Interview:"Grundig wurde zu Tode saniert"

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Betriebsrat beschuldigt Chefetage.

(SZ vom 15.7.2003) Thomas Schwarz kam 1988 als Monteur für Videorecorder zu Grundig. Damals suchte das Unternehmen händeringend Mitarbeiter; jetzt wird der insolvente Konzern zerschlagen. Der 33-Jährige ist seit Mitte 2002 Betriebsratsvorsitzender.

SZ: Das Ende von Grundig kam ja nicht ganz überraschend. Wie ist die Stimmung bei der Rest-Belegschaft?

Schwarz: Ganz mies. Grundig wurde zu Tode saniert. Vor allem durch Fehlentscheidungen. Inoffiziell wird das jetzt manchmal zugegeben.

SZ: Was war der größte Fehler?

Schwarz: Es gab zu viele Konzepte. Die Unternehmensberatung Roland Berger war bei uns seit gut sechs Jahren im Hause. Erst wurde unser Stammsitz Fürth geräumt und alles nach Nürnberg verlagert. Kaum war das erledigt, ging es schon wieder los. Die Fernsehgeräte-Produktion in Nürnberg wurde dicht gemacht und nach Wien verlagert. Der Motor war dann in Wien, nur ohne Öl, wie der dortige Konkurs zeigt.

SZ: Damals hieß es, in Wien seien die Arbeitskosten günstiger.

Schwarz: Das allein bringt's aber nicht. Auch die Auslastung muss stimmen, wenn sich ein Betrieb rechnen soll. Wien hatte 1,8 Millionen Jahreskapazität. So viele Grundig-TVs nimmt der Markt nicht mehr auf. Das ist seit langem bekannt. Nürnberg hatte vor der Schließung eine Million Fertigungsgrenze, fuhr aber maximal 870.000 Geräte. Genau die Stückzahl, die heute ausreichen würde. Besonders schlimm ist, dass wir Recht hatten. Nach unserem Alternativkonzept hätten wir hier schwarze Zahlen schreiben können. Aber wir haben ja nicht studiert. Unser Plan wurde kaum angeschaut. Da haben der damalige Vorstand, Roland Berger und die eingeschaltete Staatsregierung versagt.

SZ: Ist Deutschland nicht zu teuer für den Bau von Fernsehgeräten?

Schwarz: Wir können nur noch hochwertige Geräte bauen, das ist klar. Die Kleinen mit gerade mal 20 einfachen Arbeitsschritten nicht mehr. Aber das ist auch so ein Beispiel für eine Fehlleistung. Der damalige Vorstand Manfred Bartl holte diese Produktion von Ungarn nach Nürnberg zurück. Da mussten wir dann pro Stück einen Zehn-Mark-Schein drauflegen. Prompt wanderte dieser Bereich dann in die Türkei.

SZ: Wo ist denn das Geld geblieben, mit dem Philips die fränkische Tochter alimentiert hat?

Schwarz: Die Rückstellungen sind verfrühstückt worden. Gleichzeitig hat die Belegschaft in zweistelliger Millionenhöhe zugebuttert. Jeder hat zum Beispiel 132 Stunden ohne Bezahlung geleistet. Aber das ist auch noch verpufft. Jeder Vorstand hat sich reicher von Grundig verabschiedet, jeder Mitarbeiter wurde ärmer.

Interview: Marion Nobbe

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