Führungsspitzen:Sei kein Horst

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Abschiebung nach oben: Inkompetente Mitarbeiter werden gerne durch Pseudo-Beförderungen aus dem Weg geräumt. Am Ende arbeitet nur noch einer: der Horst des Unternehmens.

Dagmar Deckstein

Ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte. Es liegt freilich in der Natur dieser Kolumne, dass sie ausschließlich mit Worten arbeiten muss. Möge es also gelingen, das visuelle Aha-Erlebnis einer Postkarte getreulich wiederzugeben, die uns ein mitleidiger Zeitgenosse kürzlich hat zukommen lassen. Um ein Erdloch herum stehen zehn Bauarbeiter in Blaumännern und Schiebermützen, lässig auf Schaufeln gestützt, die Hände in die Hüften gestemmt, die Blicke mehr oder weniger aufmerksam auf die ausgeschaufelte Grube gerichtet.

Horst schaufelt, was das Zeug hält

Jeder von ihnen ist per Aufdruck näher gekennzeichnet: Logistic Manager, Human Resources Manager, Communication Manager, Marketing Manager, IT-Manager, Internal Supervisor, Project Manager, Security Manager, PR-Manager, Product Development Manager. Im Erdloch selbst steht ein Arbeiter tief gebückt und schaufelt, was das Zeug hält: Horst.

Zehn zu eins für den Kartenkünstler, der den ganz normalen Wahnsinn der inflationären Titelhuberei so sinnfällig ins Bild gesetzt hat. Ein Blick in jedes x-beliebige Firmenorganigramm offenbart, dass die Hierarchologie des Peter-Prinzips weiterhin fröhliche Urständ feiert. Dabei war es immerhin schon 1969, als Laurence J. Peter und Raymond Hull ihren Bestseller "Das Peter-Prinzip oder die Hierarchie der Unfähigen" unters Volk brachten.

Verschleierte Degradierung

Und 40 Jahre sind ja Zeit genug, dessen Kernbotschaft zu durchdenken und die eigene Praxis zu hinterfragen: Jeder Beschäftigte steigt so weit auf, bis er seinen Grad der Inkompetenz erreicht hat. Und wenn Inkompetenz zu auffällig wird, pflegt die Hierarchie die ihr eigene Ordnung durch Pseudo-Beförderungen wiederherzustellen. So wimmelt es nach wie vor von Chief Group Coordinators oder auch Inter-Department-Communication-Managers, wobei Ersterer für die Beamer-Bereitstellung im Meeting-Room zuständig ist und Letzterer die Ablage der Hauspost-Durchschläge überwacht, so denn überhaupt noch auf Papier kommuniziert wird.

Der wackere Pädagoge Peter hat auch eine griffige Bezeichnung für diese Art hochtrabender Titulierungen gefunden: laterale Arabesken. Wohlmeinende Ober-Chefs verstehen sich perfekt darauf, die Entfernung eines Mitarbeiters aus einer wirklich verantwortungsvollen Position zu verschleiern, indem sie einen hochtrabenden Titel für ihn ersinnen und auf einem ungefährlichen Parkplatz positionieren - gerne auch mit eigenem, größeren Büro und Gehaltserhöhung.

Freie Bahn für Arbeitsbienen

Abschieben nach oben war schon immer ein probates Mittel, um die Drohnen den Arbeitsbienen alias Horst aus dem Weg zu räumen. Dass solche hierarchologischen Finessen keine Erfindung der industriellen Moderne sind, hat übrigens der englische Anthropologe Martin Page ("Managen wie die Wilden") als menschheitsgeschichtliche Motivationskonstante ausgemacht, die von afrikanischen Stämmen seit jeher mit größtem Erfolg angewendet wird: Die Treue und Hingabe eines Menschen gewinnt man durch Aufwertung seiner Rolle viel eher als durch die Erhöhung seines Einkommens.

Aber mit Treue und Hingabe allein ist noch nicht viel weggeschafft im Büro- und Fabrikalltag. Die eigentliche Arbeit wird immer noch und lediglich von jenen Beschäftigten getan, die noch nicht jene Stellung erreicht haben, in der sie ihre Inkompetenz ausleben können. Von unsereins also. Ach ja, sind wir nicht alle ein bisschen Horst?

© SZ vom 22.03.2010/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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