heese: Ich will zeigen: Ich kann was, ich habe Mut, ich suche Arbeit. Nicht mehr und nicht weniger.

SZ: Was können Sie denn?

Heese: Ich bin technisch qualifiziert, kenne die asiatische und die europäische Geschäftsmentalität. Ich habe Erfahrung. Ich setze Strategien um und packe da an, wo Geschäfte gemacht werden.

SZ: Klingt zielstrebig. Wieso haben Sie eigentlich bisher nichts gefunden?

Heese: Weil es für jede Stelle, die in Frage kommt, zig Bewerber gibt. Und da balge ich mich auf dem ziemlich engen Markt im Moment als ehemaliger Vertriebsleiter mit ehemaligen Geschäftsführern.

SZ: Anfang der 30er Jahre liefen Leute mit ähnlichen Schildern rum, auf denen stand: "Nehme jede Arbeit an." Würden Sie, im Falle eines entsprechenden Angebots, auch körperlich schuften?

Heese: Vorübergehend schon. Aber nach einem Jahr Malerarbeiten könnte ich meinen Lebenslauf vergessen, dann werde ich nie mehr Vertriebsleiter. Sehen Sie: Ich wurde gut ausgebildet und habe die Erfahrung, die deutsche Wirtschaft mit aufzubauen und zu führen.

SZ: Wieso wurden Sie arbeitslos?

Heese: Die letzte Firma, in der ich als Vertriebsleiter gearbeitet habe, war eine AG, die synthetische DNA-Kennzeichen für Produkte entwickelt hat, um sie fälschungssicher zu machen, etwa Medikamente. Das Unternehmen ist an der Börse in den freien Fall übergegangen.

SZ: Wie lange, dachten Sie, würde es dauern, bis sie eine neue Stellung finden?

Heese: Maximal ein paar Wochen.

SZ: Treibt Sie Verzweiflung?

Heese: Ja, auch. Arbeitslosigkeit ist für nichts gut. Man bekommt Zweifel an sich selbst. Meine Eigenmotivation ist sehr hoch, ich bin extrovertiert, optimistisch. Aber ich habe Depression kennen gelernt. Man wird sehr verletzlich.

SZ: Das Arbeitsamt?

Heese: Man war dort freundlich und effizient. Aber für Führungskräfte haben die nichts.

SZ: Wie fühlen Sie sich, wenn Sie in Ihrem Markenanzug mit diesem Schild an den Straßencafés vorbeilaufen?

Heese: Das ist eine Entblößung. Nach drei Stunden ist die Grenze der Selbstmotivation erreicht.

SZ: Wie reagieren die Leute?

Heese: Ich kriege viel Aufmunterung. Es wollten sich auch welche dazustellen.

SZ: Sie könnten eine Demonstration daraus machen.

Heese: Das hat keinen Sinn. Arbeitslosigkeit ist ein Einzelschicksal. Es gibt da keine Solidarität. Es ist so: Ich suche für mich einen Job. Es hilft mir nichts, dass es vier Millionen anderen auch so geht.

Interview: Sebastian Schoepp

© SZ vom 17.5.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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