Fernsehen im Büro:EM gucken ist gut fürs Teamwork

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Selbst während der EM ist der Fernseher am Arbeitsplatz nicht grundsätzlich erlaubt. Trotzdem sollten Chefs ihren Mitarbeitern erlauben, die Spiele zu verfolgen: Sich gemeinsam über die gegnerische Mannschaft aufzuregen, ist gut für die Stimmung.

Fußball lebt vom Teamgeist. Umgekehrt stimmt es aber auch: Gemeinsame Fußballerlebnisse tragen zum Teamgeist bei. So gesehen sollten sich Arbeitgeber auf die Europameisterschaft freuen. Denn egal ob Kollegen die Spiele zusammen vor dem Fernseher gucken, beim Public Viewing oder sogar zusammen in die Schweiz oder nach Österreich reisen - solche Erfahrungen zu teilen, ist gut fürs Wir-Gefühl.

Gemeinsam Fußball schauen - gemeinsam leiden: So entwickelt eine Firma ein Wir-Gefühl. (Foto: Foto:)

"Aus sozialpsychologischer Sicht ist das unbedingt positiv", sagt Jeannine Ohlert von der Deutschen Sporthochschule Köln. Teamsportarten seien besonders geeignet, den Zusammenhalt derer zu fördern, die sich dafür interessieren. "Fußball hat den Vorteil, dass sich vergleichsweise viele dafür begeistern können", sagt die Sozialpsychologin. Anders als bei Bundesligaspielen gibt es bei internationalen Wettbewerben meist keine trennenden Grenzen zwischen den Anhängern verschiedener Teams: "Das ist der Vorteil solcher Wettbewerbe wie der EM - mit der Nationalmannschaft können sich fast alle identifizieren", sagt Ohlert. "Das schweißt zusammen." Nicht ganz so einfach ist das in großen internationalen Konzernen.

"Im Zuge der Globalisierung hat man es da oft mit Mitarbeitern aus vielen verschiedenen Ländern zu tun", sagt Prof. Arnd Krüger. "Die Identifikation mit nur einer Mannschaft funktioniert dann nicht mehr", so der Sportwissenschaftler von der Uni Göttingen. Gerade im Fernsehen werde von den Kommentatoren häufig sehr eindeutig für die deutsche Mannschaft Partei genommen - wer dann für die Italiener oder Engländer ist, fühlt sich zumindest ausgegrenzt.

Wir-Gefühl durch ein gemeinsames Ziel

Wobei auch in solchen Betrieben Sport etwas Verbindendes haben kann. "Das gilt vor allem, wenn man gemeinsam Sport macht", sagt Krüger. Denn die jeweilige Firmenmannschaft entwickelt in jedem Fall ein Wir-Gefühl, unabhängig von der Herkunft der einzelnen Spieler. Der Teamgeist kann auch für die Zusammenarbeit von Vorteil sein.

Wobei die "Teambuilding"-Effekte nach Prof. Krügers Einschätzung beim aktiven Sport größer sind als beim gemeinsamen Zuschauen - auch wenn alle aus einem Land kommen und für die gleiche Mannschaft jubeln.

Ein Wir-Gefühl entstehe durch ein gemeinsames Ziel, gemeinsame Schwierigkeiten, gemeinsame Gegner oder eine Kombination aus diesen Aspekten, erklärt Jeannine Ohlert. Fußball gucken im Team erfüllt diese Kriterien - gemeinsame Gegner gibt es immer wieder zumindest für 90 Minuten, Schwierigkeiten auch. Und das gemeinsame Ziel dürfte klar sein: der Titelgewinn. Das Vorwärtskommen der eigenen Elf zu verfolgen, mitzuerleben, wie aus dem Rückstand doch noch ein Erfolg wird oder der dringend nötige Ausgleich erst kurz vor dem Abpfiff kommt, kann beim Public Viewing genauso intensiv sein wie im Stadion.

Auf der nächsten Seite: Warum Aggressionen kein Problem sind.

Großes Gemeinschaftserlebnis

"Emotionen kommen aber auch im Fernsehen rüber", sagt Ohlert - "manchmal sogar noch besser, wenn man von entscheidenden spannenden Szenen zwei oder drei Zeitlupen zu sehen bekommt und auch gezeigt wird, wie zum Beispiel der Torschütze jubelt." Daher kann es durchaus ein Gemeinschaftserlebnis sein, an das sich viele noch lange danach erinnern, wenn im Betrieb das Finale nur am Fernseher geguckt wurde.

Das gilt vor allem, wenn die eigene Mannschaft Erfolg hat. "Je weiter das Team kommt, umso größer wird die Identifikation", sagt Prof. Bernd Strauß. Und die Begeisterung für den Fußball ergreife dann auch diejenigen, die sich vorher gar nicht so sehr dafür interessiert haben, erklärt der Sportpsychologe von der Uni Münster.

Aggressionen sind dabei kein Problem. "Beim Fußball ist es nicht verpönt, Emotionen rauszulassen", so Jeannine Ohlert. Sich lautstark über den Schiedsrichter oder gegnerische Verteidiger aufzuregen, sei nicht schlecht für die Stimmung. "Solange sich die Gruppe in ihren Emotionen einig ist, schadet das dem Teamgeist nicht." Während der EM den Fernseher einzuschalten, wenn die deutsche Elf spielt, ist nach Ohlerts Einschätzung deshalb auch am Arbeitsplatz grundsätzlich eine gute Idee: "Das Arbeitsklima wird dadurch entspannter. Das bewirkt eine positivere Gesamtatmosphäre", sagt die Sozialpsychologin. Das sieht auch Prof. Strauß so: Gerade das Erleben von Spannung, von Situationen mit ungewissem Ausgang, stärke das Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Folge sei positive Stimmung.

Dass diese Effekte allerdings sehr langlebig sind, bezweifelt der Sportpsychologe: "Das Bruttosozialprodukt wird dadurch nicht gesteigert." Immerhin gibt es die Chance, dass man beim gemeinsamen Fußballgucken den einen oder anderen Kollegen trifft, den man bisher noch nie wahrgenommen hat. Andere Mitarbeiter, die einem bisher nur unangenehm aufgefallen sind, sieht man womöglich in neuem Licht: Fußball verbindet schließlich, egal wie das Spiel ausgeht.

© dpa/Andreas Heimann - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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