Führungsspitzen:Lauter Chefsachen

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Für Führungskräfte gibt es vor allem vier Chefsachen: a) Chef werden, b) zu zeigen: Ich bin Chef, c) das Chefsein genießen und d) Chef bleiben. Alle anderen Aufgaben müssen die Nichtchefs erledigen.

A. Borchardt

Spätestens seit vergangener Woche weiß der Bildungsbürger, dass Chefs ihre Privilegien selbst durch Notausgänge retten können. So durften Leser der Zeitung dank eines Freizeit-knipsers sehen, wie der SPD-Parteivorsitzende Franz Müntefering einem flammenwerfenden Flugzeug über die Notrutsche entglitt - seine Aktentasche unter den Arm gepresst.

Manch einen Normalflieger, der in solcher Situation auf Anordnung internationaler Luftfahrtbehörden persönliche Gegenstände unter dem Vordersitz zurücklassen muss, mag da die Neugier gepackt haben: Was hatte der Chef in seiner Tasche? Wohl kaum das SPD-Wahlprogramm, aus dem Münte unter Angabe von Seitenzahlen auswendig zitieren kann. Eher die Liste der SPD-Ortsvereinsvorsitzenden aus der Region Stuttgart. Oder war es doch nur eine Ausgabe der Bunten aus der Bordlektüre? Das wirft eine Frage auf, die Führungskräfte und Untergebene gar nicht mal so selten umtreibt: Was ist eigentlich Chefsache?

Ober delegiert an Unter

Ganz einfach, denkt der Unbedarfte, alles, was wichtig ist. Doch wichtig für wen? Nach außen hin wird die Chefsache gern als eine Art rhetorisches Beruhigungsmittel eingesetzt. "Merkel macht Elektromobilität zur Chefsache" oder "Ackermann erklärt Aufklärung der Datenaffäre zur Chefsache" zum Beispiel soll Mahnern, Nörglern und Forderern bedeuten, endlich die Klappe zu halten. Schließlich liegt die Angelegenheit jetzt ganz oben. Das stimmt den Hierarchiemenschen vorübergehend zufrieden und schneidet jenen Querulanten das Wort ab, die gerne mal fordern, Bundeskanzlerin Merkel oder Deutsche-Bank-Chef Ackermann müssten dieses oder jenes endlich zur Chefsache machen. Obwohl daraus in der Praxis lediglich folgt, dass Ober die Angelegenheit wieder an Unter delegiert, der dem Führenden dann - bitte fix - über Fortschritte berichten darf.

In Wahrheit gibt es für viele Führungskräfte vor allem vier Chefsachen: a) Chef werden, b) zu zeigen: Ich bin Chef, c) das Chefsein genießen (siehe Privilegien) und d) Chef bleiben. Alle Punkte erfordern ein Höchstmaß an Einsatz und Aufmerksamkeit, was dazu zwingt, die meisten sonst anfallenden Aufgaben an Nichtchefs zu delegieren, die hoffentlich etwas taugen, aber nicht allzu bald selbst Chefs werden wollen.

Eine Vision ihrer selbst

In diese Richtung ist auch das Ergebnis einer neuen Studie des Schweizer Instituts für Business Intelligence zu interpretieren. Wie die Experten ermittelt haben, identifiziert sich nur jede zweite Führungskraft in deutschen Unternehmen (51 Prozent) mit der Vision und strategischen Zielsetzung ihres Arbeitgebers. Dies lässt den Umkehrschluss zu, dass die anderen 49 Prozent mit der Vision und strategischen Zielsetzung ihrer selbst genug zu tun haben.

Möglicherweise muss es einer bis nach ganz oben schaffen, um sich endlich in Ruhe mit der Frage auseinandersetzen zu können, was denn eigentlich an der Spitze zu tun ist. Der langjährige Chef des Konsumgüterkonzerns Procter & Gamble, Alan G. Laflay, hat kürzlich in einem Aufsatz für die Fachzeitschrift Harvard Business Manager eine entsprechende Anleitung für Konzernchefs geliefert, Titel: "Was ein CEO tun muss", basierend auf Ideen des legendären Management-Theoretikers Peter Drucker. Offensichtlich besteht in der Frage reichlich Aufklärungsbedarf. Im Online-Auftritt des Magazins zumindest war der Artikel stark nachgefragt.

© SZ vom 21.9.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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