Führungskräfte auf Jobsuche:Chefs mit Fluchtgedanken

Lesezeit: 2 min

Sieben von zehn Hochqualifizierten wollen ihr Unternehmen verlassen, weil sie unter Leistungsdruck leiden und mit ihren Aufgaben unzufrieden sind. Die Firmen kommt das teuer zu stehen.

Julia Bönisch

Gerade Führungskräfte sollten ihr Unternehmen mit Ideen voranbringen, eine hohe Leistungsbereitschaft zeigen und Mitarbeiter anleiten - das erwarten zumindest ihre Arbeitgeber. Doch gerade die tun besonders wenig dafür, den Hochqualifizierten einen attraktiven Arbeitsplatz zu bieten, an dem sie all das umsetzen können. Dies legt eine aktuelle Studie nahe, die das Institut für Mittelstandsforschung der Universität Lüneburg mit der Personalberatung Hapeko und dem Online-Jobportal StepStone durchgeführt hat. Demnach überlegen sieben von zehn Arbeitnehmern in der Leitungsebene, in den kommenden zwei Jahren ihre Stelle zu wechseln.

Frustrierte Führungskräfte: Besonders große Konzerne tun sich schwer damit, Hochqualifizierte zu binden. (Foto: Foto: iStock)

Als Gründe für ihre Unzufriedenheit nennen die Befragten vor allem hohen Leistungsdruck und Frustration über ihre Aufgaben: Viele Führungskräfte beklagen, in ihrem Beruf weit unter ihren Möglichkeiten eingesetzt zu werden und empfinden ihre Karriere als enttäuschend. "Der Glaube, Unternehmen stünden in einem ständigen Überlebenskampf, während Arbeitnehmer sich in einem abgeschirmten Raum geruhsam entfalten könnten, ist einigermaßen weltfremd", sagt Professor Albert Martin, Direktor des Instituts für Mittelstandsforschung. "Der Druck auf Führungskräfte steigt, doch Arbeitgeber und Firmen steuern nicht gegen."

Der Konkurrenzkampf tobt

So beklagen nahezu 30 Prozent der insgesamt 1650 befragten Fach- und Führungskräfte, die Unternehmensleitung forciere ganz bewusst den Wettbewerb der Mitarbeiter um attraktive Aufstiegspositionen. Immerhin ein Fünftel sieht sich auch von Kollegen unter Druck gesetzt, die aggressiv agierten. "Der Ton, in dem Vorgesetzte Leistung einfordern, hat sich verschärft", bestätigt Martin. "Das führt auch dazu, dass sich Einzelne auf Kosten anderer profilieren." Trotz des Fachkräftemangels und guter Konjunktur hat sich die Situation für Führungskräfte also nicht verbessert, der Konkurrenzkampf tobt weiter.

Der Wirtschaftswissenschaftler Martin erklärt dies mit einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren: Zum einen drängen immer mehr Abiturienten und Akademiker auf den Arbeitsmarkt. Dort fehlten jedoch adäquate Stellen. "Diesen Wandel haben die Unternehmen bislang verschlafen. Sie müssen ihre Stellenstruktur noch den Absolventen anpassen." Zum anderen begünstigen flache Hierarchien den harten Wettbewerb: Führungspositionen werden weniger, wenn alle gleich gestellt sind. "Doch Arbeitnehmer sind sehr statusbewusst. Das verstärkt die Unzufriedenheit", so Martin. Darüber hinaus gebe es auch unter den Fach- und Führungskräften immer noch Berufsgruppen, die es auf dem Arbeitsmarkt weiterhin schwer haben. Geistes- und Sozialwissenschaftler etwa haben anders als Ingenieure oder Informatiker nach wie vor schlechte Karten, wenn es um Aufstiegschancen im Unternehmen geht.

Auf der nächsten Seite: Warum Führungskräfte in großen Konzernen am unglücklichsten sind - und was Firmen tun sollten, um dies zu verhindern.

Schlechte Aufstiegsmöglichkeiten

Doch auch sie zählen zu den Wechselwilligen, wie die Untersuchung zeigt. "Das ist fatal", sagt Sascha Theisen, Manager bei StepStone. "Ingenieure und Informatiker sind Mangelware auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Die Unternehmen sollten eigentlich alles daran setzen, sie zu halten." Wandern die begehrten Fachkräfte dennoch ab, hat das Folgen: Die Neubesetzung einer einzigen Stelle kann schnell mit 75.000 Euro zu Buche schlagen. Fehlt geschultes Personal, müssen Unternehmen Aufträge ablehnen. Nach Berechnungen des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft kostet der Fachkräftemangel die deutsche Wirtschaft pro Jahr insgesamt rund 20 Milliarden Euro.

Besonders große Konzerne tun sich offenbar schwer damit, ihre Führungskräfte zu binden: Dort empfinden sie den Wettbewerbsdruck laut der Studie deutlich stärker als in kleineren Unternehmen. Zugleich beurteilen sie die internen Aufstiegsmöglichkeiten als wesentlich schlechter. "In einer großen Firma bekommt der Einzelne schnell das Gefühl, so behandelt zu werden wie jeder andere auch", sagt Martin. Doch das Ego der Führungskräfte wolle eben auch mal gestreichelt werden.

Martin empfiehlt den Unternehmen, dieser Entwicklung mit gezieltem Beschäftigungsmanagement gegenzusteuern. Denn was sich Fach- und Führungskräfte wünschen, liegt auf der Hand: Sie wollen fair behandelt werden, erwarten eine angemessene Bezahlung, Teilhabe am Unternehmenserfolg und Ehrlichkeit. "Nach außen stellen sich Unternehmen gern so dar, als würden sie diesen Ansprüchen gerecht", sagt Sascha Theisen von StepStone. "Doch kurzfristig bringen Konkurrenz und Druck eben mehr Leistung."

© SZ vom 13.6.2008/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: