Hartz IV für Erwerbstätige:Manche Geringverdiener erhalten mehr

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Auch Beschäftigte und Selbstständige haben unter Umständen Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder den Kinderzuschlag.

Von Rolf Winkel

Ab 1. Januar gibt es neben dem neuen Arbeitslosengeld II auch einen so genannten Kinderzuschlag. Beide Leistungen kommen auch für Arbeitnehmer in Frage - weit eher als bisher die Sozialhilfe. Staatliche Unterstützung erhalten häufig auch Väter, die wegen Unterhaltszahlungen an Kinder unter die Armutsgrenze geraten.

Alternative Kinderzuschlag: Pro Kind gibt's 140 Euro dazu. (Foto: Foto: ddp)

Muss man arbeitslos sein, um Arbeitslosengeld II zu erhalten?

Nein. Die Leistung gibt es auch für Beschäftigte und Selbstständige. Beim ALG II besteht - anders als bisher bei der Arbeitslosenhilfe - keine Obergrenze für die erlaubte Arbeitszeit. Selbst jemand, der einen Vollzeit-Job hat, kann unter Umständen zusätzlich zu Lohn oder Gehalt ALG II erhalten. Dies gilt insbesondere dann, wenn er wenig verdient und gleichzeitig Kinder versorgen muss. In solchen Fällen kommt statt ALG II unter Umständen aber auch der neue Kinderzuschlag in Frage.

Was ist der Kinderzuschlag?

Das ist eine neue Leistung in Höhe von maximal 140 Euro pro Kind, die es ab 2005 - bei Bedürftigkeit - zusätzlich zum normalen Kindergeld gibt. Sie kommt für Familien mit einem niedrigen bis durchschnittlichen Monatseinkommen in Frage. Der Zuschlag ist eine Alternative zum ALG II. Gezahlt wird er dann, wenn das Geld, das die Eltern verdienen, zwar ausreicht, um ihren eigenen gesetzlich zugestandenen Mindestbedarf zu decken, nicht aber den Grundbedarf ihrer Kinder.

Wie wird die Bedürftigkeit beim Kindergeld-Zuschlag geprüft?

Nach fast den gleichen Regeln wie beim ALG II. Die Vermögensfreigrenzen sind identisch: Jeweils 200 Euro pro Lebensjahr sind für beide Elternteile erlaubt. Wenn beide Partner 30 Jahre alt sind, also insgesamt 12.000 Euro. Der gleiche Betrag steht ihnen zusätzlich auch noch für Vermögen zur Alterssicherung zu.

Angemessenes Wohneigentum und ein Auto dürfen Bezieher von Unterstützung - egal ob Kinderzuschlag oder ALG II - in der Regel auch behalten. Dementsprechend werden im umfangreichen Antrag auf den Kinderzuschlag die gleichen Informationen wie im ALG-II-Antrag abgefragt.

Woher weiß man, ob man den Kinderzuschlag oder ALG II beantragen soll?

Dazu müsste man schon Sozialexperte und Mathematiker sein. Am besten fährt man, wenn man erst einmal einen Antrag auf ALG II stellt. Möglicherweise wird dieser Antrag abgelehnt, weil das zuständige Amt nach mühsamer Rechenarbeit feststellt, dass statt ALG II ein Anspruch auf den Kinderzuschlag besteht. Kein Problem: Den Zuschlag für Kinder kann man dann immer noch - rückwirkend innerhalb von bis zu vier Jahren - auf einem vereinfachten Vordruck beantragen, und zwar bei der dafür zuständigen Familienkasse der Arbeitsagentur. Diese holt sich dann bei den Antragstellern die Genehmigung, auf deren bereits gespeicherte persönliche Daten zurückgreifen zu dürfen.

Im Gegensatz zum Kinderzuschlag wird das ALG II nicht rückwirkend bewilligt, sondern erst ab dem Tag der Antragstellung bezahlt.

Stellt man sich mit dem Kinderzuschlag besser als mit dem ALG II?

Kaum. Die Betroffenen werden durch den Zuschlag allenfalls minimal über die Schwelle des ALG II gehoben. Manchmal klappt das allerdings auch nicht. Das gilt vor allem dann, wenn die Kinder der betroffenen Familien 14 Jahre oder älter sind. Diese Familien stehen sich häufig mit ALG II besser. In solchen Fällen gibt es keinen Kinderzuschlag, sondern ALG II. Oft werden Familien, in denen ein Elternteil zuvor das reguläre Arbeitslosengeld bekam, allerdings durch den neuen Zuschlag für Kinder sogar deutlich schlechter gestellt als Bezieher von ALG II (Kasten).

Bis zu welchem Einkommen lohnen sich Anträge auf ALG II beziehungsweise auf den Kinderzuschlag?

Bei einem (Ehe-)Paar mit zwei Kindern lohnt sich eine Antragstellung noch bis zu einem Nettogehalt von gut 1800 Euro (ohne Kindergeld). Dabei wurde eine Warmmiete von 710 Euro eingerechnet. Zudem wurde unterstellt, dass der Einkommensbezieher insgesamt 380 Euro von seinen Einkünften absetzen - und damit behalten kann.

Wird auch eine höhere Miete beim ALG II anerkannt?

Ja. Selbst wenn die Miete als "unangemessen hoch" gilt, müssen - bei Bedürftigkeit - zunächst die tatsächlichen Wohnkosten berücksichtigt werden. Dann kann man allerdings aufgefordert werden, sich binnen eines halben Jahres eine billigere Bleibe zu suchen. Wenn die Miete höher ist, liegt die ALG-II-Schwelle auch entsprechend höher.

Welches Einkommen wird nicht mit dem ALG II verrechnet?

Die Betroffenen dürfen in jedem Fall so viel behalten, dass sie selber ihre Kraftfahrzeug-Versicherung und Beiträge zur Riester-Rente bezahlen können. Außerdem sind vom Erwerbseinkommen absetzbar: eine Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro, mindestens 15,33 Euro für Werbungskosten und Kosten für die Fahrten zur Arbeit. Außerdem gibt es einen Freibetrag bei Erwerbstätigkeit, der bei Steuerklasse III bis zu 240 Euro betragen kann. Für Arbeitnehmer mit einem Bruttoverdienst über 1000 Euro gelten beim ALG II deutlich günstigere Anrechnungsregelungen als bei der bisherigen Arbeitslosen- oder Sozialhilfe.

Für Mini-Jobber und bei Löhnen unter 700 Euro sind die neuen Regeln erheblich schlechter.

Berücksichtigen die Ämter auch Unterhaltsverpflichtungen?

Ja, diese Regelung ist vor allem für Scheidungskinder und ihre unterhaltspflichtigen Elternteile (meist Väter) wichtig: Wenn Väter (oder auch Mütter) Alimente an ihre Kinder oder Ex-Partner zahlen und dadurch auf ALG II oder den Kinderzuschlag angewiesen sind, dürfen sie die Teile ihres Einkommens behalten, die aufgrund eines titulierten Unterhaltsanspruchs nicht als "einsatzfähiges Einkommen zur Verfügung" stehen. Das regeln die Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit.

Was ist, wenn Unterhaltszahlungen ohne amtliche Festsetzung erfolgen?

Dann werden diese Zahlungen nicht als absetzbar anerkannt. Den Betroffenen bleibt dann nichts anderes übrig, als sich einen - gegen sie selbst gerichteten - Titel zu besorgen. Das geht für Unterhaltszahlungen an Kinder einfach und - noch - kostenfrei beim örtlichen Jugendamt. Dort kann man nach Paragraf 59 des achten Sozialgesetzbuchs "die Verpflichtung zur Erfüllung von Ansprüchen auf Unterhalt" beurkunden lassen. Diese Urkunde ist nach Paragraf 60 vollstreckbar. Zahlt beispielsweise ein Vater also später nicht freiwillig, muss er damit rechnen, dass das Geld von Amts wegen eingetrieben wird.

Für Unterhaltspflichtige mit unterdurchschnittlichem Einkommen lohnt es sich deshalb meist, den Titel zu besorgen. Denn dann können sie vom eigenen Einkommen die Unterhaltszahlungen an ihre Kinder leisten - und zusätzlich ALG II oder den Kinderzuschlag erhalten.

© SZ vom 29.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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