Elite-Wettbewerb:Der Tag der Entscheidung

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Spannung an den beiden Münchner Universitäten: Erhalten LMU und TU den Titel einer Elite-Uni?

Martin Thurau

Auf diesen Tag haben die beiden Münchner Universitäten lange gewartet. Das ist in diesem Falle nicht zu dick aufgetragen, denn heute fällt die Entscheidung darüber, ob sie sich künftig als Elite-Universitäten bezeichnen dürfen. Und bei aller Zuversicht, die die Verantwortlichen nach außen hin zeigen - die Nervosität dürfte erheblich sein. Kein Wunder, mit der Kür wäre nicht nur ein warmer Geldregen für die notorisch kurzgehaltenen Hochschulen verbunden, sondern auch ein gigantischer Prestigegewinn. Denn das Label rückt seine Träger wie von selbst in die Nähe der altehrwürdigen angelsächsischen Bildungsinstitutionen aus der Efeu-Liga, der Ivy League, mit denen sich deutsche Hochschulen so gerne messen können möchten.

Die LMU (Foto: Foto: oh)

Ursprünglich war es nur ein Vorstoß des später geschassten SPD-Generalsekretärs Olaf Scholz, damals im Januar 2004. Doch dann wurden daraus ein veritabler Polit-Hype - und ein Wettbewerb des Wissenschaftsministeriums in Berlin. "Exzellenz-Initiative", der offizielle Name, ist ungelenk und semantisch nah am Business-Blödsinn, doch die Suche nach der Super-Uni, profilstark und international konkurrenzfähig, funktioniert in der Öffentlichkeit - wie nach bewährtem Show-Konzept. Es ist, als schössen darin sämtliche Debatten zur Zukunftsfähigkeit des Landes zusammen.

Bei allem Rummel - die Idee, Spitzenforschung als Thema populär zu machen, findet Bernd Huber, Rektor der Universität München (LMU), grundsätzlich richtig. Wolfgang Herrmann, Präsident der Technischen Universität (TU) München sagt, der Wettbewerb habe einiges in Gang gesetzt. Er habe die "innere Kohärenz" an seiner Hochschule gestärkt, schließlich waren wie an der LMU auch Hunderte Wissenschaftler damit befasst, die zahlreichen Anträge zu schreiben. Und er habe das Interesse der Wirtschaft an den Hochschulen weiter befördert.

Zehn Universitäten sind noch im Rennen, die in den meisten Grafiken dazu sinnigerweise als kleine Leuchttürme auf einer Landkarte erscheinen. Und die zeigt ein klares Süd-Nord-Gefälle; allein vier liegen in Baden-Württemberg, drei in Bayern. Am Ende, so wird erwartet, werden allenfalls fünf übrigbleiben. Dass sowohl LMU als auch TU auf dieser Shortlist stehen, verleiht dem Wettbewerb in München eine besondere Brisanz. Schließlich galten sie lange als scharfe Konkurrenten; heute sehen sie sich im "sportlichen" bis "kollegialen" Wettbewerb. Doch wenn die eine der anderen Universität davonzöge, wäre es für die Unterlegene ein herber Image-Verlust.

Wie nun die Chancen tatsächlich stehen? Von "Zuversicht" und "gespannter Erwartung" spricht Huber. Was soll er auch sagen, offiziell? Schließlich gäben sich die Gutachter von Deutscher Forschungsgemeinschaft (DFG) und Wissenschaftsrat äußerst zugeknöpft, beteuert jeder, wenn man ihn fragt. Wegen der komplexen Abstimmung zwischen Wissenschaft und Politik, heißt es, sei offenbar striktes Stillschweigen verordnet.

Wo so wenig bekannt ist, schießen die Spekulationen ins Kraut. Viele beteiligen sich daran, doch möchte keiner die Gedankenspiele mit seinem Namen in der Zeitung lesen. So kurz vor der Entscheidung öffentlich Bewertungen abzugeben, sei eben nicht opportun. Schon die Zahl künftiger Elite-Universitäten ist Gegenstand von Gerüchten. Werden es nur drei? Ob beide Münchner Universitäten zum Zuge kommen können - auch dazu gibt es unterschiedliche Theorien.

Die TU München (Foto: Foto: oh)

Eine läuft darauf hinaus, dass die LMU unter den so genannten Voll-Universitäten, an denen das gesamte Fächerspektrum vertreten ist, als "quasi gesetzt" ansieht, ebenso die RWTH Aachen unter den Technischen Universitäten. Das wiederum könnte für die TU München deswegen schlecht sein, weil der Auswahlkommission womöglich eine TU genüge, bei einer kleinen Zahl von Elite-Unis insgesamt. Alles ein Bauchgefühl, beteuern alle Befragten im Nachsatz, es könne auch ganz anders ausgehen. Ebenso häufig ist zu hören, dass nach wissenschaftlichen Kriterien LMU und TU dabei sein müssten. Schließlich seien die umfangreichen Begutachtungen alle super gelaufen. Und schon die Auswahl der Shortlist habe gezeigt, dass bei den Gutachtern die wissenschaftliche Qualität zähle und nicht der Länder-Proporz. Was aber, wenn die Politik am Ende genau den anstrebe und sich damit durchsetze?

In der vergangenen Woche schlug noch einmal die Stunde der Auguren. Gleich zwei - angesehene - Rankings sortierten die bundesdeutsche Hochschullandschaft. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) rechnete vor, wieviel Geld für wissenschaftliche Projekte, so genannte Drittmittel, sie in den Jahren 2002 bis 2004 verteilt hatte. Danach lag die LMU an der Spitze, gefolgt von den Elite-Anwärtern Aachen, Heidelberg und Würzburg; die TU lag auf Platz neun. Gemessen an der Größe der Universitäten (Zahl der Professoren) rutschte die LMU auf Platz 19 ab, die TU hielt Platz zehn.

Ein Anhaltspunkt? Das Ranking zeige, dass die LMU zu den forschungsstärksten Hochschulen gehöre, sagt Huber vorsichtig. Immerhin ist Forschungsstärke nun einmal ein, wenn nicht das Hauptkriterium des Elite-Wettbewerbs und die DFG ist an der Auswahl maßgeblich beteiligt. Forschungsstärke bewertet aber auch das Centrum für Hochschulentwicklung aus Gütersloh, differenziert nach Fächern. Da wiederum liegt die TU im Gesamt-Classement auf Platz eins, die LMU auf Rang sechs.

In der "Exzellenz-Initiative" geht es jedoch nicht nur um den Titel der Elite-Uni, um den sich die Hochschulen mit einem Strukturkonzept bewerben, und etwa 13,5 Millionen Euro jährlich, sondern unter anderem auch um große Forschungsverbünde (pro Jahr mit 6,5 Millionen gefördert). Die LMU hat noch drei solcher interdisziplinären Verbünde im Rennen, etwa in den Nanowissenschaften, die TU ebenfalls, beispielsweise zur autonomen Steuerung technischer Systeme. Ein weiteres Projekt läuft gemeinsam, und überhaupt haben die beiden Universitäten Kooperation in den Anträgen groß geschrieben. Ginge es für die Hochschulen gut aus, käme also ziemlich viel Geld in die Kasse. Zum Vergleich: Das gesamte Drittmittelaufkommen (für Forschungsprojekte) lag bei der TU zuletzt bei 133 Millionen Euro (2005), das der LMU bei 130 Millionen (2004). TU-Präsident Herrmann erhofft sich denn auch einen erheblichen finanziellen "Gestaltungsspielraum" für weitere Modernisierungsschritte - im "Zeitraffer".

Ein weiteres bekanntes Ranking allerdings, ebenfalls just in der vergangenen Woche veröffentlicht, relativiert die ganze Aufregung um den Elite-Wettbewerb. Die Hochschulbeilage der britischen Times zieht die internationale Messlatte ein. Ganz vorn die üblichen HarvardCambridgeOxfordMIT, die beste deutsche Hochschule ist die Universität Heidelberg - auf Platz 58. Die TU München liegt auf Platz 82, die LMU auf Rang 98.

© SZ vom 13.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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