Jobsuche:"Man wird zur Bewerbungsschleuder"

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Nichts unversucht lassen: Welche Strategien Jobsuchende von Bewerbung zu Bewerbung entwickeln.

Von Nicola Holzapfel

Bewerbung, Absage, Bewerbung, Absage und dazwischen vielleicht, wenn man Glück hat, ein Vorstellungsgespräch. Jobsuche ist momentan für viele ein hartes Geschäft. Wer wie Gisela Kron* mehr als ein Jahr damit verbringt, hat viel Zeit darüber nachzudenken, warum es mit dem Bewerben nicht so läuft wie es sollte. Was macht man falsch, was richtig? "Es gibt Phasen, wo ich völlig blockiert bin. Im Moment mache ich wieder Rückschritte. Ich bringe gar nichts mehr zu Papier. Ich denke, ich mache sowieso alles verkehrt", sagt die Wahl-Münchnerin.

Für den Jobsuchenden mag es die 50. Bewerbung sein, auf die Frage "Warum haben Sie sich gerade bei uns beworben?" muss er trotzdem antworten können. (Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Sie wünscht sich eine persönliche Bewerbungsberatung. Die Ratgeber auf dem Buchmarkt mit ihren Standard-Antworten helfen ihr im Moment nicht weiter. Weil sie mit ihrem Wunsch bei ihrer Beraterin in der Münchner Arbeitsagentur nicht weiterkam, überlegt sie ins Bewerbungs-Center der Arbeitsagentur zu gehen. Hier können Jobsuchende unangemeldet vorbeischauen, Bewerbungen schreiben und ausdrucken oder auch gleich per Mail versenden. Die Infrastruktur braucht Gisela Kron zwar gar nicht, da sie einen PC mit Internetanschluss zuhause hat, aber sie weiß, dass man sich mit Fragen an einen der vier Mitarbeiter wenden kann. Allerdings muss sie einen günstigen Zeitpunkt erwischen. Denn das Center ist gut frequentiert. 100 Arbeitslose kommen hier täglich vorbei.

Georg Beilhack hat bei seinem Berater mehr Glück gehabt. Der Software-Entwickler ist seit vier Wochen arbeitslos. Gleich beim ersten Termin in der Münchner Arbeitsagentur bekam er die Adresse zu einem großen Weiterbilder, der Jobsuchenden bei Bewerbungen hilft und auch versucht, sie in Jobs zu vermitteln. Beilhack ist mit der Unterstützung zufrieden. Die Berater im Münchner Arbeitslosenzentrum, das Arbeitslose unterstützt, haben jedoch auch schon von Kursen gehört, in denen die Teilnehmer nur ihre Zeit absitzen.

Der IT-Experte Beilhack setzt bei seiner Jobsuche ausschließlich aufs Internet. "Mit Bewerbungsmappen habe ich durchweg schlechte Erfahrungen gemacht. Die Unterlagen kommen entweder gar nicht zurück, oder die Fotos fehlen. Jetzt schicke ich gar kein Papier heraus", sagt Beilhack. Damit spart er auch Zeit. Statt Anschreiben und Lebenslauf auszudrucken, Kopien zu machen, alles in eine Mappe und zum Schluss noch in ein Kuvert zu stecken, kann er sich papierlos bewerben. Und statt mit einem dicken Kuvert zur Post zu laufen, klickt er am Computer nur kurz auf "versenden". Beilhack nutzt die Zeitersparnis, um mehr Bewerbungen auf den Weg zu bringen. "Man wird zur Bewerbungsschleuder", sagt der Software-Entwickler.

Simone Bentele vom Münchner Arbeitslosenzentrum ist aufgefallen, dass sich viele Arbeitslose gerade zu Beginn ihrer Jobsuche sehr breit bewerben. Wer zu ihr in die Beratung kommt erhält jedoch die Empfehlung, sich lieber nur auf die Stellen zu bewerben, die wirklich mit dem eigenen Profil übereinstimmen. Denn viele Arbeitgeber erhalten derzeit so viele Bewerbungen, dass sie gezielt die Kandidaten herausfischen können, die zu 100 Prozent auf die ausgeschriebene Position passen.

Eva Specht* versucht, früher dran zu sein als die anderen. Seit die 37-Jährige ihren Job als Projektleiterin in der Marktforschung verloren hat, nutzt sie ihre Netzwerke und auch ihre früheren beruflichen Kontakte. So hat sie schon einmal von einer befristeten Stelle erfahren, die demnächst erst als Mutterschaftsvertretung ausgeschrieben werden soll.

Einen Job auf Zeit würde auch Gisela Kron sofort annehmen. Sie macht sich Gedanken, wie sie mögliche Vorurteile von Arbeitgebern von vornherein entkräften kann. "Ich frage mich, wie ich in meiner Bewerbung deutlich machen kann, dass ich mit 52 Jahren sehr agil, geistig fit und den Jüngeren in nichts unterlegen bin." Auch dem Argument, dass Ältere mehr kosten, nimmt sie den Wind aus den Segeln: "Ich bin bereit, meine Forderungen den Gehaltsstrukturen des Unternehmens anzupassen. Auch ein Kündigungsschutz ist mir nicht wichtig", sagt Kron. Aber wie packt man das alles in eine Bewerbung?

"Zu entscheiden, was und wie ich es in meine Bewerbung schreibe, ist eine Gradwanderung", sagt Simone Bentele vom Malz. "Es kann gut ankommen aber auch negativ ausgelegt werden. Eine Bewerbung wird ja nicht nur individuell geschrieben, sondern auch individuell gelesen. Zwei Arbeitgeber können dieselbe Bewerbung ganz unterschiedlich bewerten."

Eva Specht ist inzwischen offener geworden und greift mitunter sogar den Arbeitgebern vor. Auf den Tipp einer befreundeten Personalverantwortlichen hin, nennt sie im Anschreiben nun ungefragt immer ihre Gehaltsvorstellung. Wobei sie die Angaben je nach Position und Unternehmen variiert. Sie hat den Eindruck, dass sie seither öfter zu Vorstellungsgesprächen eingeladen wird.

Auch ihre Kündigung verschweigt sie nicht länger. "Bei den ersten Bewerbungen habe ich immer so getan, als ob ich in ungekündigter Position arbeite. Jetzt gehe ich mit meiner Arbeitslosigkeit offensiv um. Das kommt eher gut an. Davor haben sich die Unternehmen vielleicht gefragt: 'Warum will die wechseln?'", sagt Specht.

Liste über dem Telefon

Bei der Münchner Arbeitsagentur empfiehlt man Jobsuchenden angesichts des klammen Arbeitsmarktes auch die Alternative Zeitarbeit in Betracht zu ziehen. Bewerber, die etwa wegen ihres Alters oder weil sie Quereinsteiger sind, nicht dem heutigen Arbeitgeberwunschkatalog entsprechen, hätten unter Umständen bei kleineren Unternehmen mehr Chancen.

Glaubt man dem Personaldienstleister Adecco, kann man im Moment auch ruhig ungefragt bei Arbeitgebern anklopfen. "Wenn der Stellenmarkt sich erholt, ist der Zeitpunkt für Initiativbewerbungen besonders günstig", empfiehlt Caterine Schwierz von Adecco. Der IT-Experte Georg Beilhack hat auch damit schon Erfahrungen. "Bei größeren Unternehmen versandet das, aber bei kleineren kann man Glück haben", sagt der Software-Entwickler.

Seit sich Eva Specht nicht mehr allein auf die Stelleninserate verlässt, führt sie eine Excel-Liste, um einen Überblick über ihre Bewerbungen zu behalten. Die Liste hat sie sich übers Telefon gehängt. "Ich komme sonst ins Überlegen, wenn ich plötzlich einen Anruf erhalte und gefragt werde: 'Warum haben Sie sich gerade bei uns beworben?'." Dabei hat sie viel zu erzählen. Denn Eva Specht bereitet sich auf jede Bewerbung gründlich vor. Wenn sie zu einem Vorstellungsgespräch oder einem Assessment-Center eingeladen wird, recherchiert sie Marktzahlen oder setzt sich zuhause mit psychologischen Testverfahren auseinander. "Seit ich nicht mehr arbeite, habe ich Zeit ohne Ende", sagt Specht. "Und die nutze ich, um mich zu bewerben."

*Namen von der Redaktion geändert.

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