Erfolg:Die Frauen holen auf

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Deutschlands Top-Jobs werden von Jahr zu Jahr weiblicher. Unter Rechtsanwälten, Ärzten und Journalisten nimmt der Frauenanteil stetig zu. Experten entdecken "neues weibliches Karrierebewusstsein".

Von Felix Serrao

Bis vor wenigen Jahren gab es bei Gerichts-Krimis eine eiserne Regel: Anwälte, Richter, Staatsanwälte - egal ob jung und ehrgeizig oder alt und listig - waren Männer, ausnahmslos. Ende der 90er Jahre erschien dann plötzlich ein neurotisches Klappergestell namens Ally McBeal und die Zuschauer-Quote explodierte.

Die Revolution auf der Mattscheibe spiegelt den gesellschaftlichen Wandel in der Realität wider: Es gibt immer mehr Anwältinnen. Allein in den Jahren 1996 bis 2002 erhöhte sich der Frauenanteil in den Kanzleien der Republik von 35,6 auf 39,6 Prozent. Das besagt eine aktuelle Beschäftigten-Statistik vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Hält der Trend an, steht es in 15 Jahren 50:50.

Doch nicht nur in die Kanzleien drängt der weibliche Nachwuchs. Auch in anderen Prestige-Jobs legen die Frauen zu. Sei es als Hochschullehrerin (von 31,7 auf 36,5 Prozent), Journalistin (von 37,8 auf 41,2 Prozent) oder Ärztin (von 43,8 auf 45,8 Prozent).

Machos verkaufen weniger

Ulrike Wenner, Expertin für Chancengleichheit bei der Bundesanstalt für Arbeit hat eine Erklärung zur Hand: "Die Unternehmen entdecken allmählich die weibliche Sicht der Dinge." Wer eine Frau als Kundin wolle, müsse auch wissen, was diese wünscht. Und was nicht: "Wenn ich beim Autokauf als erstes gefragt werde, welche Farbe ich am liebsten mag, dreh' ich mich um und gehe", lästert Wenner.

Die Frauen nutzen das Umdenken in den Personalabteilungen: "Es gibt ein neues, weibliches Karrierebewusstsein in Deutschland", sagt Christel Degen, Referatsleiterin für Frauenpolitik beim Deutschen Gewerkschaftbund.

Die stärkere Orientierung auf den Beruf, zeigt sich auch bei den Geburtenzahlen. Zwei Drittel der nach 1964 geborenen Akademikerinnen habe, so die Expertin, keinen Nachwuchs. "Dieser Trend hält an".

Weibliches Top-Management? Fehlanzeige

Ein Blick auf den "Mikrozensus", die amtliche Groß-Statistik über Bevölkerung und Arbeitsmarkt, zeigt jedoch: Die Jobs, denen das Gros der Frauen nachgeht, sind heute noch dieselben wie vorgestern. 1976 und 2002 auf Platz eins: die Bürofachkraft. Es folgen: kaufmännische Angestellte, Putzfrau, Krankenschwester, Verwaltungsfachfrau, Arzthelferin und Verkäuferin.

Es sind die Akademikerinnen, die aufholen. Sie gewinnen stetig an Einfluss - auch wenn ihnen die obersten Etagen der Macht vielerorts (noch) versperrt sind. Die Chefetagen der DAX-Unternehmen sind ein Männerrevier, zu 100 Prozent. Bundeskanzleramt, Bundespräsidialamt und die wichtigsten Ministerien ebenso.

Gleichstellungsexpertin Wenner rät den Karriere-Frauen von morgen, das weibliche "Facettenreichtum an Kompetenzen" nicht als Defizit zu verstehen. Im Gegenteil: "Vermarkten Sie sich selbst." Einzelkämpfertum sei out. Frau solle bei den "old-boys-networks" der Männer abgucken und Kontakte knüpfen.

Schließlich empfiehlt Wenner ihren Geschlechtsgenossinnen, die eigene Erwerbsbiografie langfristig zu planen. Es sei keineswegs selbstverständlich, der Familie zuliebe zuhause zu blieben. Ihr Tipp: "Nehmen Sie die Männer in die Pflicht."

Die Herren der Schöpfung selbst kann sie beruhigen: "Das Leben außerhalb des Berufs ist kein Straflager, in das die Mädels die Männer abdrängen wollen." Überhaupt gehe es nicht um einen Geschlechter-Krieg, um "gewinnen" und "verlieren".

Ziel sei vielmehr eine vernünftige Arbeitsteilung auf Augenhöhe.

(sueddeutsche.de)

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