Globale Gastarbeiter:In Ägypten auf der Walz

Lesezeit: 4 min

Deutsche Handwerker mit Reiselust und Wagemut sollten in Kairo Station machen.

Heiko Flottau

Eine berufliche Karriere für Ausländer in einem Land wie Ägypten, das sich trotz seiner wachsenden Zahl von Millionären als Entwicklungsland bezeichnet? Eine Flucht aus dem überregulierten Deutschland in ein Land, in dessen ökonomischen Konsens Korruption fest verankert ist? All das ist heute möglich. Das sagt und zeigt wenigstens Hans Heinz Dilthey, ein deutscher Geschäftsmann, der von sich zufrieden erzählt, er sei in Ägypten erfolgreich. Und das zeigt eine relativ neue Wirtschaftspolitik, die sich schon deshalb fast verzweifelt bemüht, alljährlich mehreren hunderttausend jungen Ägyptern Zugang zum Arbeitsmarkt zu bahnen, damit diese nicht religiösen Fanatikern in die Hände fallen. Doch zunächst zu Hans Heinz Dilthey.

Blick auf die Sultan Hassan Moschee in Kairo. (Foto: Foto: dpa)

Der grauhaarige, fast schon pensionsreife, dennoch dynamische Unternehmer sitzt in einem angenehm kühlen Zimmer in einem fast voll verglasten Bürohaus in Kairos vornehmem Stadtteil Kurba. Zusammen mit einem ägyptischen Partner hat er drei Firmen gegründet: eine Importfirma für Autoersatzteile, eine Vertriebsfirma für diese importierten Waren und, neuerdings, eine Trainingsakademie für Automechaniker. Zudem hat sich Dilthey in eine Tauchschule bei Marsa Alam am Roten Meer eingekauft.

Um in einem Land mithalten zu können, in dem Beziehungen vieles und das Begreifen der ägyptischen Arbeitsmentalität fast alles bedeuten, braucht es eine Menge Erfahrung - auch im Ausland. Der frühere Karateleistungssportler und Berufssoldat, der gelernte Jurist, Taucher und Wüstenmotocrossfahrer hat einst im Vertrieb von BMW gearbeitet, wechselte dann zu der Firma Metzeler Reifen, die später von der italienischen Firma Pirelli erworben wurde. Fahrer- und Motorradfahrertraining waren ebenso Teil seiner wechselhaften, aber meist erfolgreichen beruflichen Laufbahn wie Management-Tätigkeiten bei der Schweizer Telekom und der Schweizer Post.

Dass ein Mann mit einer solch abwechslungsreichen Karriere seine Zeit oft mehr in Interkontinentalflügen als bei der Familie zugebracht hat, gibt Hans Heinz Dilthey gerne zu - und dass dieses Vagabundenleben zugunsten der Familie ein Ende haben musste. Schon in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts also knüpfte Dilthey Kontakte mit ägyptischen Geschäftsleuten. Einer von ihnen führte ihn zu einem Werk in Kairo, das Autos einer südkoreanischen Marke zusammenbaut. Dilthey glaubte, einen, wie er sagt, "wasserdichten Vertrag" bekommen zu haben. Doch solche juristischen Sicherheiten gelten nicht immer viel in Ägypten. Ein Zerwürfnis mit dem Besitzer - und schon ist ein solcher Vertrag nicht mehr sehr viel wert.

So kam es, dass der wendige, sesshaft gewordene Unternehmer-Weltenbummler plötzlich mit Familie, der er endlich ein stets anwesender Ehemann und Vater sein wollte, ohne Beschäftigung in Ägypten saß. Mit demselben Partner, der ihn in die Autofabrik vermittelt hatte, begann er vor etwa sieben Jahren seine Importfirma aufzubauen. Heute hat seine Firmengruppe das alleinige Importrecht für Bosch-Ersatzteile in Ägypten. Und inzwischen bildet er Nachwuchskräfte aus, eine Neuerung in Ägypten, sieht man von dem seinerzeit durch Bundeskanzler Helmut Kohl und Präsident Hosni Mubarak ausgehandelten Berufsbildungsprogramm für junge Ägypter ab.

Natürlich waren viele Schwierigkeiten zu überwinden. Diltheys Team tingelte durch die veralteten Autowerkstätten der Stadt und bot Nachwuchsausbildung an. Die Besitzer lehnten ab. Eine Woche ohne ihre Arbeitskräfte und ohne entsprechenden finanziellen Ausgleich - das wollte niemand. Man hatte ja schließlich gelernt, wie alte Peugeots, Fiats und rumänische Dacias zu reparieren waren. Doch nun ist ein Großteil des Kairoer Wagenparks erneuert, und die elektronischen Bauteile der neuen Motoren kann keine der alten Klitschen reparieren. Die Bereitschaft zur Nachwuchsausbildung nahm auch zu, als die Regierung den Werkstattinhabern finanziell unter die Arme griff und versprach, zumindest bis zum Ende des laufenden Jahres einen finanziellen Ausgleich zur Ausbildungszeit zu gewähren. Das Ergebnis: Während Dilthey von seinen Erfahrungen in Ägypten berichtet, muss er ständig Diplome unterschreiben, in denen er jungen Leuten die erfolgreiche Teilnahme an seinen Trainingskursen bescheinigt.

Karriere in Kairo: Hans Heinz Dilthey hat gleich drei Firmen und eine Trainingsakademie zur Ausbildung junger Automechaniker gegründet. (Foto: Foto: oh)

Was nun bedeutet das für europäische Handwerker? Neuerdings haben Ausländer das Recht, in Ägypten kleine Betriebe zu gründen - vorausgesetzt, sie geben einer gewissen Anzahl von Ägyptern Arbeit. Und die deutsche "Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit" (GTZ) hat ein Programm aufgelegt, das bei solchen Existenzgründungen hilft. Der Bedarf ist immens. Ganze Nilflüsse verschwinden in der Kanalisation, weil es an ausgebildeten Klempnern fehlt - und am Bewusstsein, dass Wassersparen Sinn hat. Hunderttausende veralteter elektrischer Leitungen müssten neu verlegt werden, aber es fehlt am Willen, am Geld und vor allem an gut ausgebildeten Elektrikern.

Hans Heinz Dilthey gibt sich optimistisch und erfinderisch: Er könne, verspricht er, jedem Handwerker gute Ratschläge geben, der über das Wagnis Ägypten nachdenke. In seiner Tauchschule am Roten Meer biete er zudem jenen bei Kost und Logis Starthilfe ins Berufsleben, die sich zum Tauchlehrer ausbilden lassen wollen.

Natürlich gibt es auch Kehrseiten: Kairo etwa, das in vielen Teilen ein Moloch mit schlechter Luft und lautem, chaotischem Verkehr ist. Oder die Behörden, mit denen man große Geduld aufbringen und bei denen man oft viel Kleingeld und manchmal auch größere Scheine bereithalten muss. Auch die Arbeitsauffassung vieler Ägypter kann ein Grund zum Verzweifeln sein, denn für sie ist acht Uhr morgens oft neun Uhr. Auch ist systematisches Denken nicht allzu verbreitet, denn auf Schulen und Hochschulen wird oft nur Auswendiglernen verlangt. Das Unternehmensabenteuer in Ägypten kann also nur gelingen, wenn man flexibel ist und den Willen und die Fähigkeit hat, sich mit einer anderen Kultur auseinanderzusetzen, und wenn man Risikofreude mitbringt.

Im europäischen Mittelalter gehörte es zur Ausbildung in den Handwerkerzünften, dass die Gesellen ein paar Jahre durch die Lande zogen und sich von der Arbeit an fremden Orten ernährten. Warum also im Zeitalter der Globalisierung diese Wanderschaft nicht ein wenig ausdehnen und dabei auch ein Land wie Ägypten beruflich erkunden ?

© SZ vom 9.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: