Insolvenzen:"Dann wird das Unternehmen liquidiert"

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Zu hohe Fremdkapitalquote, fehlerhaftes Management: Ein Interview über Ursachen von Firmenpleiten.

Interview: Florian Tempel

4289 Unternehmen mussten im vergangenen Jahr in Bayern aufgeben. Seit langer Zeit war dies der erste Rückgang bei der Zahl der Insolvenzen. Tim Frederik Gätcke, Fachanwalt für Insolvenzrecht und Insolvenzverwalter, muss sich aber keine Sorgen über zu wenig Arbeit machen.

Tim Frederik Gätcke, Fachanwalt für Insolvenzrecht. (Foto: Foto: Florian Tempel)

SZ: Was ist die häufigste Ursache für eine Firmenpleite?

Gätcke: Es gibt zwei Hauptursachen. Oft ist eine zu hohe Fremdkapitalquote vorhanden, um eine Phase mit Ertragsrückgängen durchzustehen. Die Kredite müssen in solchen Zeiten trotzdem bedient werden. Des weiteren sind die Banken bei der Kreditvergabe wesentlich vorsichtiger geworden. Die Kreditlinie wird oft nicht mehr erhöht. Vielmehr erfolgt eine Kündigung der bestehenden Kredite, das löst eine sofortige Zahlungsunfähigkeit aus. Die Insolvenz lässt sich dann meistens nicht mehr vermeiden.

SZ: Und was ist die zweite Hauptursache?

Gätcke: Fehlerhaftes Management. Einige Unternehmer tätigen in der Gründungsphase oder in Zeiten von guten Geschäften kostspielige, zum Teil Luxus-Investitionen, statt Rücklagen zu bilden. Ein anderer Fall sind zum Beispiel Handwerker, denen die Sache einfach über den Kopf wächst. Ein Kfz-Meister ist ein Kfz-Meister und hat nicht unbedingt im geschäftlichen Bereich seine Stärken. Hier wird oft an der falschen Stelle, zum Beispiel am Steuerberater gespart.

SZ: Wann muss ein Unternehmen Insolvenz anmelden?

Gätcke: Ein Insolvenzantrag muss bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit gestellt werden. Er kann auch bei drohender Zahlungsunfähigkeit eingereicht werden, muss aber nicht. Das Antragsrecht hat die Geschäftsleitung, aber auch jeder Gläubiger. Nicht selten stellen das Finanzamt oder Sozialversicherungsträger den Antrag. Die Behörden haben dabei den Vorteil, dass sie Vollstreckungsbescheide selber ausstellen können.

SZ: Wie läuft ein Insolvenzverfahren ab?

Gätcke: Zunächst wird ein Sachverständiger beauftragt, ein Gutachten zu erstellen. In dem Gutachten wird festgestellt, ob ein Insolvenzgrund vorliegt. Es wird zudem geprüft, ob genügend Masse vorhanden ist, um die Kosten eines Insolvenzverfahrens zu decken. Sofern dies der Fall ist, wird das Verfahren eröffnet. Im Rahmen des Gutachtens wird aber auch untersucht, ob das Unternehmen sanierungsfähig ist. Nach der Insolvenzordnung gilt Sanierung vor Zerschlagung.

SZ: Wenn nichts mehr zu retten ist?

Gätcke: Dann wird das Unternehmen liquidiert. Der Geschäftsbetrieb wird still gelegt, die Mitarbeiter werden gekündigt und alle vorhandenen Werte, wie zum Beispiel Gerätschaften, verkauft. Der Verwertungserlös wird vom Insolvenzverwalter auf einem Anderkonto verwaltet.

SZ: Und wann kriegen die Gläubiger ihr Geld?

Gätcke: Ist alles verwertet und die angemeldeten Gläubigerforderungen geprüft, gibt es den Schlusstermin. Der Verwalter hat die Schlussrechnung zu legen und einen Schlussbericht zu verfassen. In dem Schlussbericht werden sämtliche Schritte der Liquidation dargestellt. Nach Abzug der Gerichtskosten und der Verwaltervergütung wird der Verwertungserlös, die Masse, quotal an die Gläubiger verteilt. Und ganz zum Schluss wird das Unternehmen von Amts wegen gelöscht.

© SZ vom 5.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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