Interview zum Baby-Pisa:"Wir testen uns zu Tode"

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Auch in Deutschland sollten Erzieher künftig an den Hochschulen ausgebildet werden, fordert die OECD. Bernd Buckenleib von der Katholischen Erziehergemeinschaft hat andere Vorstellungen.

Von Nicola Holzapfel

sueddeutsche: Brauchen wir eine Hochschulausbildung für Erzieher in Deutschland?

Bernd Buckenleib: Nein. Auch die OECD-Studie bescheinigt den Kindergärten gute Arbeit. Die Standards an den Fachakademien sind hoch und haben sich auch immer weiter entwickelt. Die Fachakademien haben auf Erkenntnisse der Frühpädagogik reagiert und die Lehrpläne immer wieder angepasst. Daher sind wir der Ansicht, dass die normale Erzieherinnen-Ausbildung dort bleiben kann.

Aber wenn Erzieher eine Leitungsfunktion später übernehmen wollen, werden sie darauf an den Fachakademien nicht vorbereitet. Da fordern wir einen Fachhochschul-Abschluss.

sueddeutsche: Wie soll das ausschauen?

Buckenleib: Bislang müssen Erzieher ganz von vorn anfangen, wenn sie an die Fachhochschule wechseln. Wir haben ein Modell entwickelt, bei dem ihnen ihre Ausbildung anerkannt wird, so dass sie schon ins dritte oder vierte Semester einsteigen könnten. Natürlich müssen Fachakademien und Fachhochschulen dann auch die Lehrpläne abgleichen.

An der Fachhochschule könnten dann Dinge wie Elternarbeit, Konfliktgesprächsführung, sozialpädagogische Beobachtung, Personalführung, Wirtschaftlichkeit und Qualitätssicherung vermittelt werden.

sueddeutsche: Warum wollen Sie für den "normalen" Erzieher die Fachakademien erhalten?

Buckenleib: 50 Prozent der Erzieher gehen ja gar nicht in den Kindergarten. Sie arbeiten in der freien Jugendhilfe, also in Horten oder Jugendheimen. Da können wir gar nicht auf die Akademien verzichten, die ja auch ein sehr hohes Niveau in Bayern haben.

sueddeutsche: Was setzen denn die Akademien voraus und wie lange dauert die Ausbildung?

Buckenleib: In Bayern brauchen Sie den mittleren Schulabschluss. Danach können Sie direkt an die Fachakadamie gehen, dann kommt ein praktisches Anerkennungsjahr und danach geht's wieder an die Akademie. Insgesamt dauert das fünf Jahre.

sueddeutsche: Was verdienen Erzieher denn im Anschluss?

Buckenleib: Ein 21-jähriger Erzieher kommt in der Tarifgruppe BAT VIb inklusive Ortszuschlag und Zulagen auf ein Bruttogehalt von etwa 1860 Euro. Ein 33jähriger in Leitungsfunktion erreicht circa 2400 Euro (BAT Vc).

sueddeutsche: Mit Hochschulstudium müssten die Gehälter dann wohl höher liegen.

Buckenleib: Genau daran zweifle ich. Ich glaube nicht, dass das kommt. Welcher Träger soll das zahlen? Die Kindergarten-Beiträge der Eltern sind ja jetzt schon relativ hoch. Und wozu soll man dann als Erzieher an die Hochschule gehen?

sueddeutsche: Wie schaut's eigentlich mit der Männerquote in dem Beruf aus?

Buckenleib: In Kindergärten gibt es den einen oder anderen Exoten. In Horten und Jugendhäusern arbeiten schon ab und zu Männer, aber sie sind sehr dünn gesät.

Das liegt wohl einerseits an dem Verdienst, aber auch an dem niedrigen Stellenwert, den der Beruf in unserer Gesellschaft hat.

sueddeutsche: Warum hat der Beruf so einen schlechten Stand?

Buckenleib: Das kann man nicht an einem Punkt festmachen. Aber im Kindergarten und in der Grundschule meint zum Beispiel heute jeder mitreden zu können, weil er lesen und schreiben kann und im Kindergarten sowieso nur gespielt wird. Früher gab es viel mehr Vertrauen in diese Institutionen. Das hat sich verändert.

sueddeutsche.de: Tests wie Pisa stärken ja auch nicht gerade das Vertrauen.

Buckenleib: Wir testen uns zu Tode. Aus den gewonnenen Erkenntnissen - und die sind ja nicht neu, auch Pisa ist keine Überraschung - müssen auch mal Konsequenzen gezogen werden. Das Einzige, was folgt, sind Sprechblasen und die Aufforderung, dass die Einrichtungen mehr leisten sollen. Das langt nicht. Das ist nun einmal ein Investitionsbereich.

Unsere Erzieher leisten eine hervorragende Arbeit und nehmen ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag sehr ernst. Das muss man wahrnehmen und darauf aufbauen.

Qualitativ ist die Erzieher-Ausbildung in Deutschland sicherlich nicht schlechter als in anderen Ländern. Und es kommt ja auf die Qualität an, nicht auf den Namen, ob es nun Fachakademie oder Hochschule heißt.

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