Für Hochschulabsolventen:Und es gibt doch noch Jobs

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Trotz Krise: In vielen Berufen haben Akademiker zurzeit gute Chancen.

Von Patrick Bernau

Über Jahre hinweg hat der badische Küchenhersteller Alno Verluste erwirtschaftet. Jetzt soll eine neue Konzernstrategie die Ergebnisse verbessern.

"Wir wollen unsere Auslandstöchter enger führen und nicht erst im September merken, dass das Ergebnis nicht stimmt", sagt Personalreferent Peter Fahr. "Wenn wir Monat für Monat Zahlen sehen, können wir rechtzeitig reagieren." Ein Bestandteil der neuen Strategie: Alno schafft eine neue Stelle für einen "Leiter Konzerncontrolling".

Wie Alno handeln zurzeit viele Firmen in Deutschland. In Zeiten der Rezession müssen sie sparen - darum stellen sie Controller ein. "Erfahrene Controller können nach wie vor von vergleichsweise guten Arbeitsmarktaussichten ausgehen", schreibt die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) der Bundesanstalt für Arbeit in ihrem Bericht über den Akademiker-Arbeitsmarkt im ersten Halbjahr 2003.

Die Krisengewinner

Nach wie vor seien die Jobchancen für Hochschulabsolventen nicht besonders gut. Selbst Betriebswirte und Ingenieure erhielten häufig nur noch befristete Arbeitsverträge. Auch öffentliche Arbeitgeber hätten auf die Konjunktur-Misere reagiert und stellten weniger Mitarbeiter ein als vergangenes Jahr.

Dennoch: Die Arbeitslosenquote unter Akademikern ist nur halb so hoch wie in der Gesamtbevölkerung. Und die ZAV sieht einen Aufschwung nahen, denn der Arbeitsmarkt für Ingenieure und Betriebswirte sei in den vergangenen sechs Monaten gewachsen.

Vorerst gibt es allerdings hauptsächlich in typischen Krisengewinner-Berufen gute Jobchancen.

Für Interims-Manager, die in Unternehmen Leitungsfunktionen auf Zeit übernehmen, zum Beispiel. Ihr Arbeitsmarkt wachse deutlich, teilt die ZAV mit. Das liegt nicht nur daran, dass viele Unternehmen für eine kurze Zeit Krisenmanager brauchen. Interims-Manager haben aus Sicht der Unternehmen auch einen anderen Vorteil: ihr Alter.

Die ZAV hat einen Trend ausgemacht. "Junge dynamische Heißsporne mussten ihren CEO-Sessel räumen", schreibt sie. Erfahrenen Führungskräften trauten die Anteilseigner von Firmen eher zu, Krisen zu bewältigen.

Ähnlich wichtig ist Erfahrung für Vertriebsleiter mit Hochschulabschluss - ein kleiner Arbeitsmarkt, der aber im vergangenen Jahr um rund ein Drittel gewachsen ist: 109 Stellenangebote gab es noch von Januar bis Juli 2002, im gleichen Zeitraum 2003 waren es 134.

Wenn einem Unternehmen jedoch alle Erfahrung nichts mehr hilft, sind andere gefragt: Fachanwälte für Insolvenzrecht müssen als Insolvenzverwalter die gescheiterten Firmen abwickeln. Anfang 2000 seien nur 30 Insolvenz-Anwälte zugelassen gewesen, schreibt die ZAV, Anfang 2003 habe ihre Zahl bei 373 gelegen.

Quereinsteiger an Schulen

Dagegen leiden Sozialarbeiter und -pädagogen darunter, dass öffentliche Arbeitgeber weniger Mitarbeiter einstellen. "Die sind im Vorjahr noch wie verrückt gesucht worden", sagt ZAV-Arbeitsmarktexperte Manfred Bausch. "Das ist jetzt zurückgegangen." Um fast ein Drittel: Von Januar bis Juli 2002 waren knapp 10.000 Stellen für diese beiden Berufe angeboten worden, im gleichen Zeitraum dieses Jahr waren es noch 6900.

Anders bei Lehrern: Sie werden zwar von den Ländern bezahlt, finden aber laut ZAV-Bericht trotzdem genügend Stellen. Vor allem in Berufsschulen im Westen. Aber auch nach Sonder-, Haupt- und Realschullehrern war die Nachfrage im ersten Halbjahr 2003 hoch. Gymnasiallehrer haben gute Chancen, wenn sie Naturwissenschaften unterrichten.

Nach ZAV-Angaben sind mehr als 40 Prozent der Lehrer älter als 50, werden also bald in Pension gehen. Quereinsteiger hätten also auch in Zukunft Chancen, als Lehrer unterzukommen.

Wenn das Quereinsteigen für Ärzte so einfach wäre, würden sich die Kliniken freuen. Sie suchten im vergangenen Halbjahr händeringend nach Fachärzten - in manchen Fachrichtungen lag die Arbeitslosenquote unter zwei Prozent. Infolge des Urteils über die Anerkennung von Bereitschaftsdiensten des Europäischen Gerichtshofs wird sich die Situation nach Ansicht des ZAV-Experten Bausch noch weiter verschärfen.

Jobs in IT- und Gentechnik

Auch für Biologen sieht der Arbeitsmarkt recht gut aus. Wer sich auf Molekularbiologie, Biochemie oder Gentechnik spezialisiert hat, kann der ZAV zufolge in kleinen Biotechnologie-Unternehmen anheuern, in der Pharmabranche oder in der Medizin.

Und selbst für IT-Fachkräfte ist der Arbeitsmarkt nach Ansicht der ZAV "durchaus nicht so schlecht, wie es die Horrorzahlen über extrem steigende Arbeitslosenzahlen suggerieren."

In der Krise seien vor allem Seiteneinsteiger ohne passende Hochschul-Ausbildung entlassen worden, meint Bausch. Für diplomierte Informatiker und zertifizierte Programmierer gebe es nach wie vor "hervorragende Arbeitsmarktchancen" im Kernbereich der IT-Berufe, "wo es darum geht, Systeme anzupassen und neue Software zu entwickeln."

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