Hochschulen:"Wir brauchen keine Elite-Unis"

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Die Universitäten im Osten drohen abgehängt zu werden. Deshalb betreibt das Land Sachsen nun eine eigene Exzellenzinitiative. Sachsens Ministerin Eva-Maria Stange fordert einen Neuanfang.

Birgit Taffertshofer

Die Exzellenzinitiative hat Schwung in die Forschung an den Universitäten gebracht. Knapp zwei Milliarden Euro lassen es sich Bund und Länder kosten, die besten Hochschulen zu fördern. Doch die Universitäten im Osten drohen dabei auf Dauer abgehängt zu werden. Deshalb betreibt das Land Sachsen nun eine eigene Exzellenzinitiative. Dresdens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) verlangt außerdem eine grundlegende Reform des bundesweiten Wettbewerbs.

(Foto: Foto: oH)

SZ: Frau Stange, Sie haben eine Exzellenzinitiative für Sachsens Hochschulen gestartet. Ist das nun der Elite-Wettbewerb für die Chancenlosen im Osten?

Eva-Maria Stange: Wir wollen für unsere Universitäten eine bessere Ausgangsbasis schaffen, sollte die bundesweite Exzellenzinitiative im Jahr 2011 fortgesetzt werden. Der Abstand zu den westdeutschen Hochschulen darf für sie nicht uneinholbar werden.

SZ: Wie viel Geld wird Sachsen in die Spitzenforschung investieren?

Stange: Die Hochschulen erhalten zwischen 2008 und 2013 insgesamt 160 Millionen Euro. Es sollen fünf bis sechs herausragende Forschungsbereiche an unseren Universitäten gefördert werden.

SZ: Im Osten gibt es bisher keine einzige Elite-Uni. Finden Sie das ungerecht?

Stange: Die Exzellenzinitiative ist für den Osten zu früh gekommen, das ist das eine. Zum anderen waren die Kriterien des Wettbewerbs aber in der Tat ungerecht angelegt. Zumindest was die Auswahl der Elite-Universitäten betrifft. Bei den neun prämierten Zukunftskonzepten dieser Hochschulen spielte vor allem der Status quo ein Rolle, nicht aber die Entwicklungsdynamik einer Universität. Die ostdeutschen Hochschulen hatten dadurch klar einen Nachteil, das hat die bisherige Auswertung des Exzellenz-Wettbewerbs gezeigt.

SZ: Was hat diese Auswertung konkret ergeben?

Stange: Zum Beispiel stellte sich heraus, dass sich die Technische Universität Dresden in den letzten 17 Jahren enorm dynamisch entwickelt hat - nicht vergleichbar mit irgend einer anderen Universität in der gesamten Bundesrepublik. Dennoch konnte die TU Dresden noch nicht so große Summen an Drittmitteln einwerben wie etwa eine Münchner Universität. Nur Letzteres zählte aber bei der Auswahl der besten Zukunftskonzepte der Elite-Hochschulen.

SZ: Muss es beim Elite-Wettbewerb also doch Bonuspunkte für bestimmte Universitäten im Osten geben?

Stange: Wenn man die Entwicklungsdynamik von Universitäten als Kriterium im Wettbewerb berücksichtigt, hat das nichts mit einem Ost-Bonus zu tun. Wir wollen ganz bewusst keine Sonderbehandlung in der Exzellenzinitiative.

SZ: Soll es in drei Jahren eine Fortsetzung der Exzellenzinitiative geben, müssen die ostdeutschen Länder zustimmen. Welche Korrekturen fordern Sie?

Stange: Ich werde die Förderung von Zukunftskonzepten ganzer Universitäten nicht mehr unterstützen. Wir brauchen in Deutschland keine Elite-Unis.

SZ: Sie wollen die Leuchttürme der Wissenschaft wieder einreißen? Aber gerade die Elite-Universitäten haben doch viel Aufmerksamkeit erzeugt und Spitzenforscher aus aller Welt nach Deutschland gelockt.

Stange: Die Kür der neun Elite-Universitäten hat einen ungeheuren Wissenschaftler-Sog ausgelöst, das stimmt. Allerdings nicht nur auf internationaler Ebene, sondern auch auf nationaler. Und das schadete der deutschen Forschung in der Breite.

SZ: Inwiefern schadet das?

Stange: Gerade jene Universitäten, die schon an der Schwelle zur Exzellenz standen, erleben einen herben Rückschlag. Hier in Sachsen laufen den Universitäten reihenweise die guten Wissenschaftler davon, weil sie dem Ruf einer Elite-Uni folgen. Das ist ein völlig logischer Effekt, aber damit wird eine gut entwickelte Forschungslandschaft ausgehöhlt. Das frustriert nicht nur die Hochschulen, sondern auch Forschungseinrichtungen wie die Max-Planck-Institute.

SZ: Manche Experten sehen die Universitäten im Osten ohnehin mehr in der Rolle einer Regional-Uni, die vor allem für Studenten attraktiv sein muss.

Stange: Diese Entwicklung wäre fatal, denn die Forschung an den Hochschulen ist der Innovationsmotor für unsere Wirtschaft. Wenn der Osten in den nächsten Jahren aus der Förderpolitik herauskommen und sich auf eigene Füße stellen soll, dann brauchen wir eine international anerkannte, exzellente Forschung. Nur dann siedeln sich Unternehmen an.

SZ: Wie müsste eine Neuauflage der Exzellenzinitiative aussehen?

Stange: Statt Elite-Universitäten müssen wir Spitzenforschung fördern. Es ist doch sinnvoller, starke Forschungsbereiche zu unterstützen, nicht ganze Universitäten. Ich schlage deshalb vor, nur die beiden ersten Förderlinien der Exzellenzinitiative zu erhalten. Wir sollten künftig also nur noch Forschungsprojekte, die sogenannten Exzellenzcluster, und die Graduiertenschulen für den Forschernachwuchs fördern.

SZ: Wird das Geld dann nicht wieder nach dem Gießkannenprinzip verteilt, wenn man nur einzelne Projekte an vielen Universitäten fördert?

Stange: Ein wissenschaftlicher Wettbewerb hat nichts mit Gießkanne zu tun. Deutschland hat immer von seiner breit aufgestellten Forschungslandschaft profitiert. Unsere Universitäten sind auch ohne Elite-Titel attraktiv für ausländische Spitzenforscher, wenn wir herausragende Forschungsgebiete vorweisen und diese stärker gefördert und damit besser ausgestaltet werden.

SZ: Unterstützen Ihre Kollegen aus dem Osten diesen Vorschlag?

Stange: Die Gespräche laufen noch, aber wir werden uns in den nächsten Monaten ganz schnell eine gemeinsame Meinung bilden. Zunächst wollen wir noch abwarten, was die endgültige Auswertung der Exzellenzinitiative ergibt. Der Wissenschaftsrat trägt derzeit zusammen, was der Elite-Wettbewerb in den geförderten, aber auch in den nicht geförderten Universitäten bewirkte.

© SZ vom 25.2.2008/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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