Führungskräfte:Gefährliche Schmeichelattacke

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Lobbing statt Mobbing: Wenn Lob als strategisches Instrument eingesetzt wird, um Mitarbeiter loszuwerden.

Chris Löwer

Betriebspsychologen lieben Begriffe, die auf "-ing" enden. Nach Mobbing, Bossing und Sobbing haben sie jetzt das "Lobbing" kreiert. Egal, was man von solchen Wortschöpfungen halten mag, das so benannte Phänomen ist für Führungskräfte von großer Bedeutung, denn es kann das Ende ihrer Karriere einleiten: Lobbing ist die verschlagen-freundliche Schwester des Mobbings. Lobbing-Opfer werden aus der Firma weggelobt.

Der Psychologe Charlie Trevor von der amerikanischen Universität Wisconsin-Madison hält Lobbing für eine probate Strategie: Er empfiehlt gezieltes Wegloben, um missliebige und unproduktive Mitarbeiter elegant loszuwerden. Der Forscher hat für eine Studie 5000 Mitarbeiter und ihre Berufsbiografien untersucht und dabei eine überraschende Beobachtung gemacht: Wer befördert wurde und dabei keine Gehaltserhöhung bekam, verließ die Firma vergleichsweise rasch, weil er seinen Marktwert gesteigert, sich aber nicht standesgemäß entschädigt sah. Nach durchschnittlich zwei Jahren strich der Mitarbeiter die Segel, zumal sich auch neue Arbeitgeber von der Position blenden ließen. Dagegen blieben als schlecht erachtete Mitarbeiter, die weder befördert wurden, noch mehr Geld sahen, dem Unternehmen im Schnitt vier Jahre erhalten. Trevors Schlussfolgerung: Wegloben ist eine erfolgreiche Firmenstrategie.

Darüber kann der Düsseldorfer Managementberater Bernhard Juchniewicz nur den Kopf schütteln. "Lobbing ist eine menschenverachtende, kriminelle und strategische Form, sich eines in der Regel hoch qualifizierten Mitarbeiters zu entledigen", sagt er. "Im Einzelfall kann sich das sogar zerstörerisch für das gesamte Unternehmen auswirken."

Leider sind gerade Führungskräfte anfällig für Lobbing. "Besonders in verantwortungsvollen Positionen wird die narzisstische Befriedigung durch gezieltes manipulatives Lob menschlich verständlich und allzu leicht von Vorgesetzten missbraucht", sagt Juchniewicz. "So wird man schnell zum Opfer der eigenen Leistungsneurose, die durch den Druck im Beruf ausgelöst wird." Beliebt sei das Modell, die Führungskraft zu einem Auslandseinsatz zu ermutigen - mit Aussicht auf einen Karrieresprung bei der Rückkehr. "Häufig begreift der Getäuschte erst nach Jahren, dass die avisierte Position längst anderweitig verplant wurde. Oft folgt darauf der totale Zusammenbruch des Weggelobten."

In den Führungsetagen sind hinterhältige Schmeichelattacken an der Tagesordnung. Denn Lob ist hier ein besonders heikles Thema. "Einerseits wird gerade im Top-Management definitiv zu wenig gelobt", sagt die Münchner Unternehmensberaterin Dorothee Echter, die sich auf diesen Bereich spezialisiert hat. "Andererseits kommt es natürlich darauf an, wie und mit welcher Absicht ein Lob formuliert wird."

Die Soziologin Echter ist davon überzeugt, dass Führungskräfte die Fähigkeit haben müssen, falsche Wertschätzung zu erkennen und richtig einzuschätzen. "Wer dafür keine feinen Antennen hat, wird sich nicht lange auf seiner Position halten", sagt sie. Ganz gleich, ob Vorgesetzte oder Mitarbeiter - hinterlistige Strategen mit freundlichem Antlitz und düsteren Absichten lauerten überall. "Man muss wissen, dass Respektbekundungen und Wertschätzung auf beiden Seiten zur Strategie gehören", sagt die Beraterin. Daher sollte Lob stets gut dosiert sein und nur dann verteilt werden, wenn es aufrichtig gemeint ist.

Gefährdet sind nicht nur Führungskräfte, die sich stark von Lob abhängig machen, sondern auch solche, die ihrerseits schlecht im Verteilen von anerkennenden Worten sind. Typische Macher und sachbezogene Experten stehen oft vor dem Problem, dass sie mit der vermeintlich soften Kommunikation nichts anfangen können. Für Dorothee Echter ist Florian Gerster, der ehemalige Chef der Bundesagentur für Arbeit, ein typischer Fall. Auf die Frage, warum er so schnell entlassen worden sei, gab er sich ahnungslos und meinte, es habe "wohl nur Atmosphärisches" eine Rolle gespielt, fachlich sei ihm nichts anzukreiden. "Im Top-Management geht es letztlich immer darum - und nicht nur um Zahlen und Fakten", sagt Echter. "Wer zwar gut arbeitet, aber seine Mitstreiter nicht anerkennt, dem genügt ein kleiner Fehler, um weggelobt zu werden."

Doch richtiges Lob will gelernt sein. Wenig clever ist die Sandwich-Methode: Herbe Kritik wird watteweich zwischen anerkennende Worte gebettet: "Ihr Einsatz gestern war wirklich toll, aber..." Was den Mitarbeiter entlasten soll, verunsichert ihn eher. Zum einen wird das Lob postwendend zunichte gemacht, zum anderen wächst sein Misstrauen, wenn der Chef mal wieder zu einem anerkennenden Wort anhebt. Er rechnet sofort mit einem dicken Ende oder fragt sich, ob das jetzt ernst gemeint war.

Schlecht sind auch standardisierte Floskeln wie das in Besprechungen beliebte "Danke für Ihr Erscheinen". Besonders zwiespältig wirkt es, wenn es anschließend gleich ans Eingemachte geht und die Anwesenden kritisiert werden. Besser sei es, meint Beraterin Echter, Meetings nicht nur einzuberufen, wenn es Probleme gibt, sondern auch, wenn gerade alles glatt läuft. Man dürfe nicht unterschätzen, wie wichtig eine angenehme Atmosphäre sei und wie leicht sie sich mit dieser Methode herstellen ließe. "Gute Stimmungen übertragen sich - und nicht geschriebene Anweisungen." Und dafür müssen nun mal Führungskräfte sorgen.

"Lob- und Dankbarkeitsrituale sind eine gute Einrichtung", sagt Echter. Natürlich nur, wenn es auch Grund dazu gibt. So könne man Lobbing-Attacken hervorragend die Grundlage entziehen. Management-Coach Juchniewicz rät: "Emotionale Intelligenz in Form einer leistungs- und sinnvermittelnden, integeren Mitarbeiterführung zahlt sich für Unternehmen aus." Die vermeintliche Beiläufigkeit der positiven Rückmeldung wird damit zur echten Führungsaufgabe. Dorothee Echters Fazit lautet: "Der richtige Einsatz von Lob ist ein wichtiger Teil des Strategiemanagements. Doch das wird leider immer noch dramatisch unterschätzt."

© SZ vom 29.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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