Interview:"Es gibt 60-Jährige, die sind topfit"

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Firmenchef Michael Stoschek hält die Lebens- und Berufserfahrung älterer Arbeitnehmer für unverzichtbar.

Interview: Michael Bauchmüller

(SZ vom 22.4.2003) Mit einer Stellenanzeige hat der Coburger Autozulieferer Brose jüngst von sich Reden gemacht, Titel: "Senioren gesucht". Nachdem das heftig expandierende Unternehmen jahrelang Nachwuchskräfte eingestellt habe, brauche es nun erfahrene Leute, sagt Firmenchef Michael Stoschek, selbst 55 Jahre alt.

SZ: Herr Stoschek, hat jetzt die Jugend ausgedient?

Stoschek: Um Gottes willen! Wir haben uns mit dieser Anzeige gezielt an erfahrene Mitarbeiter gewandt, weil wir in den vergangenen Jahren verstärkt Hochschulabsolventen und junge Leute eingestellt haben. Um die gesunde Mischung zu erreichen, brauchen wir jetzt eine Reihe erfahrener Leute. Aber gegen die Jugend haben wir nichts, ganz im Gegenteil.

SZ: Wie viele Leute haben sich denn beworben?

Stoschek: Es haben sich mehr als 500 Bewerber gemeldet.

SZ: Und wie alt waren die?

Stoschek: Da haben sich auch viele beworben, die erst 30 sind. Offensichtlich fühlen sich auch die schon vom Wort "Senior" angesprochen.

SZ: In der Anzeige gelten als "Senioren" Leute ab 45 ...

Stoschek: Man darf das alles nicht so ernst sehen. Zwei Drittel der Bewerber waren unter 45.

SZ: Gibt es auch eine Obergrenze?

Stoschek: Nein. Jemanden einzustellen, der 64 Jahre alt ist und nur noch ein Jahr arbeitet, das ist wahrscheinlich nicht realistisch. Aber für drei, vier Jahre etwa, in einem abgeschlossenen Projekt, das ist durchaus vorstellbar.

SZ: Was versprechen Sie sich von den Älteren?

Stoschek: Einfach die Erfahrung. Ich selbst habe mit 23 Jahren angefangen und die Leitung eines Betriebes übernommen. Man hat bestimmt in der Jugend eine Reihe von positiven Eigenschaften, die bestimmte Nachteile ausgleichen. Aber bei Älteren kommt noch die Lebenserfahrung hinzu. Und beides kombiniert ist wahrscheinlich das Optimum.

SZ: Haben Sie Angst, dass Sie junge Mitarbeiter demotivieren - wenn die jetzt zusehen müssen, wie die "Senioren" lukrative Jobs bekommen?

Stoschek: Nein, das glaube und hoffe ich nicht. Einfach deshalb, weil die erfahrenen Mitarbeiter uns logischerweise nur für eine begrenzte Zeit zur Verfügung stehen werden. Wir haben im Moment so viele Führungsfunktionen zu vergeben, dass kein Nachwuchsmann deswegen auf Karriere verzichten muss. Aber wir brauchen diese Ergänzung um Führungswissen und Routine. Wenn wir im Ausland neue Werke aufbauen wollen, können wir das nicht nur mit Willen machen. Da muss man wissen, wie man zum Beispiel in Kanada mit Gewerkschaften umgeht. Ehrgeiz allein reicht da nicht.

SZ: Kommt da eine allgemeine Renaissance der "Senioren" auf uns zu?

Stoschek: Ich weiß es nicht. Aber das Medienecho geht schon in die Richtung. Wir haben da vielleicht einen kleinen Anstoß geliefert, dass man sich etwas mehr Mühe gibt, differenziert mit dem Thema Alter umzugehen. Es gibt langweilige 30-Jährige, und es gibt 60-Jährige, die sind topfit. Vielleicht haben die Personalchefs in den vergangenen Jahren doch zu pauschal Bewerbungen beiseite gelegt, wenn die Bewerber über 45 waren - ohne sich mit dem Menschen zu befassen. Man muss sich den Typ angucken, nicht den Geburtsjahrgang.

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