Hauptschullehrer:Schmerzensgeld für pädagogische Masochisten

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Lehrer an Hauptschulen müssen sich häufig mit Problemkindern auseinandersetzen. Dafür bekommen sie weniger Geld als andere Lehrer. Baden-Württemberg will das nun ändern.

Tanjev Schultz

Traf sie früher der Neid, begegnet vielen Lehrern heute Mitleid. Zumindest wenn sie an Hauptschulen unterrichten, mag kaum jemand den Beruf mit ihnen tauschen.

Lehrer an Problemschulen: bislang unterbezahlt? (Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Seit sie wegen Gewalt und Pisa-Problemen in den Schlagzeilen stehen, wirken Hauptschulen wie Orte, an denen es nur pädagogische Masochisten aushalten. Weil aber gerade die Schulen in Problemvierteln gute Pädagogen brauchen, planen Politiker, den Job attraktiver zu machen.

Baden-Württembergs Finanzminister Gerhard Stratthaus und Kultusminister Helmut Rau (beide CDU) wollen eine Reform der Beamtenbesoldung, über die das Kabinett in Stuttgart am Dienstag beriet, dafür nutzen, leistungsstarke Lehrer besser zu bezahlen - eine Art Schmerzensgeld.

"Überfällig", nennt das Anita Seidl, Leiterin der Altenburgschule in Stuttgart. Die 40 Pädagogen dieser Grund- und Hauptschule könnten von den geplanten Anreizen profitieren, die Schule liegt in einem schwierigen Stadtteil: Zwischen 80 und 90 Prozent der Hauptschüler sind Einwanderer-Kinder. Die Fluktuation im Kollegium sei hoch, der Stress enorm, sagt Seidl.

An ihrer Schule sitze man selbstverständlich auch um 17 Uhr noch im Lehrerzimmer. Und es sei nicht einzusehen, weshalb ein Hauptschullehrer weniger verdiene als ein Studienrat am Gymnasium.

Bisher werden Grund- und Hauptschullehrer nach der Besoldungsgruppe A 12 bezahlt, das entspricht einem Einstiegsgehalt von monatlich 2560 Euro. Wer am Gymnasium unterrichtet, steigt dagegen mit A 13 (2880 Euro) ein, wird aber später in der Regel befördert und erreicht als Oberstudienrat A 14.

Keine Aufstiegschancen

Die fehlenden Aufstiegschancen für Grund- und Hauptschullehrer hält der Bundesvorsitzende des Beamtenbunds, Peter Heesen, für unzumutbar: "Das ist keine Laufbahn, sondern ein Laufstall!" Sollten einzelne Bundesländer stärkere Leistungsanreize einführen, werde es zu Abwerbungen kommen, prophezeit Heesen.

Nach der Föderalismusreform kann jedes Bundesland eigene Regeln für seine Beamten beschließen. Die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD), warnt deshalb, reiche Länder könnten Pädagogen zu Lasten der ärmeren Länder anlocken. Sie will daher bundesweite Absprachen.

Mit großen Scheinen wedelt der baden-württembergische Finanzminister aber nicht. Die Besoldungsreform müsse aufkommensneutral sein, sagt Stratthaus: "Wir wollen nicht mehr Geld ausgeben, sondern es gerechter verteilen." Die Details sind noch in Arbeit.

Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Philologenverbands, in dem Gymnasiallehrer organisiert sind, befürchtet bereits ein "Sparmodell". Er hält mehr Geld für Hauptschullehrer für nötig, im Gegenzug dürfe aber den Studienräten nichts genommen werden, sonst fehle der Nachwuchs. Früher hätten die Besten eines Jahrgangs auf Lehramt studiert - "dies ist heute nicht mehr so".

Finanzpolitiker könnten daraus aber andere Schlüsse ziehen als Meidinger, wenn sie sich an eine Studie erinnern, mit der die OECD vor zwei Jahren die Pädagogen ärgerte. Im internationalen Vergleich würden deutsche Lehrer zwar sehr gut bezahlt. Dennoch lasse die Leistungsbereitschaft zu wünschen übrig. Schuld daran sei der Beamtenstatus.

© SZ vom 26.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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