Jobsuche:Ausweg Ausland

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Ein Job, mehr Geld, ein neues Leben: Immer mehr Deutsche suchen ihr Glück im Ausland. Am beliebtesten sind die Schweiz und Österreich.

Die Reichen zieht es in die Schweiz, weil sie im Steuerparadies Geld sparen können. Andere kommen zunehmend in das Alpenland, weil sie in Deutschland keine Arbeit finden. Viele pendeln täglich über die Grenze - auch ins benachbarte Österreich, die Niederlande oder nach Polen. Manche fahren nur alle zwei bis drei Wochen zu ihren Familien. Maurer Kai Kirchner hat sich ganz aus Deutschland verabschiedet. In der Schweiz hat der junge Mann aus dem 300-Einwohner-Dorf Ebertshausen in Südthüringen einen Job gefunden. Der 28-Jährige ist kein Einzelfall.

Woanders gefragt: deutsche Fachkräfte (Foto: Foto: photodisc)

"Immer mehr Deutsche arbeiten im Ausland", sagt Sabine Seidler von der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) in Bonn. Die ZAV ist die internationale Personalagentur im Netzwerk der Bundesagentur für Arbeit (BA) und berät diejenigen, die einen Arbeitsplatz jenseits der Grenzen suchen. Mehr als 12.000 wagten mit Hilfe der ZAV im vergangenen Jahr den Sprung in das zumeist doch kalte Wasser.

Auch Kai Kirchner entschloss sich nach zeitweiser Arbeitslosigkeit und "unbefriedigenden" Jobs, sein Glück woanders zu suchen. "Ich hatte finanzielle Engpässe, weil auch meine Chefs nicht zahlten", erinnert er sich. Zusammen mit einem Kollegen ging es dann zuerst nach Österreich, im Sommer 2003 in die Schweiz nahe Bern.

Fast drei Viertel aller Bewerber für Auslandsjobs waren nach ZAV-Angaben vorher arbeitslos. "Die Nachfrage ist riesig und steigt", sagt Annette Freitag, stellvertretende Leiterin des Europaservices, der unter dem Dach der BA angesiedelt ist. Allein aus Hamburg, Schleswig-Holstein und dem nördlichen Niedersachsen meldeten sich 2005 mehr als 10.000 Menschen, die ihre Perspektiven zunehmend im Ausland sehen. "Und die Nachfrage im Osten Deutschlands ist noch größer", sagt sie. "Der Arbeitsmarkt ist noch finsterer, der Leidensdruck höher." Während die Hamburger "nicht einmal über die Elbe gehen", um zu arbeiten, seien die Ostdeutschen mobiler.

Die meisten versuchen ihr Glück auf dem Bau. Die Chancen, in diesem Bereich in Arbeit zu kommen, sind im Ausland um einiges höher. Außerdem gibt es hier meist mehr Geld. Das gilt auch für Berufe im Gesundheitswesen wie Ärzte oder Krankenpfleger sowie für gut ausgebildete Ingenieure, die vor allem in den skandinavischen Ländern gefragt sind.

Ganz oben auf der Arbeitsplatz-Wunschliste stehen jedoch die Schweiz und Österreich. Allein im Vorjahr zog es mehr als 5200 Deutsche über die ZAV in die deutschsprachigen Nachbarländer. Aber auch in Skandinavien und Großbritannien gäbe es noch zahlreiche Jobs, erläutert Freitag. "Vor allem Ältere haben hier bessere Chancen." Norwegische Unternehmen zum Beispiel setzten auf Erfahrung, gute Ausbildung und Präzision - Eigenschaften, die mit deutschen Arbeitnehmern in Verbindung gebracht werden.

"Es ist auch der Reiz des Neuen, der viele hierher treibt", sagt Kai, dem der Abschied von der Heimat nicht besonders schwer fiel. Keine Partnerin, kein Kind - "außer meiner Familie und Freunden hält mich nichts in Deutschland." Außerdem treffe er immer wieder Thüringer in seiner neuen Heimat. "Für mich steht fest, dass ich in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht zurückgehe, solange sich die Wirtschaft nicht erholt."

Wie viele Menschen tatsächlich täglich über die Staatsgrenze zur Arbeit fahren oder befristet im Ausland beschäftigt sind - darüber gibt es keine gesicherten Zahlen. Wie in Großbritannien zum Beispiel ist es auch in vielen anderen Staaten nicht mehr nötig, sich offiziell anzumelden.

"Viele versuchen es auf eigene Faust", begründet Freitag vom Hamburger Europaservice das unzureichende Zahlenmaterial. Experten schätzen, dass es aber nur rund zwei Prozent dauerhaft in der Ferne hält. Für die meisten ist nach einer gewissen Zeit Schluss. Wie lange Kai es noch bei den Helvetiern hält, weiß er noch nicht. "Selbst wenn ich zurückkomme, bleibt die Frage, ob mir das Geld am Monatsende reichen würde."

© dpa, von Angelika Röpcke - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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