Interview:"Die Arbeit ist sehr anspruchsvoll."

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Ein Interview mit der Juristin Christina Möller, die am Jugoslawien-Tribunal arbeitet.

Interview: Nicola Holzapfel

sueddeutsche.de: Wie kommt man zu einem Job am Jugoslawien-Tribunal?

Möller: Ich habe mich auf eine Stellen-Ausschreibung auf der Webseite des Tribunals beworben. Nach der schriftlichen Bewerbung hat eine Auswahlkommission in einem Telefon-Interview meine Qualifikation überprüft. Das ganze Bewerbungsverfahren hat fast ein halbes Jahr gedauert.

sueddeutsche.de: Wie viele Mitbewerber hatten Sie?

Möller: 800 aus der ganzen Welt. Es ist also auch eine Spur von Glück dabei, bei so vielen Kandidaten ein internationales Rekrutierungsverfahren erfolgreich zu durchlaufen.

sueddeutsche.de: Was muss ein Bewerber denn an Voraussetzungen mitbringen?

Möller: Fremdsprachenkenntnisse sind ganz essenziell, Schulkenntnisse reichen hier in keinem Fall aus. Je nachdem in welcher Position man arbeitet, kommt man mit sehr guten Kenntnissen in einer der beiden Amtssprachen zurecht. Grundkenntnisse in der anderen Sprache sind allerdings von Vorteil.

Daneben ist für meinen Tätigkeitsbereich juristisch eine strafrechtliche oder eine völkerrechtliche Spezialisierung nötig. Die meisten meiner Kollegen haben außerdem vielfältige Auslandserfahrung. Und viele haben mehrere Studienabschlüsse aus verschiedenen Rechtssystemen, zum Beispiel durch ein Master-Studium. Eine Promotion ist sicherlich auch von Vorteil. Einschlägige Berufserfahrung ist für alle Positionen relevant.

sueddeutsche.de: Und was machen Sie jetzt am Tribunal?

Möller: Ich berate und unterstütze den Vorsitzenden Richter der ersten Strafkammer des Tribunals als so genannter Associate Legal Officer. Ich nehme unter anderem an Gerichtssitzungen teil, entwerfe Entscheidungen und Urteile, organisiere Besprechungen und helfe bei der Dokumentation und Auswertung der Beweismittel.

sueddeutsche.de: Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit am besten?

Möller: Ich finde es ungeheuer reizvoll, mit Kollegen aus allen Rechtssystemen und Kulturen der Welt zusammenzuarbeiten. Die Arbeit an sich ist immer abwechslungsreich und auch sehr anspruchsvoll. Mir ist den zweieinhalb Jahren, die ich hier bin, noch nie langweilig gewesen.

sueddeutsche.de: Und gibt es auch Nachteile?

Möller: Die direkte Arbeit an den Fällen kann emotional recht belastend sein. Wir hören tagein tagaus traurige und oftmals auch sehr grausame persönliche Erlebnisse von Opfern und Zeugen. Jeder muss für sich einen gewissen Mechanismus finden, um abends abschalten zu können.

Am Anfang war für mich die schwerfällige Bürokratie am Tribunal gewöhnungsbedürftig. Manche Kollegen stört auch die berufliche Unsicherheit, da es nur befristete Stellen gibt.

sueddeutsche.de: Lohnt sich der Job finanziell?

Möller: Ja, die Bezahlung ist attraktiv. Für die meisten deutschen Juristen ist die Arbeit am Tribunal finanziell interessant. Auch wenn sie langfristig nicht die Verdienstmöglichkeiten einer internationalen Großkanzlei bieten kann.

sueddeutsche.de: Haben Sie einen Tipp für junge Leute, die sich für einen Job im internationalen Dienst interessieren?

Möller: Ich rate ihnen, sich so früh wie möglich sehr gute Sprachkenntnisse anzueignen, insbesondere in Englisch und Französisch, aber auch in anderen offiziellen Sprachen der Vereinten Nationen. Auch internationale Erfahrung durch Auslandsaufenthalte, Sprachreisen und insbesondere Praktika ist wichtig.

Berufsanfänger sollten sich aber nicht darauf versteifen, sofort in einer internationalen Organisation einzusteigen: Der weltweite Andrang auf die Stellen ist enorm groß und das Bewerbungsverfahren einfach sehr unberechenbar. Wer es wirklich schaffen will, muss hartnäckig sein, sich stetig weiterqualifizieren und immer wieder bewerben.

Dr. Christina Möller ist Rechtsanwältin und arbeitet seit zweieinhalb Jahren als Associate Legal Officer in den Strafkammern des UN Kriegsverbrecher-Tribunals für das ehemalige Jugoslawien.

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