Jobsuche:Deutschland, ade!

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Keine Perspektive vor Ort, dafür anderswo: Arbeitslosigkeit und Zukunftsangst treiben die Deutschen ins Ausland.

Von Björn Finke

Für die Vermittler in der Arbeitsagentur war er ein schwerer Fall: arbeitsloser Baumaschinist, 52 Jahre, aus dem thüringischen Nordhausen, wo die Arbeitslosenquote bei 20 Prozent liegt. Doch der Fall ist gelöst - seit vier Wochen hat Walter Krombholz wieder eine feste Anstellung, was er selbst kaum glauben kann: "Ich hatte mich schon abgeschrieben." Allerdings hat er keinen Job in Thüringen gefunden und auch keinen in Westdeutschland. Krombholz musste als Gastarbeiter ins Ausland gehen. Er ist bei einer Zeitarbeitsfirma in Basel beschäftigt, die ihn im Moment als Kranführer auf einer Baustelle im Schweizer Kanton Luzern einsetzt.

Auswanderungsland Bundesrepublik: "Auswanderer sind höher qualifiziert als der Durchschnitt." (Foto: Foto: photodisc)

Während in Talkshows über den Zustrom osteuropäischer Arbeitskräfte diskutiert wird, tun es immer mehr Deutsche den Ukrainern und Polen gleich: Sie suchen ihr berufliches Glück in der Fremde - die Bundesrepublik, ein Auswanderungsland. "Die Zahl der Deutschen, die bei uns Rat holen, steigt seit Jahren", sagt Monika Schneid, Leiterin der Informationsstelle beim Raphaels-Werk, einer Hilfseinrichtung der Katholischen Kirche für Auswanderer. Im vorigen Jahr waren es 9300 Anfragen. Vor allem die ostdeutschen Niederlassungen verzeichnen seit 2002 rasanten Zuwachs bei Ratsuchenden, die wegen eines Jobs ins Ausland ziehen wollen. Als Gründe würden häufig Arbeitslosigkeit und gekürzte Sozialleistungen genannt, sagt Schneid: "Die meisten gehen nicht weg, weil es im Ausland so schön ist, sondern weil sie vor Ort keine Perspektive sehen."

Wie viele dem Beruf zuliebe ihrer Heimat den Rücken kehren, wird nirgendwo erfasst. Laut Statistischem Bundesamt sind 2002 fast 118.000 Menschen ausgewandert, von denen Experten zufolge ein Großteil wegen des Jobs umgezogen ist. Doch wer nur einige Jahre in der Fremde Geld verdienen will, meldet sich oft nicht ab und taucht in keiner Statistik auf. Klar ist aber die Tendenz - und die weist steil nach oben.

So hat allein die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit im vergangenen Jahr 5100 Menschen nach Europa vermittelt, 2002 waren es ein Drittel weniger. Immer mehr Emigranten kämen aus der Arbeitslosigkeit, heißt es bei der ZAV, die für die Auslandsvermittlung der Bundesagentur zuständig ist.

Wink von der Agentur

Auswanderung werde auch deshalb beliebter, weil die Arbeitsagenturen stärker auf die Chancen in der Fremde hinweisen, sagt Monika Schneid vom Raphaels-Werk. Die Agenturen veranstalten immer häufiger Auslands-Jobmessen, wo sich Arbeitgeber präsentieren und Bewerber in Vorträgen Nützliches über die neue Heimat erfahren. Auf einer solchen Veranstaltung fand Baumaschinist Krombholz seine Stelle.

Ausländische Firmen für die Messen zu gewinnen, sei kein Problem, sagt Sabine Seidler von der ZAV: "Deutsche Arbeitskräfte genießen einen guten Ruf." Vor allem Handwerker seien wegen ihrer soliden Ausbildung gefragt. Die meisten Angebote stammen aus den Branchen Baugewerbe, Handwerk, Hotellerie und Gesundheitswesen, heißt es bei ZAV und Raphaels-Werk. Beliebteste Zielländer sind die Schweiz, Österreich, die Niederlande, Großbritannien, Irland und Skandinavien - alles Staaten, in denen die Wirtschaft besser läuft als hierzulande. Dort gibt es auch Jobs für 52-jährige wie Walter Krombholz.

Schön für ihn - aber nicht für den Standort, meint Martin Werding, Sozialpolitik-Experte beim Münchner Ifo-Institut: "Auswanderer sind höher qualifiziert, flexibler und engagierter als der Durchschnitt." Zudem zahlen Emigranten nicht in die Sozialkassen ein. Klar, bevor jemand arbeitslos bleibe, solle er lieber ins Ausland gehen, sagt Werding: "Aber für alle Beteiligten wäre es günstiger, die Menschen müssten gar nicht erst auswandern. Wir müssen dringend den Arbeitsmarkt in Ordnung bringen."

© SZ vom 2.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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