Job&Familie:Zwischen Bildschirm und Spielecke

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Wird die Trennung von Beruf und Familienleben verschwinden?

Sylvia Englert

(SZ vom 29.9.2001) "Bei uns wurde nach knapp drei Jahren Erziehungsurlaub das Geld knapp. Deswegen entschloss ich mich, wieder arbeiten zu gehen", erzählt die 33-jährige Christine auf der Website frauencoaching.de. "Aber nicht nur wegen des Geldes, sondern weil ich das langsam schleichende Gefühl bekam, als ,Nur'-Hausfrau und Mutter total abzustumpfen."

Das gestiegene Bildungsniveau, aber auch finanzielle Gründe sind dafür verantwortlich, dass es vielen Frauen ähnlich geht wie Christine. Nur noch jede siebte Frau findet das traditionelle "Ein-Verdiener-Modell" gut, zwei Drittel aller Mütter mit minderjährigen Kindern sind in Deutschland berufstätig - mit steigender Tendenz.

Noch etwas zögerlich beginnt die Wirtschaft, dem Fachkräftemangel sei Dank, dieser Herausforderung zu begegnen. "Wir haben den Eindruck, dass die Unternehmen zunehmend versuchen, während der Elternzeit Kontakt zu den Müttern und Vätern zu halten", sagt Dorothea Jansen von der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft in Berlin. "In beispielhaften Firmen wird das ganz häufig praktiziert." Junge Eltern werden zu Besprechungen eingeladen, über Projektfortschritte informiert und bekommen die Möglichkeit zu Urlaubsvertretungen und Fortbildungen.

Flexibilität gefragt

Zudem ist die Babypause für viele Mütter nur noch eine Sache von wenigen Wochen oder Monaten, nicht mehr - wie früher - vielen Jahren. "Die Leute entscheiden sich häufig sehr früh, zurückzukehren", erklärt Gaby Hamm-Brink, Koordinatorin des Kinderbetreuungs-Dienstleisters Familienservice für den Münchner Raum. "Gleichzeitig ziehen die Unternehmen mit Back-up-Angeboten und hoch flexiblen Lösungen nach, weil sie wissen, dass sie diese qualifizierten Leute brauchen."

Eine Vollzeitbetreuung wie einst in der DDR ist allerdings nicht einmal am Horizont in Sicht. Zukunftsfähige Konzepte, das ist klar, müssen anders aussehen: "Frauen, die Beruf und Familie verbinden wollen, brauchen die Kombination flexibler Arbeitszeiten und -formen und Betreuungsmöglichkeiten", sagt Dorothea Jansen. Familienfreundliche Unternehmen setzen heute daher auf eine Vielfalt an verschiedenen Arbeitszeitmodellen. Oft haben sie alternierende Telearbeit eingeführt oder planen das zumindest. Schließlich ist es heute in vielen Jobs kein Problem mehr, ein paar Tage in der Woche daheim zu arbeiten und mit der Firma per Internet in Kontakt zu bleiben.

Eltern-Kind-Arbeitsplätze

Auch bei der Betreuung sind clevere Konzepte weit gefragter als die extrem teuren - und entsprechend seltenen - Betriebskindergärten. Immer beliebter werden Notbetreuungsplätze: Wenn die Tagesmutter krank ist oder es in der Schule hitzefrei gab, können die Eltern den Sprössling ausnahmsweise in der Firma abliefern.

Bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und einer Hand voll anderer Unternehmen gibt es für solche Zwecke seit neuestem sogar "Eltern-Kind-Arbeitsplätze": Sie bestehen aus Zimmern im Firmengebäude, die sowohl mit einem Bildschirmarbeitsplatz als auch einer Spielecke ausgerüstet sind. "Im Moment ist es oft so, dass die Leute daheim bleiben, wenn die Kinderbetreuung ausfällt", erklärt Rainer Laurenze, Abteilungsleiter Personal bei der BfA. "Sie melden sich einfach krank und umgehen das Problem. In solchen Situationen können sie statt dessen dieses Zimmer nutzen."

Dienstleistung für die Familie

Noch lieber ist es den Unternehmen jedoch, wenn sie das ganze Thema einfach outsourcen können: Mehrere hundert haben bereits einen Rahmenvertrag mit dem Familienservice. Er berät die Mitarbeiter der Firma, versucht mit ihnen gemeinsam individuelle Konzepte zu finden und vermittelt nach Bedarf Hortplätze, Tagesmütter, Babysitter und befristete Kinderbetreuung in den Schulferien oder bei Dienstreisen. Auf diese Art lässt sich Betreuung für alle Kinder organisieren - vom Neugeborenen bis zum Zwölfjährigen.

Doch so sinnvoll all diese Maßnahmen sein mögen: Die größte Herausforderung bleibt offenbar, eine neue Kultur in den Unternehmen zu schaffen. "Viele Führungskräfte sehen das immer noch als streng getrennt: Entweder Beruf oder Familie", sagt Rainer Laurenze von der BfA. "Diese Trennung wird in Zukunft aufgehoben werden. Es wird viel mehr Verbindungen geben."

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