Erfolgreicher Abstieg:Vergiss den inneren Supermann

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Die Kunst des erfolgreichen Abstiegs: Autor und Trainer Hans Ruoff fordert mehr Ehrlichkeit im Umgang mit Niederlagen.

Isa Hoffinger

Viele Menschen scheitern an ihren Karrierezielen, doch nur wenige geben das zu. Der Autor und Trainer Hans Ruoff fordert mehr Ehrlichkeit im Umgang mit Niederlagen. In seinem Buch "Die Kunst des erfolgreichen Abstiegs" (Herder-Verlag, 8,95 Euro) stellt er Menschen vor, die durch einen Karriereknick zu Gewinnern wurden.

Autor und Trainer Hans Ruoff. (Foto: Foto: oh)

SZ: Sie waren lange Zeit Redakteur und haben sich jetzt als Schreibtrainer selbständig gemacht. Ist das ein Abstieg?

Ruoff: Das Wort "Abstieg" gefällt mir nicht. Unsere Sprache zeigt, wie grausam wir mit Menschen umgehen, die an einem bestimmten Punkt beruflich nicht mehr weiterkommen. Wir beschreiben ihre Situation nicht nur, sondern bewerten sie. In unseren Augen sinken solche Leute in die Tiefe ab. Im Amerikanischen sagt man zu einer Kündigung "to be let go", das klingt viel neutraler. Mein Weg war ein Abstieg, wenn man die Kriterien unserer Leistungsgesellschaft anlegt. In Wahrheit war er ein Aus- und Umstieg. Ich war fest angestellt, hatte aber keine Perspektive mehr und bin deshalb gegangen. Im Moment verdiene ich weniger, bin aber mit meiner Arbeit zufriedener.

SZ: Wenn dieser Weg nicht schlimm für Sie war, warum haben Sie dann das Buch geschrieben?

Ruoff: Viele Menschen glauben an ein Märchen. Es heißt "Jeder ist seines Glückes Schmied" und handelt von Leuten, die sich angestrengt haben und dafür belohnt werden. Natürlich muss ich etwas leisten, damit ich Karriere machen kann. Aber das ist heute keine Garantie mehr. Manager können nach einer Elternzeit degradiert werden. Vertraute von Vorgesetzten müssen gehen, wenn ihr Chef wechselt. Engagierte Mitarbeiter bekommen ein Burnout-Syndrom. Sie alle haben sich angestrengt und merken trotzdem: Du bist raus. Ihre Situation wird als Versagen interpretiert. Aber wer es schafft, aus dieser Lage heraus etwas Neues auf die Beine zu stellen, ist erfolgreich und kein Verlierer.

SZ: In Ihrem Buch kommen Menschen vor, die gemerkt haben, dass ihr alter Job nicht der richtige war. Alle haben wieder Arbeit und sind jetzt glücklicher. Ist das nicht auch ein Märchen?

Ruoff: Es wäre ein Märchen, wenn ich behaupten würde: Das ist immer so. Eine Outplacement-Beratung hat vor kurzem bilanziert, was aus ihren Klienten geworden ist. Zwei Drittel kamen aus Großunternehmen, aber weniger als ein Drittel kehrte in diese Liga zurück. Fast jeder Zweite landete bei einem Mittelständler, jeder Fünfte machte sich selbständig. Vermutlich waren nicht alle auf Anhieb zufrieden. Aber manchmal muss es mich aus der Kurve tragen, damit ich merke: Das Tempo war zu hoch für mich, und die Richtung hat mir in letzter Zeit auch nicht mehr gepasst. Wer sich selbständig macht oder von einer hohen Position in eine niedrigere wechselt, muss aushalten können, weniger Macht, Prestige oder Geld zu haben. Aber er gewinnt vielleicht mehr freie Zeit.

SZ: Wie schafft man den erfolgreichen Abstieg?

Ruoff: Ich muss etwas dafür tun, wenn aus einer Krise eine Chance werden soll. Ein Karrierebruch ist wie ein kleiner Tod - ich werde zunächst trauern. Wer aber in der Opferhaltung verharrt, akzeptiert die Realität nicht. Zur Neuorientierung gehört eine ehrliche Bestandsaufnahme: Was genau ist passiert? Was war Folge von Entwicklungen in meiner Firma? Und was war mein Anteil? Dann kann ich entscheiden: Begrabe ich meinen Karrieretraum, weil er nie wirklich zu mir passte? Hake ich das Thema Karriere ab, weil es mir früher wichtig war, mich aber jetzt nicht mehr interessiert? Oder packe ich die Sache noch mal an?

SZ: Brauchen wir eine neue Kultur des Scheiterns?

Ruoff: Scheitern darf kein Makel mehr sein. Es ist eine Folge von globaler Konkurrenz und wachsender Flexibilität. Der Soziologe Richard Sennett sagt treffend: "Der Markt, auf dem der Gewinner alles bekommt, wird von einer Konkurrenz beherrscht, die eine große Zahl von Verlierern erzwingt." Gerade junge Leute müssen wissen: Scheitern kann jeder, auch wenn er hochqualifiziert ist. Das ist besser als weiter zu glauben: Alles ist machbar, wenn ich meinen Lebenslauf optimiere und den festen Willen habe, Supermann zu werden. Wir brauchen auch eine neue Kultur des Aussteigens. Damit meine ich nicht Ziegen hüten. Man kann aber aus den Kategorien von Sieg und Niederlage aussteigen und sich stattdessen fragen: Was macht mich glücklich?

© SZ vom 18.04.2009/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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