Jobmesse:Schaulaufen für den Chef

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Auf der Job-Messe "Talents" zeigen sich Bewerber von ihrer besten Seite - manche sogar mit Erfolg.

Stefan Sippell

Wenn das so einfach wäre mit der Jobsuche: so einfach wie das Spiel an diesem kleinen schwarzen Tisch, hinter dem zwei junge Männer mit lustigen Melonen auf dem Kopf stehen. Die Melonen sollen signalisieren: Wir sind die Spaßvögel hier! Die Männer haben bunte Puzzle-Teile dabei, die man zu einem Würfel zusammenstecken kann. Ein bisschen Geduld, ein wenig Konzentration, na also, geschafft - diese Form von Herausforderung lässt sich doch bewältigen.

1800 Bewerber, 30 Arbeitgeber: Der Konkurrenzkampf auf Jobmessen ist groß. (Foto: Foto: goodshot)

Mit den Jobs in Deutschland im Sommer 2005 ist es nicht so einfach, und irgendwie will es nicht wirklich besser werden. Dieses Gefühl will einfach nicht verschwinden - dass alle Würfel längst gefallen sind. Selbst auf der Jobmesse "Talents", die vergangene Woche zum dritten Mal in München stattfand, sind nicht alle Talente in Party-Laune: Dabei versteht sich die Großveranstaltung als etwas ganz Besonderes im großen Markt der Recruiting-Events. Hier dürfen nur Hochschulabsolventen oder so genannte "Young Professionals" rein und zu den Ständen der Unternehmen vordringen - und nur nach einer Vorauswahl durch Carsten Buchberger und sein Team von bmv, der Beratungsfirma, die das "Talents"-Ereignis organisiert.

Die Berater prüfen die Bewerbungsunterlagen und vergleichen sie mit den Anforderungsprofilen der Firmen. Die dürfen ihrerseits nur anreisen, wenn sie wirklich offene Stellen im Gepäck haben. Etwa 6000 Online-Anfragen habe man berücksichtigt, so Buchberger. Und etwa 1800 Bewerber haben es geschafft - das klingt nach harter Selektion. Einige der Kandidaten werden auf diesem Weg sogar direkt zu einem potenziellen Arbeitgeber geschleust: Für sie vereinbart die bmv ein Bewerbungsgespräch, das in einem separaten Raum hinter verschlossenen Türen geführt wird. So soll schnell und gezielt zueinander finden, was zueinander passt.

Der Anstrich, den sich die "Talents" gibt, wirkt elitär und exklusiv; und vielleicht sieht das Idealbild eines "Talents"-Talents ein bisschen so aus wie der Veranstalter selbst. Carsten Buchbergers dunkler Anzug sitzt perfekt; er ist überall gleichzeitig, ständig ansprechbar, immer gut gelaunt und riesig motiviert. Im Ohr trägt Buchberger einen dieser Stöpsel, die man von Bodyguards aus amerikanischen Filmen kennt - falls er einen Moment lang seine Ruhe haben will, dann spricht er in sein Jackett-Mikrofon und meldet sich "vom Funkkreis" ab.

Klappe zu

Wenn Martina (Name geändert) ihren Lebenslauf schildert, meint man sofort zu verstehen, warum sie eingeladen wurde. Berufserfahrung als technische Assistentin, Auslandseinsätze in Kanada und Indien. Sie hat sich durchs Abendgymnasium bis zum Abitur gekämpft und ein Marketing- und Managementstudium mit Spezialausrichtung durchgezogen. Einerseits belegen diese Stationen das, was Talente heutzutage zeigen müssen - Einsatzwillen und Eigeninitiative, Durchsetzungsvermögen und Flexibilität. Andererseits hat dieser Weg zwangsläufig dafür gesorgt, dass Martina inzwischen 35 ist. Und was sie seit Monaten bei der klassischen Form der Arbeitssuche per Bewerbungsschreiben erlebt, ist auch bei der "Talents" nicht anders: Frustration durch Absagen.

Zum Beispiel scheint einer der Firmenvertreter, mit denen Martina an diesem Tag spricht, zunächst wirklich von ihr angetan zu sein. Doch als sie ihm dann ihr Alter gesteht, geht die Klappe zu: "Das ist bei uns die Grenze", formuliert er knapp. "Das war das Knock-Out-Kriterium", seufzt Martina später, leicht resigniert. "Manchmal kommt mir das schon wie Diskriminierung vor."

BWL-Absolventin Valentina ist erst 25 Jahre alt und hat in einem der Workshops, die im Begleitprogramm angeboten wurden, sehr gute Erfahrungen gemacht: "Dort haben wir Fallstudien bearbeitet, sind von Personalern und Trainern beobachtet worden - und haben ein ausführliches Feedback bekommen. Das war total interessant." Doch sie zweifelt daran, wie exklusiv und effizient es hier tatsächlich zugeht: "Einige Unternehmen wollen die Mappe gar nicht, die man extra vorbereitet hat. Andere sagen, man solle sich im Netz bewerben. Und unter meinen Mitstudenten kenne ich keinen einzigen, der sich für die Veranstaltung angemeldet hat und nicht genommen worden wäre."

Ein Joghurt gratis

Wenn 1800 Bewerber auf 30 rekrutierende Firmen treffen, ist es kein Wunder, wenn sich vor manchen Ständen lange Schlangen bilden. Beim französischen Milchprodukte-Riesen Danone warten die Job-Suchenden bis zu zweieinhalb Stunden, bevor sie auf einen der fünf Unternehmensvertreter treffen. Dann wird ein strahlendes Lächeln angeknipst, der direkte Blickkontakt gesucht und aufs Namenschild geschielt - schließlich hat man ja gelernt, wie wichtig es ist, den Gegenüber persönlich anzusprechen. Immerhin werden hier die Bewerbungsunterlagen entgegengenommen, und nach dem Gespräch gibt's einen Gratis-Joghurt aus dem Kühlschrank.

Vorne wächst der Stapel der Mappen von allen, die schon da gewesen sind. Hinten wird die Reihe derer, die noch kommen werden, nicht kürzer. Hat Achternbusch seinen berühmten Satz etwa für Recruiting-Ereignisse erfunden: Du hast keine Chance, aber nutze sie? Dabei nehmen sich die Danone-Mitarbeiter bis zu 20 Minuten Zeit für jeden Bewerber, lächeln nicht nur, sondern schreiben sogar zurück - spätestens nach zwei Wochen. Die Direktorin für den Bereich Human Resources ist selbst vor Ort: Und Judith Jungmann traut sich und den Kollegen trotz der Abfertigung wie am Fließband durchaus zu, potenzielle Trainees und Fachkräfte herauszufischen. "Nach einem halben Tag haben wir zusammen ungefähr zehn Leute entdeckt, die wir sehr interessant finden."

Wahre Gewinner

Alles in allem besetzt jedes der hier vertretenen Unternehmen "zwischen einer und 19 Stellen" mit Kandidaten von der "Talents", sagt Carsten Buchberger. Weil sich die Entscheidungsprozesse bis zur Vertragsunterschrift oft lange hinziehen, könne man die Erfolgsquote nicht genauer messen.

Natürlich trifft man auf der "Talents 2005" auch Bewerber, die von ihren zwei vorab festgelegten Einzelgesprächen schwärmen. Und man begegnet sogar wahren Gewinnern: Veronika zum Beispiel wurde an einem Stand spontan zum Exklusiv-Interview eingeladen - jetzt darf sich die 28-jährige Ökonomin ein Jahr nach ihrem Studienabschluss zum ersten Mal echte Hoffnungen auf den Berufseinstieg machen.

An dem kleinen schwarzen Tisch lenkt eine der zwei Melonen inzwischen die erschöpften Kandidaten mit dem Hütchen-Spiel ab, das man aus der Fußgängerzone kennt - die Kugel liegt immer da, wo man sie nicht vermutet. Es ist nicht so einfach mit dem Job-Finden in Deutschland im Sommer 2005, und es mag viel von einem Glücksspiel haben. Auf der "Talents" kann man sich mit der Erkenntnis trösten, dass man wenigstens manchmal gewinnt.

© SZ vom 27.8.3005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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