Hochschulen:Sparen in Zeiten großen Andrangs

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Die Mittelkürzungen treffen die deutschen Universitäten zu einer ungünstigen Zeit: Noch nie gab es so viele Studenten.

Von Jeanne Rubner

Noch nie gab es so viele Studenten, und noch nie mussten die Universitäten so sehr sparen. Im Wintersemester hat die Zahl der an deutschen Hochschulen Eingeschriebenen die Zwei-Millionen-Marke überschritten, zugleich haben die Finanzminister zahlreicher Länder und der Bund den Universitäten eine Rosskur verordnet.

Bis zum Jahr 1999 stagnierte die Zahl der Studienanfänger, weshalb auch die Zahl der Studenten zurückging. Seitdem hält jedoch der Trend zum Studium an. In Bayern haben sich 6,5 Prozent mehr Anfänger immatrikuliert, in Hessen sogar 9,6 Prozent. Im Bundesdurchschnitt dürfte die Zahl der Studenten, die das Statistische Bundesamt am heutigen Donnerstag offiziell bekannt gibt, um drei bis vier Prozent gestiegen sein.

Drei Gründe gibt es dafür: Erstens nimmt die Zahl der 18- bis 20-Jährigen immer noch zu; in dieser Altersgruppe gab es mit 951.000 (2001) über 100.000 Personen mehr als noch 1995. Zweitens steigt die Zahl der Abiturienten. Insgesamt 361.000 junge Leute zwischen 18 und 20 Jahren erwarben 2002 mit Abitur oder Fachabitur die Zugangsberechtigung zu einer Hochschule; das sind 38,2 Prozent dieser Altersgruppe. 1995 waren es erst 36,4 Prozent. Zwar studieren nur etwa 70 Prozent der Berechtigten. Insgesamt aber liegt inzwischen die Quote der 19- bis 24-Jährigen, die ein Studium aufnehmen, bei 37 Prozent. Das kommt den 40 Prozent nahe, welche die SPD bei ihrem Bochumer Parteitag als Ziel beschlossen hat. Auch das ist im internationalen Vergleich noch wenig; im Durchschnitt der OECD-Länder nimmt fast jeder Zweite ein Studium auf.

Werbung wirkt

Drittens schließlich steigt die Neigung der jungen Leute zu studieren. Das liegt vor allem am Arbeitsmarkt, sagt Christoph Heine vom Hochschul-Informationssystem in Hannover (HIS). Abgesehen von der momentanen Abkühlung werden seit Jahren wieder Akademiker gesucht, und das dürfte auch in den nächsten Jahren so bleiben. Vor allem Naturwissenschaftler und Ingenieure sind gefragt. In diesen Fächern steigen die Studentenzahlen rasant an, nachdem sie Anfang der neunziger Jahre stark rückläufig waren. "Die Werbung der Kultusminister und der Arbeitgeberverbände wirkt sich offenbar aus", sagt Heine. Zudem würden weniger Lehrstellen angeboten, was auch viele Abiturienten an die Hochschulen treibt. Schließlich wirkt sich die Bafög-Reform der rot-grünen Regierung aus, mit der Kreis der Leistungsberechtigten ausgeweitet wurde.

Die geplanten Kürzungen an den Unis kommen mithin zu einer ungünstigen Zeit, denn die Hochschulen sind seit der Bildungsexpansion in den siebziger Jahren kaum erweitert worden. Immer mehr Studenten müssen sich einen Professor teilen: Im Jahr 2001 waren es noch 55,9, inzwischen sind es 58,2.

Die Mittelstreichungen der Länder, aber auch des Bundes, der 2004 die Ausgaben für Hochschulbauten um fast 13 Prozent auf 925 Millionen Euro absenken will, stoßen deshalb auf heftige Kritik bei der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Die Kürzungen gefährdeten die Innovations- und Wirtschaftskraft Deutschlands, sagte HRK-Präsident Peter Gaethgens. Er fordert allerdings auch Studiengebühren. Der Staat müsse zwar die wesentliche Verantwortung für die Hochschulen übernehmen, doch ein privater Beitrag der Studenten müsse diskutiert werden.

© SZ vom 4.12.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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