Jobsuche:Die aufgemöbelte Mappe

Lesezeit: 4 min

Wer seine Bewerbungsunterlagen von Beratern prüfen lässt, ist nachher nicht unbedingt schlauer als zuvor.

Von Susanne Balthasar

Diese Bewerbungsmappe ist gut. Obendrauf liegt ein bestechendes Anschreiben, innen drin klebt ein sympathisches Foto, danach folgt ein Lebenslauf, der sich liest wie eine einzige Erfolgsmeldung. Und dann erst die Referenzen und Praktikumszeugnisse - ein einziges Loblied aus Papier. Nur: Warum hatte die Bewerberin mit diesem Auftritt bisher noch keinen Erfolg?

Wir legen die Mappe zwei Profis vor: dem Ratgeberautor Jürgen Hesse, Leiter des Berliner "Büro für Berufsstrategie", und Marion Franz von der Personalberatung SKP AG, die Bewerbungsmappen online prüft. Sie sollen die Unterlagen auf Erfolg trimmen oder wenigstens die gröbsten Fehler ausmerzen. Jürgen Hesse prophezeit, dass die Chancen auf ein Vorstellungsgespräch nach seiner Beratung um 60 Prozent steigen. Die SKP verspricht eine "inhaltliche und formale Optimierung". Mal schauen, wie sich die beiden eine Supermappe vorstellen.

Zu nüchtern

Jürgen Hesse bittet zum persönlichen Gespräch und macht erst einmal den Beratungsbedarf klar: "Sie haben alle klassischen Fehler gemacht", sagt er und gibt eine Lektion in Bewerbungsphilosophie: Egal ob man sich als Koch, Nachtwächter oder Journalistin bewirbt, es komme auf Kompetenz, Leistungsmotivation und Persönlichkeit an. Dann malt er ein Haus: Das Fundament soll die Kompetenz darstellen, die Wände sind aus Motivation gemauert, als Dach sitzt die Persönlichkeit obendrauf. "Wenn ein Element fehlt", doziert Hesse, "fällt alles zusammen." Ohne Dach regnet es hinein. Aber ausgerechnet das Dach sei in Bewerbungsmappen oft nicht gedeckt. "Die meisten können nicht sagen: Hier stehe ich." Keine Persönlichkeit also, nur Fakten.

So wie in der vorliegenden Mappe. Sie sei viel zu nüchtern, meint Hesse, und die Bewerberin möchte am liebsten im Boden versinken angesichts der schlimmen Versäumnisse. Oder erst einmal lesen, was die Online-Beraterin schreibt.

Da sieht die Mappe schon ganz anders aus. Erstens: Kein Urteil, nirgends. Zweitens: Es geht nicht um die Darstellung der Persönlichkeit, sondern um die reine Form. Marion Franz verliert kein Wort über den Menschen hinter den Daten, sondern bekrittelt nur ästhetische Mängel: Die Adresse muss von links nach rechts gerückt, die Fotos von oben nach unten geschoben werden. Dazu der Vorschlag: "Sie erhalten für das Deckblatt Ihrer Bewerbungsunterlagen und den Aufbau des Werdeganges von uns ein Muster, nach dem wir vorschlagen, Ihre eigenen Unterlagen zu überarbeiten."

Was die Formalia angeht, stimmt die Bewertung der beiden Mappen-Checker nur in einem Punkt überein: Zu einer guten Bewerbungsmappe gehört eine Inhaltsangabe. Damit der Arbeitgeber sich nicht durch die ganzen Zeugnisse und Referenzen blättern muss, sondern auf den ersten Blick herausfiltern kann, was ihn interessiert. Das leuchtet ein. Aber wie sieht sie aus, die schönste Inhaltsangabe? Während die SKP-Mustermappe mit einer nüchternen Auflistung der nachfolgenden Papiere aufwartet, rät Jürgen Hesse von einem langweiligen Verzeichnis ab: "Schreiben Sie einen Vorspann dazu, einen Appetizer. Machen Sie Werbung für sich. Wo sind Ihre Verführer?"

Und dann ist da noch die Sache mit dem Bezug zum Arbeitnehmer. Jürgen Hesse beschwört auch hier die Persönlichkeit. Man komme dann gut an, wenn man sich sympathisch sei, und Sympathie entstehe nun mal aus Ähnlichkeit. Also: Informieren Sie sich über den Menschen, der Ihre Mappe liest! Bringen Sie das, was Sie über ihn erfahren haben, in die Mappe mit ein, und betonen Sie die Gemeinsamkeiten - sei es ein Hobby oder ein beruflicher Schwerpunkt.

Ähnlich urteilt in diesem Punkt Marion Franz. Sie weist darauf hin, dass ein bereits stattgefundener Kontakt zum möglichen Arbeitgeber in der Testmappe nicht prominent genug platziert worden sei. Doch eine Antwort darauf, wie das am besten zu bewerkstelligen sei, wenn der Kontakt ein zufälliger war und die Zusammenhänge mühsam hätten konstruiert werden müssen, bleibt sie schuldig. Muss sie wohl auch, denn für solche Komplexitäten ist die Einbahnstraßen-Kommunikation der Online-Beratung nicht gemacht. Damit wirft ihr Schreiben mehr Fragen auf, als es beantwortet.

Überhaupt hat der fehlende Dialog bei der Online-Beratung seine Tücken. Frau Franz lässt wissen, in der Bewerbung seien unredlicherweise Praktika als Mitarbeiterschaft ausgewiesen worden. Nanu? Weiß die Beraterin etwa nicht, dass man in vielen Branchen nach einem Praktikum oft zur freien Mitarbeiterin wird? Ein weiterer Absatz in ihrem Schreiben kann also gestrichen werden. Was bleibt?

Vom Gestern zum Heute, vom Heute zum Gestern

Dass noch viel zu tun ist. Man muss zum Beispiel den Lebenslauf überarbeiten. Aber bitte chronologisch, rät die SKP, "dabei ist es nicht entscheidend, ob Sie die voranschreitende Zeitfolge, also vom Gestern zum Heute, oder die retrograde, vom Heute zum Gestern, wählen." Ganz anders sieht das wieder einmal Jürgen Hesse. Der fragt: Schon mal daran gedacht, die Daten nicht chronologisch aufzulisten? Hinter den Namen und das Geburtsdatum das Berufsziel zu stellen?

Dann wird es aber höchste Zeit. Die Beratungsstunde ist um, jetzt kommt die Nachbesserung. Wenn die Mappe aufgemöbelt ist, könne man ja noch einmal wiederkommen, meint Hesse. Und noch einmal 120 Euro investieren. Die Online-Beratung erscheint auf den ersten Blick günstiger: 49 Euro kostet der "Basistest für Berufsanfänger", 89 Euro für Bewerber mit mindestens drei Jahren Berufserfahrung. Wenn dann - wie in unserem Fall - noch Fragen offen sind, kann man diese für 49 Euro in einem Telefonat klären und für weitere 20 Euro die Korrekturen überprüfen lassen. Am Ende sind die Online-Kosten dann ungefähr genauso hoch wie die Live-Beratungsstunde bei Jürgen Hesse.

Nach dem Doppelcheck ist klar: So unterschiedlich wie Herr Hesse und Frau Franz können auch die Menschen sein, die meine Bewerbungsmappe einmal in den Händen halten werden. Egal in welche Richtung sie nun optimiert wird: Eine Supermappe für alle wird sie wohl niemals werden.

© SZ vom 15.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: