Hochschulreform:Baustelle Bachelor

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Die Hochschulen stellen einen Studiengang nach dem anderen auf Bachelor und Master um. Doch viele Studierende und Arbeitgeber können die neuen Abschlüsse noch immer nicht richtig einschätzen.

Berit Schmiedendorf

Britta Schmitz war 23, als sie vor vier Jahren als eine der ersten Bachelor-Absolventinnen in Deutschland einen festen Job suchte. Ihre Ausbildung an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf kannte damals kaum jemand. Sie hatte Soziologie, Politologie, Medien- und Kommunikationswissenschaften studiert - und mit eben jenem Bachelor abgeschlossen, den bis vor wenigen Jahren die meisten Deutschen noch nicht einmal richtig aussprechen konnten.

Mehr als 10.000 Studiengänge sind schon auf Bachelor- und Master umgestellt. (Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Trotzdem wurde Britta Schmitz zum Vorstellungsgespräch beim FraunhoferInstitut für Software- und Systemtechnik (ISST) in Dortmund geladen."Auch dort wusste keiner, was ein Bachelor ist", sagt sie, "doch was meine drei Gesprächspartner noch erschreckender fanden: Ich war so jung."

Britta Schmitz konnte die Bedenken der Fraunhofer-Mitarbeiter zerstreuen und bekam den Job. Noch heute arbeitet sie als Referentin am ISST. Sie schreibt Meldungen über die elektronische Gesundheitskarte, organisiert Workshops für IT-Chefs und entwickelt PR-Strategien für ihren Arbeitgeber. "Als ich in dem Job anfing, sagte mir der Begriff Systemtechnik überhaupt nichts", gibt sie zu. Überhaupt war ihr die Terminologie ihrer Kollegen - die meisten sind Informatiker - fremd. Auch einen Teil ihrer Arbeitsbereiche musste sie sich durch learning by doing aneignen: "Vieles von dem, was ich hier mache, habe ich nicht im Studium gelernt - Messen und Veranstaltungen vorzubereiten zum Beispiel." Ob es ihr mit einem Diplom in der Tasche anders ergangen wäre? Wohl kaum.

Noch ist wenig bekannt darüber, ob alle Bachelor-Absolventen, die nicht wie die Mehrheit gleich den Master an ihren ersten Abschluss dranhängen, so zügig eine Stelle finden wie Britta Schmitz. "Wir machen gerade eine erste Verbleibsstudie", sagt Michael Baurmann, Soziologie-Professor in Düsseldorf und für den neuen Abschluss verantwortlich. Doch tiefer gehende Erkenntnisse wird man von dieser Untersuchung nicht erwarten dürfen: "Für eine Studie über drei oder vier Jahre fehlt uns das Geld."

Auch die Hochschulrektorenkonferenz kann nicht mit exakteren Informationen aufwarten: "Wegen der bisher geringen Absolventenzahlen können noch keine belastbaren Aussagen über Zielpositionen und Aufstiegsmöglichkeiten von Bachelor- und Master-Absolventen getroffen werden", heißt es dort lapidar. Dabei wäre es so wichtig zu wissen, wie der Bachelor in der Wirtschaft ankommt. Schließlich müssen Jahr für Jahr Studienanfänger entscheiden, welchen Abschluss sie anstreben sollen. Und dafür ist es allemal relevant, was aussichtsreicher ist - die traditionellen Auslaufmodelle Magister und Diplom oder der neue Bachelor, vielleicht mit einem Master im Anschluss?

Die Unsicherheit der Studienanfänger lässt sich zahlenmäßig erfassen: Mehr als die Hälfte derjenigen, die im Wintersemester 2004/05 ein Studium begonnen haben, hat den Bachelor bei der Wahl nicht in Betracht gezogen. Einen wichtigen Grund für diese Entscheidung sieht auch das Hochschul-Informations-System (HIS) in Hannover darin, dass Erstimmatrikulierte damit rechnen müssten, als künftige Bachelors auf einen schwer einzuschätzenden Arbeitsmarkt zu treffen.

Karrierekiller nennen Gegner der Studienreform den Bachelor. Doch was immer deutsche Personalchefs oder manche Hochschullehrer von den neuen Abschlüssen halten: Wir sind mitten drin im Bologna-Prozess. Mehr als ein Drittel der 11.186 Studiengänge an deutschen Hochschulen sind bereits umgestellt. Vor allem die Fachhochschulen sind Vorreiter bei der Studienreform; sie bieten bereits überwiegend Bachelor- und Master-Studiengänge an.

Und auch die Fächer, in denen die Studenten bisher mit dem Staatsexamen abschließen, werden sich der Umstellung nicht länger entziehen können - sowohl die Lehrerausbildung als auch das Medizinstudium lassen sich erneuern. In Bochum und Bielefeld beispielsweise streben die Lehramtsstudenten nicht länger dem Staatsexamen entgegen. Nur die Studenten der Rechtswissenschaften werden wohl weiter das mühevolle juristische Staatsexamen absolvieren müssen - eine Sonderklausel im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD macht's möglich.

Und die Ingenieure? An den Universitäten fallen die Ressentiments gegenüber den gestuften Studienabschlüssen erst jetzt, an den Fachhochschulen dagegen können Ingenieurstudenten schon lange den Bachelor machen - in Nürnberg beispielsweise seit sieben Jahren. Christopher Käsbach gehört zum zweiten Jahrgang des Bachelor-Studiengangs in Telekommunikation und Informationstechnologie der Fachhochschule Nürnberg, 2003 hat er seinen Abschluss gemacht. Seine Bachelor-Arbeit schrieb er für den Nürnberger Versandhändler Quelle: Er programmierte ein E-Mail-Verteilungssystem, das in der Lage ist, den Inhalt der Mail kognitiv zu erfassen und an die richtige Stelle weiterzuleiten. Das System ist heute noch im Einsatz.

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Christopher Käsbach beschäftigt sich längst mit etwas anderem: Er arbeitet in Forchheim für die Siemens-Sparte Medical Solutions. Dort ist er Projektleiter in der Abteilung Computertomographie. Der 26-Jährige ist für die Materialbeschaffung, den Zusammenbau und die Installation von Dual-Source-CTs zuständig, das sind Computertomographen, die - anders als die herkömmlichen Geräte - mit zwei Röhren bestückt sind und ein genaueres Arbeiten ermöglichen. "Ich kümmere mich darum, dass zu dem jeweils festgesetzten Termin alle Daten vorhanden sind", sagt er. "Ich habe also, oder besser gesagt: Ich sollte den Gesamtüberblick haben."

Was er heute tut, sei dem fremd, was er ursprünglich gelernt habe, sagt Christopher Käsbach. Um sich fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse anzueignen, hat er deshalb mit Unterstützung seines Arbeitgebers im Januar ein 15.000 Euro teures berufsbegleitendes MBA-Studium in Health Care Management an der Uni Bayreuth begonnen. Im Gegenzug hat Käsbach sich verpflichtet, nach dem Studium mindestens weitere zwei Jahre bei Siemens zu bleiben.

Auch Britta Schmitz büffelt mal wieder: Ebenfalls parallel zur Arbeit erwirbt sie per Fernstudium in Heidelberg den Titel "PR-Beraterin". Schon nächsten Monat ist Abschlussprüfung. Dann ist Britta Schmitz 26 Jahre alt, hat zwei Abschlüsse in der Tasche und mehrere Jahre Berufserfahrung. Magister- und Diplom-Absolventen sehen da durchaus im Wortsinn ganz schön alt aus.

© SZ vom 22.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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