Führungsspitzen:Das Team: Ein Biotop für Machtkämpfe

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Ohne Teamarbeit geht nichts mehr voran. Wer einsam ist, Entscheidungen hasst und sich wichtig fühlen will, hält einfach mal ein Meeting ab.

D. Deckstein

Zu den drei am stärksten überschätzten Dingen unter der Sonne gehören zweifellos das Web 2.0, das Schweinegrippe-Virus und das Team. Letzteres jedenfalls in seiner zum Erweckungserlebnis hochgejazzten Heilslehre der Managerseminare. Ohne Teamarbeit, diese vermeintliche Wunderwaffe der Wirtschaft, scheint überhaupt nichts mehr voranzugehen.

Teamarbeit: "Sind Sie einsam? Halten Sie ein Meeting!" (Foto: Foto: iStock)

Einstellungen schon gar nicht. In Stellenanzeigen, so denn noch jemand welche aufgibt, werden nur noch teamfähige Teamplayer mit Mords-Teamgeist gesucht, ob nun als "Abteilungsleiterin/Abteilungsleiter Antriebsstrang", als "Koordinator/in Stadterneuerungsmaßnahmen", natürlich auch als "Sachbearbeiter/in im Forderungsmanagement" und als "Brückenschwester/-pfleger" sowieso, wo das Team der Brückenbrüder und -schwestern händeringend um Verstärkung nachsucht.

Hierarchiefreie Zone

Der zwischen Hysterie und Dogma angesiedelte Teamgedanke fußt dabei auf der beinharten Überzeugung, dass Teams erstens dem Einzelnen überlegen seien. Und zweitens auf der gern genährten und ebenso gern geglaubten Illusion, die Mitarbeiter könnten sich in hierarchiefreier Zone und in trauter Runde der Kollegengruppe frei nach ihren Fähigkeiten und Neigungen einbringen, austoben und, natürlich, persönlich voll entwickeln.

Welche erregenden Möglichkeiten sich einem eingefleischten Team bieten, das durch die Permanenz seiner Zusammenkünfte erst zur Hochform aufläuft, haben wir dieser Tage im Büro von Projektleiter Düsediekerbäumer nachhaltig vor Augen geführt bekommen. Hatte er sich doch ein Poster eingerahmt und an die Wand gehängt, auf dem steht: "Sind Sie einsam? Keine Lust alleine zu arbeiten? Sie hassen es, Entscheidungen zu treffen? Halten Sie ein Meeting! Dort können Sie Leute treffen, Charts anschauen, sich wichtig fühlen, mit einem Laserpointer spielen, alte Kekse essen, Ihre Kollegen beeindrucken - und das alles während der Arbeitszeit! Meetings: die beste Alternative zur Arbeit!"

Es ist schon eine seltsame Sache. Seit sich der Mensch auf der Erde aufhält, arbeitet er in Teams. Ob als prähistorische Wiesentäler, als steinzeitliche Hackebeilschleifer, als Multitasker in der bäuerlichen Hofgemeinschaft sowieso. Zumal das Wort team dem Altenglischen entstammt und so viel wie Familie, Gespann, Nachkommenschaft bedeutet.

Kommunikativer Krüppel

Was also ist in den zeitgenössischen Unternehmensfamilien nicht in Ordnung, dass Managementgurus daherkommen und so tun können, als ob sie die Teamarbeit als superheiße Methode der Projektbearbeitung gerade neu erfunden hätten? Ist der moderne Mensch sozial nicht mehr halb so geländegängig wie sein Wildbeutervorfahr? Ist er zum kommunikativen Krüppel degeneriert, zum autistischen Eigenbrötler, auf dass er erst Teamtrainings über sich ergehen lassen muss, um mit den Kollegen wieder ins Gespräch zu kommen? Ja.

Der aufgeregte Tanz ums altbewährte Team kann nur zum Schluss führen, dass irgendetwas oder irgendjemand den Menschen ihre Teamfähigkeit regelrecht ausgetrieben haben muss. Als da wären: höchst unvorteilhafte Organisationsstrukturen (Matrix!) mit ihren Überkreuzzuständigkeiten, unklaren Kompetenzen und Verantwortlichkeiten, ein Biotop für Machtkämpfe. Also braucht der Teamworker kein Training, sondern eine andere Organisation. Aber dazu braucht es erst einmal sehr, sehr viele Meetings - wetten?

© SZ vom 7.9.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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