Hochschule:Forschen bis kurz vor zwölf

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Wissenschaftliche Mitarbeiter protestieren gegen die Befristung von Arbeitsverträgen.

Von Jeanne Rubner

Alle wollen nur das Beste für den Nachwuchs. Was aber das Beste ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Während Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) nun die Dauer befristeter Arbeitsverträge im Wissenschaftsbereich begrenzen will, wehren sich junge Forscher in einem flammenden Internet-Aufruf: "Wir wollen forschen - in Deutschland", schreiben sie.

Als Karlsruher Richter Ende Juli die Juniorprofessur kippten, erklärten sie zugleich eine weitere Neuerung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) für nichtig: Laut "Befristungsregel" sollten Nachwuchsforscher nicht länger als zwölf Jahre von der Promotion bis zu einer festen Stelle beschäftigt werden. Bulmahn wollte damit einer Ausbeutung von Jungforschern einen Riegel vorschieben. Immerhin sind Wissenschaftler im Schnitt 40 Jahre alt, wenn sie sich habilitieren - zu alt im internationalen Vergleich. Doch so viel Fürsorge war dem Nachwuchs gar nicht angenehm. Zur Rebellion kam es zunächst nicht, weil auf Drängen der Grünen eine Übergangsfrist bis Februar 2005 ins Gesetz gelangt war.

Nach dem Karlsruher Urteil freilich befand man sich an Universitäten und Instituten plötzlich in einer juristischen Grauzone. Verträge wurden nicht verlängert, weil Personalchefs Klagen von Mitarbeitern befürchteten, die Anspruch auf eine unbefristete Stelle erheben könnten. Festeinstellungen aber gelten an vielen Einrichtungen als Gau, denn dann sind Stellen auf Jahrzehnte blockiert. Selbst erfolgreichen Jungforschern, die ihr Gehalt über Drittmittel einwerben, wird derzeit eine Verlängerung verweigert. Bulmahn hat nun eine Art Reparaturgesetz vorgelegt, das wieder für klare Verhältnisse sorgen soll - mit Hilfe der umstrittenen Befristungsregel.

Von Arbeitslosigkeit bedroht sind dadurch vor allem Mitarbeiter an Forschungszentren, von denen die meisten auf Zeit eingestellt sind. "Viele von uns wollen nicht Professor werden, sondern nur forschen", sagt Meinhard Hahn vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg.

Zusammen mit weiteren Postdoktoranden und Arbeitsgruppenleitern will Hahn erreichen, dass jegliche Befristung für Forscher fällt. Auf der Internetseite www.maintainbrains.de rufen sie zum Widerstand auf, seit Montag sind über 4000 Unterschriften eingegangen. Verärgert ist Hahn darüber, dass seine Chefs der Initiative in den Rücken fallen. Man habe sich auch mit DKFZ-Vorstand Otmar Wiestler abgesprochen, sagt Hahn. Doch nun stellt sich die Allianz der Forschungsorganisationen - darunter die Helmholtz-Gemeinschaft, zu der das DKFZ gehört - hinter Bulmahn. Selbst die Minister der Unionsländer befürworten das Reparaturgesetz - "von einigen Kleinigkeiten abgesehen", so Bayerns Wissenschaftsminister Thomas Goppel.

"Wir brauchen verlässliche Regelungen", sagt Rüdiger Willems von der Max-Planck-Gesellschaft. Eine völlige Freigabe der Verträge sei in Deutschland juristisch nicht durchzusetzen; auch nach europäischem Recht sei das nicht möglich. Willems gibt indes zu, dass Befristungsregeln, die mit dem "Schutz des Arbeitnehmers" begründet werden, diesen nicht immer schützen.

Bestes Beispiel liefert das "Teilzeit- und Befristungsgesetz": Wer sich innerhalb der zwölf Jahre habilitiert und auf einer befristeten Stelle weiterforschen will, kann dies in der Theorie zwar tun. "Die Regeln sind aber so eng, dass sich kaum ein Personalchef traut, so jemanden einzustellen", klagt Hahn. "Wenn es einen Forscher gibt, der Geld einwirbt, und ein Institut, das ihn einstellen will, dann muss das gehen", sagt Willems. Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen fordert daher, Drittmittelbeschäftigte nicht nach zwölf Jahren zu entlassen. Das wollte sie freilich schon vor drei Jahren erreichen, bevor das neue HRG in Kraft trat. Das Ministerium aber stellte sich stur.

© SZ vom 1.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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