Hochschule:Streitfall Frauenquote

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Nur wenige Frauen bleiben nach dem Examen in der Wissenschaft. Gerade mal 13 Prozent aller deutschen Professoren sind weiblich - wie ein Mann die Zahl der Akademikerinnen erhöhen will.

MARION SCHMIDT

Quote - finde ich gut, sagt Stefanie Hohn. Dabei hat sie selbst eine Quote nie gebraucht. Und eine Quotenfrau will die Professorin für Öffentliches Marketing an der Fachhochschule Osnabrück erst recht nicht sein.

Viele Frauen kehren der Wissenschaft den Rücken, sobald sie das Examen in der Tasche haben. (Foto: Foto: AP)

Hohn hat promoviert, in einer Werbeagentur und bei einer Softwarefirma gearbeitet, Lehraufträge in Berlin wahrgenommen und es schließlich mit nur 33 Jahren auf einen Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre geschafft. Ohne besondere Bevorzugung, nur wegen ihrer wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen.

Dennoch sagt sie heute, sieben Jahre später: "Es braucht solche Regelungen, damit Frauen überhaupt eine Chance bekommen, sich zu bewähren".

Die Quotenfrau gilt als zweite Liga

Quote - nein, danke, sagt dagegen Gisela Anton, Professorin für Elementarphysik an der Universität Erlangen-Nürnberg. Sie lehnt eine geregelte Bevorzugung für Frauen in der Wissenschaft "rundweg ab".

Die angesehene Wissenschaftler, die unter anderem mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ausgezeichnet wurde, ist eine von ganz wenigen Professorinnen in ihrem Fach. Und sie ist dreifache Mutter.

Für sie würde eine Quote das Leistungsprinzip aufweichen. "Das darf nicht sein", sagt Anton: "Eine Frau, die über eine Quote berufen würde, würde als Zweite Liga gelten und nicht ernst genommen werden - selbst wenn sie hoch qualifiziert ist."

Nur 13 Prozent aller Professoren sind weiblich

So uneins wie die beiden Wissenschaftlerinnen reagiert derzeit die gesamte scientific community hierzulande auf den Vorschlag des scheidenden DFG-Präsidenten Ernst-Ludwig Winnacker, bei der Besetzung von Professuren an den deutschen Hochschulen und bei anderen Leitungspositionen in der hiesigen Wissenschaft eine Frauenquote einzuführen.

In seinem letzten Jahresbericht als oberster Forschungsförderer der Nation hatte Winnacker mit Nachdruck darauf hingewiesen, wie wenige Frauen auf der obersten Stufe der akademischen Karriereleiter stehen.

Nur 13 Prozent aller Professoren in Deutschland sind weiblich - und sogar nur acht Prozent aller Lehrstühle werden von Frauen besetzt.

Kopfschütteln im Ausland

"Wenn wir nicht 40 Prozent oder mehr unseres wissenschaftlichen Potenzials vergeuden wollen, müssen wir etwas tun", sagte Winnacker.

Als Kronzeugen konnte er die ausländischen Wissenschaftler anführen, die bei der Exzellenz-Initiative von Bund und Ländern mehrere Hundert Bewerbungen deutscher Hochschulen begutachtet hatten. Sie hätten, so Winnacker, den Kopf geschüttelt wegen der "Naivität" der Gleichstellungspolitik an deutschen Hochschulen und eine Systemänderung angemahnt.

"Manche Leute glauben noch immer, es reiche, einer Wissenschaftlerin aus DFG-Mitteln ein paar Euro für die Kinderbetreuung zur Verfügung zu stellen", kritisierte Winnacker: ´

Exzellenzwettbewerb zwingt zum Handeln

"Tatsächlich aber helfen nur noch Quotenlösungen." Dem schloss sich auch Winnackers Nachfolger Matthias Kleiner an, der im Januar sein Amt antritt.

Über diese deutlichen Worte, zumal von einem "bei dem Thema völlig unverdächtigen Mann", hat sich Jutta Dalhoff, Leiterin des Kompetenzzentrums Frauen in Wissenschaft und Forschung in Bonn "sehr gefreut".

Durch den Exzellenzwettbewerb seien die Hochschulen gezwungen, Selbstverpflichtungen zur Frauenförderung zu vereinbaren, sonst gebe es kein Geld. "Ohne verbindliche Regelung geht es halt nicht", sagt Dalhoff.

Pauschale Quote macht wenig Sinn

Merith Niehuss ist Historikerin und seit kurzem Präsidentin der Universität der Bundeswehr München - eine von nur zwei Frauen, die derzeit in Deutschland eine Universität leiten. Sie musste sich nach einem Vortrag schon mal sagen lassen, ihr Rock sei zu kurz gewesen.

In einer Frauenquote sieht sie so etwas wie einen "letzten Anker". Freilich nicht für jedes Fach. "Pauschal macht eine Quote keinen Sinn", sagt sie.

In manchen Fächern wie etwa in Geschichte oder Psychologie gebe es genügend gute Bewerbungen von Frauen. Für sie wäre eine Quote hilfreich, "um diese hartnäckigen Männerbastionen aufzubrechen". In anderen Fächern gebe es dagegen noch immer zu wenig Bewerberinnen.

Konsequente Frauenpolitik notwendig

Das beklagt auch Gisela Anton für die Physik. "Wir müssen mehr weiblichen Nachwuchs heranziehen", sagt sie. "Eine konsequente Politik von unten machen", nennt das Merith Niehuss: mehr wissenschaftliche Mitarbeiterinnen, mehr Dozentinnen einstellen, mehr Frauen als Vorbilder schaffen.

Und darin sind sich alle einig: Mehr und bessere ganztägige Kinderbetreuung ist eben doch die beste Frauenförderung. Dies zeigt auch eine Studie, die die Politikwissenschaftlerin Annette Zimmer von der Universität Münster im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts erstellte.

Die befragten Wissenschaftlerinnen sahen ihre Karriere in erster Linie durch mangelhafte Angebote in der Kinderbetreuung eingeschränkt.

Sanfter Druck von außen

Allerdings beobachten junge Professorinnen, dass sich das Klima an den Hochschulen in den vergangenen Jahren verbessert hat. "Es bewegt sich etwas", sagt Stefanie Hohn, an deren Fachbereich es neben fünf Professoren inzwischen drei Professorinnen gibt. "Die Frauen", sagt Hohn, "sollten den Druck zur Erhöhung des Frauenanteils nutzen."

Die Hochschul- und Fachbereichsleitungen seien es "wohl leid, die Frauenförderung ständig aufs Brot geschmiert zu bekommen", meint auch Christiane Wendehorst, Professorin für Zivilrecht an der Uni Göttingen. Deshalb würden Bewerbungen von Frauen mittlerweile genauer unter die Lupe genommen.

Durch diesen sanften Druck, der durch den Zwang zu mehr Profilbildung und den Elite-Wettbewerb noch erhöht werde, würden verstärkt Akademikerinnen zum Zuge kommen. "Das hilft mehr als eine Quote", sagt Wendehorst: "Das Geschlecht allein kann kein Auswahlkriterium sein."

Konkurrenz nicht scheuen

Das Geschlecht kann aber ein anderes Problem sein: Männer und Frauen kommunizieren anders, sie gehen miteinander und mit Situationen unterschiedlich um. Auf diese Unterschiede werde viel zu wenig eingegangen, kritisiert Wendehorst.

Das Problem sieht auch Stefanie Hohn. Sie ermutigt Frauen, sich durch männliches Gehabe im Unibetrieb nicht einschüchtern zu lassen. "Frauen werden gefördert, sollten aber auch selbst bereit sein, Aufgaben und Risiken anzunehmen und Konkurrenzsituationen nicht scheuen."

(SZ vom 12.6.2006)

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