Hochschulzugang:Der Kampf um die Quote

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Soziologen und Anglisten an den Münchner Hochschulen setzen neuerdings auf Eignungstests.

Von Martin Thurau

Wer sich als Abiturient bis zur Homepage der Soziologen an der Universität München (LMU) durchklickt, ist schon einmal vorgewarnt: "Wichtig für StudienanfängerInnen", steht dort an prominenter Stelle und mit einem Rahmen versehen, "ab Wintersemester 2004/05 gibt es ein Eignungsfeststellungsverfahren" für das Soziologiestudium. "Wir ziehen die Notbremse", sagt Stephan Hirschauer offen. Das Fach habe eine verheerend hohe Abbrecherquote, ein großer Teil der Anfänger schaffe es nicht bis zum Diplom. Gleichzeitig wachsen die Studentengenerationen in den kommenden Jahren weiter an, Stellen für das Lehrpersonal dagegen werden gekürzt. Da seien die geplanten Eingangsprüfungen ein Versuch, das Ungleichgewicht wenigstens etwas zu kompensieren, meint der Soziologie-Professor an der LMU.

"Andere werden folgen"

Mit diesem Vorstoß steht das Institut nicht allein. Kannte man ein solches Auswahlverfahren allerdings bisher vom ehemaligen Boomfach Informatik sowie anderen technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen, erreicht es nun auch die Massenfächer in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften. Die Anglisten an der LMU führen zum Winter ebenfalls Bewerbertests ein. Auch andere Disziplinen wie die Amerikanistik prüfen einen solchen Schritt. Hirschauer gibt sich sicher: "Andere werden folgen." Zumal sich die Situation für die Lehre an den chronisch unterfinanzierten Hochschulen nicht zuletzt wegen der Kürzungsbeschlüsse der Staatsregierung dramatisch zugespitzt hat; einige Institute, so der Soziologe, seien schlicht nicht mehr arbeitsfähig.

Mit den Eignungstests hoffen Hirschauer und seine Kollegen, die hohe Abbrecherquote in den Griff zu bekommen, die zum Teil wiederum mit den schlechten Studienbedingungen im Massenfach Soziologie zusammenhängt: Derzeit kommen rund 400 Studenten auf einen Professor, Eingangsvorlesungen mit 300 Hörern seien die Regel und für Seminare meldeten sich oft mehr als 100 Teilnehmer an. Viele geben die Massenausbildung entnervt auf - nicht nur die mutmaßlichen Parkstudenten, die sich ohnehin nicht auf einen Soziologie-Abschluss kaprizieren. So mancher beginne das Studium auch mit einem völlig falschen Bild von den Inhalten. Und ein Teil gebe das Studium dran, weil er an mangelnder Eignung oder an spezifischen Anforderungen des Faches scheitere.

Der jetzt geplante Eingangstest, so Hirschauer, habe den "besonderen Charme", dass er die "notwendige Selektion" vor das Studium verlege. So werde nicht "wertvolle Studienzeit verschwendet". Anders als eine pure Zulassungsbeschränkung nach Abiturnote (Numerus clausus) habe der Eignungstest eben eine "gewisse Zielgenauigkeit" und erlaube eine qualitative Beurteilung. Die Technische Universität (TU) München, die bereits eine breite Erfahrung mit solchen Tests in Natur- und Ingenieurswissenschaften vorweisen kann, spricht von deutlichen Erfolgen: Die Abbrecherquoten seien durchweg gesunken, die Motivation der Studenten sei deutlich besser.

Keine sanfte Option

Auch die Anglisten setzen auf die Tauglichkeit von Tests. Rund 40 Prozent der Studienanfänger geben innerhalb des ersten Jahres auf - zu einem großen Teil genau jene, die auch in Sprachtests schlecht abschneiden, die das Institut bislang zur Einstufung schreiben lässt, berichtet der Literaturwissenschaftler Christoph Bode. Die Anglistik gelte vielen fälschlicherweise als "Soft Option". Die Eingangsprüfung solle verhindern, dass "Ressourcen und Lebenszeit verschwendet" werden, und helfen, die richtigen Studenten für die Anglistik zu finden. Die Bewerber für das Wintersemester müssen sich bis zum 15. Juli, so Bode, zu einem "avancierten Sprachtest" anmelden, mit dem sich Sprachfähigkeit, Grammatik und Kenntnisse in der Landeskunde prüfen ließen. Für das Abschneiden im Eignungsfeststellungsverfahren zählt zur Hälfte freilich der Abiturdurchschnitt.

Die Soziologen lassen ihre Bewerber eine Eingangsklausur schreiben. Ursprünglich wollten sie stattdessen lediglich ein ausführliches Bewerbungsschreiben, das Auskunft gibt über Motivation, ein Faible für soziologische Fragen und den sprachlichen Ausdruck, zur Bewertung heranziehen. Doch nun müssen alle Kandidaten, so die juristische Auflage, zu einer Prüfung kommen - ob sie nun in Wasserburg oder Warschau zu Hause sind. Das werde Bewerber aus dem Ausland abschrecken, meint Hirschauer, eine "völlig absurde Situation", angesichts einer angestrebten Internationalisierung der Hochschulen.

Auch die Juristen leiden nicht eben unter geringer Auslastung ihres Faches, zumal von 2007 an ein Teil der Abschlussprüfungen an der Universität läuft. Doch haben sie sich vorerst gegen die Eignungstests entschieden, wegen des Aufwandes und einer gewissen Unkalkulierbarkeit. "Mehr als 648 Plätze haben wir nicht", sagt Studiendekan Ulrich Schroth. Und die vergeben die Rechtswissenschaftler unter den schätzungsweise 2000 Bewerbern - per Numerus clausus.

© SZ vom 9.6.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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