Informatik-Studium:"Für Frauen ist Technik nie Selbstzweck"

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Im Frauenstudiengang Informatik an der Hochschule Bremen sind die Studentinnen unter sich. Was das bringt.

An der Hochschule Bremen gibt es einen Informatik-Studiengang, der ausschließlich Frauen aufnimmt. Professorin Gerlinde Schreiber erklärt, warum Männer draußen bleiben müssen.

Gerlinde Schreiber wünscht sich mehr Informatikerinnen. (Foto: Foto: oh)

SZ: Was soll das Studium für Frauen?

Schreiber: Die Frauenquote in Informatik-Studiengängen liegt in Deutschland bei gut zehn Prozent. In Spanien, Italien und Skandinavien ist der Anteil viel höher. Das lässt vermuten, dass die geringe Frauenbeteiligung bei uns an der Wahrnehmung der Informatik in unserer Gesellschaft liegt. Dazu kommt, dass Mädchen und Jungen verschieden mit Computern umgehen. Mädchen nutzen sie zwar, aber sie kommen eher nicht auf die Idee, einen PC aufzuschrauben. Jungs verbringen in ihrer Freizeit auch mehr Zeit mit Computerspielen. Das gibt ihnen das Gefühl, mit neuer Technologie mühelos umgehen zu können. Sie ziehen daraus ein höheres Selbstbewusstsein und den Wunsch, Computer mitgestalten zu wollen. Mädchen gewinnen dadurch den Eindruck, dass die Jungen besser sind, und trauen sich dann nicht, es beruflich mit der Informatik zu versuchen.

SZ: Und das lässt sich mit Ihrem Angebot ändern?

Schreiber: Die Idee ist, die Scheu abzubauen und den Studentinnen die Möglichkeit zu geben, Selbstbewusstsein aufzubauen. Es gibt einen abgehobenen Begriff, der die Sache sehr gut trifft und zwar die "institutionalisierte Inkompetenzerwartung". Ein Mädchen, das erzählt, es wolle Informatikerin werden, erntet häufig Reaktionen wie: "Wirklich? Das wird aber hart."

SZ: Und was machen Sie anders als bei anderen Informatik-Studiengängen?

Schreiber: Inhaltlich passiert das Gleiche. Aber die Verpackung ist manchmal anders. Für Frauen ist Technik nie Selbstzweck. Wir argumentieren mehr von der Anwendung aus, beginnen ein Thema also mit der Frage: Wozu ist es gut? Außerdem arbeiten wir viel interdisziplinär. Wir wollen vermitteln, dass die Kommunikation im Team und mit Nutzern und Auftraggebern sehr wichtig ist. Und das auch international: Ein Auslandssemester ist Pflicht. Den Studentinnen ist es oft gar nicht so lieb, dass sie in einem reinen Frauen-Studiengang studieren. Was sie aber schätzen, ist die offene Diskussionsatmosphäre.

SZ: Ist der Lehrkörper rein weiblich?

Schreiber: Nein, es gibt männliche Dozenten. Es ist auch nur das Grundstudium monoedukativ. Nach der Zwischenprüfung besuchen die Studentinnen zusammen mit männlichen Kommilitonen Vorlesungen und Seminare. Das halte ich auch für ganz wichtig als Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt. Im Berufsleben gibt es ja auch männliche Kollegen.

SZ: Wie sind Sie selbst zur Informatik gekommen?

Schreiber: Ich habe zu einer Zeit studiert, als die Informatik-Studiengänge die höchsten Frauenquoten hatten. Ende der siebziger Jahre lag der Frauenanteil bei 20 Prozent. Damals hatte die Informatik noch nicht so ein festgelegtes Bild wie heute. Das Studium schien das Richtige für Leute, die logisch denken und das anwenden wollen. Es war eine viel spielerische Herangehensweise. Auch die Jobaussichten waren damals noch unklar.

SZ: Was würden Sie Frauen für ihre Studienwahl mit auf den Weg geben?

Schreiber: Es sollten sich mehr Frauen trauen, Informatik zu studieren. Sie sollten sich bei der Studienentscheidung nicht fragen: Kann ich das aufgrund meiner Vorkenntnisse? Sondern: Hätte ich Lust dazu, Informatik-Systeme zu gestalten? Wenn sie das bejahen, es sich aber nicht zutrauen, kann ein Frauenstudiengang der richtige Weg sein.

© Interview: Nicola Holzapfel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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